AS EVERYTHING UNFOLDS

Foto© by Pearl Cook

Licht aus

Mit „Ultraviolett“ legen die Briten im Vergleich zu ihrem Debütalbum „Within Each Lies The Other“ eine große Schippe drauf. Wir sprechen mit Sängerin Charlie Rolfe über Artdesign und Schreibprozesse.

Ich weiß, dass du bei eurem Debüt sehr stark an der visuellen Seite des Albums beteiligt warst. War das dieses Mal wieder der Fall?

Ich habe darauf geachtet, dass alles zusammenpasst. Die Splatter-Variante passt so auch zum Artdesign und zum Cover. Alles ist lila oder violett gehalten. Man könnte mich quasi als Artdirector bezeichnen. Ich habe Fotografie studiert und versuche mich auch an Design. Ich bin für Sachen auf diesem Level aber wahrscheinlich nicht gut genug. Wir haben uns an Abby, die bei Flowers and Bones arbeitet, gewandt. Mit ihr arbeiten wir nun schon eine ganze Weile zusammen. Ich kann ihr einfach meine Ideen schildern oder ihr ein wirklich schlechtes Photoshop-Mock-up schicken und sie weiß sofort, was ich möchte. Sie kommt dann eine Weile später genau mit dem um die Ecke, was ich im Kopf hatte. Als könnte sie Gedanken lesen. Das ist wirklich großartig. Im konkreten Fall habe ich ihr ein paar Ideen geschickt und gesagt, dass sie sich gerade künstlerische Freiheiten nehmen kann. Sie kam dann wirklich nach zwei Wochen mit allem zurück und ich liebe es bis heute. Ich gestalte zwar unser komplettes Merch-Design, aber für ein Albumcover fühle ich mich noch nicht bereit.

Vielleicht das nächste Mal. Gibt es auch bei „Ultraviolett“ wieder ein Grundkonzept, das sich durch das Design zieht?
Ja, aber es ist nicht so geheim wie beim ersten Album. Wie gesagt, ich habe einen Abschluss in Fotografie und so auch eine Menge Zeit in der Dunkelkammer verbracht. Dort entwickelst du deine Filme, arbeitest mit Chemikalien und so weiter. Ich habe das zwar jetzt eine Weile nicht gemacht, aber ich habe mir Gedanken über die Verarbeitung von Farben gemacht. Wenn du einen Film farbig entwickelst oder farbig druckst, so musst du das in absoluter Dunkelheit tun. Du kannst dafür nur ultraviolettes Licht nutzen. Das Konzept in einem Satz zusammengefasst: „Um das Leben in all seinen Farben zu sehen, musst du es in ultraviolettem Licht betrachten.“ Die Idee spiegelt meine Gedanken und Gefühle zu dieser bestimmten Zeit wider. So konnte ich auch die Liebe zur Kunst und zur Musik vereinen. Das habe ich in der Vergangenheit zwar schon immer im Hintergrund getan, nun kommt es aber viel direkter rüber. Ich mache eben nicht nur Musik, sondern auch noch andere Dinge. Es ist toll, so beide Leidenschaften zusammenbringen.

Diese Dunkelkammern fand ich als Kind immer sehr mysteriös. Es gab diese Geschichten, dass die Bilder komplett hinüber sind, wenn sie Licht ausgesetzt werden. Der Ort kam mir immer sehr seltsam vor.
Aber du kannst Schwarzweiß-Abzüge auch bei Infrarot-Licht machen. Ein Song auf dem Album referenziert das sogar. Damit haben wir gespielt. Alle Geräusche und Samples für „Infrared“ habe ich eingespielt. Wir sind da wirklich in die Materie gegangen und haben uns ausgelebt. Du hörst zum Beispiel Papier abtropfen, laufendes Wasser oder einen Timer, der abläuft. Viele werden denken, dass man hier hört, wie jemand auf die Toilette geht, haha. Am Anfang klang das auch irgendwie so. Deshalb bin ich aber auch ein bisschen offener, was das Konzept angeht, dieses Mal. Zwar werden Menschen, die sich mit Fotografie auskennen vielleicht die Korrelation erkennen, wahrscheinlich ist das aber die Minderheit.

Mich würde interessieren, wie der Schreibprozess bei diesem Albums ablief. Normalerweise nimmt man gewisse Reaktionen des Publikums in Live-Situationen mit und sieht so, ob Lieder funktionieren. Nun kam euer Debüt mitten in der Pandemie heraus. Wie habt ihr euch Feedback geholt?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich würde behaupten, dass jede Band analysiert, was ankommt und was nicht. Offensichtlich funktioniert zum Beispiel „On the inside“ sehr gut bei Spotify und auch auf der Bühne. Wir haben uns dann etwas daran orientiert und die einzelnen Elemente auseinandergenommen. Der Hauptgrund, warum viele das Lied mögen, ist der Refrain. Es gibt keinen heftigen Breakdown oder Ähnliches. Auf der anderen Seite gibt es da „Wallow“, was zwar unsere am schlechtesten geströmte Single ist, live aber unser absoluter Favorit. Die Leute gehen total ab. Unser Plan war also, eingängige Refrains mit härteren Elementen zu mischen. Das gefällt uns und darauf haben wir uns nun schon eine Weile hinentwickelt. Ich selbst liebe Emo und melodische Sachen. Wir alle hören privat kaum noch Metalcore. Zuerst fühlte es sich also etwas seltsam, an härteres Material zu schreiben, aber irgendwann war es ganz selbstverständlich. „Flipside“ ist zum Beispiel eines meiner Lieblingsstücke auf dem Album. Der Breakdown ist hier in einem ungeraden Takt geschrieben, der Refrain ist aber ganz normal. Vielleicht fällt das jemandem auf, viele werden aber am mitsingbaren Refrain hängenbleiben. So etwas macht mir Spaß. Alle Dinge, die den Leuten gefallen, zusammenbringen.

Nimm mich bitte mal mit. Wie schreibt ihr einen Song?
Adam, unser Gitarrist, und John, der für Keyboard und Synths verantwortlich ist, setzen sich im Studio zusammen und schreiben die Lieder. Alles, inklusive Schlagzeug und Keyboards. Jedes Instrument wird bei uns als gleichwertig betrachtet. Im Anschluss, wenn das Gerüst steht, komme ich dazu. Wir treffen uns dann in Johns Studio, essen eine Pizza und sitzen zusammen. Ich setze mir die Kopfhörer auf und höre die Musik immer und immer wieder. Sobald ich dann einen Einfall für eine Melodie habe, nehmen wir das auf. Danach setze ich mich dann wieder zurück an den Computer und arbeite am Text. Ich schreibe auch sehr viele Texte daheim, mir fällt es da aber schwer, Melodien zu finden. Bei John werden diese vielen Wörter dann in einen Liedtext überführt. Manche Stücke dauern so einen Tag, andere benötigen Wochen. Ich versuche immer, wenn etwas nicht funktioniert, an etwas anderem weiterzuarbeiten und nicht in einer Sackgasse steckenzubleiben. So hatten wir am Ende dreißig Demos, aus denen wir die besten ausgewählt haben.