BILLYBIO

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Billy Graziadei ist schon beinahe eine Hardcore-Legende. Seit Jahrzehnten ist er mit BIOHAZARD Teil des NYHC, letztes Jahr brachte er dann als POWERFLO ein Album zusammen mit CYPRESS HILL-Rapper Sen Dog raus. Nun steht mit BILLYBIO sein, auch wenn er es nicht so bezeichnen mag, erstes Soloalbum auf dem Plan: „Feed The Fire“.

Soloalben findet man in der Hardcore-Szene nicht so häufig ...

Ich betrachte es gar nicht als ein Soloalbum. Ich bin da nicht anders herangegangen als an alle anderen mit meinen Bands auch. Ich habe ein paar Freunde an Bord geholt, um die Sachen mit mir aufzunehmen, jetzt sind ein paar andere Freunde mit mir hier auf Tour. Ich liebe es, Konzerte zu spielen, zu touren, ich mag das alles. Es sollte gar nicht so eine Ego Nummer sein, es ist einfach nur eine Möglichkeit für mich, Musik zu veröffentlichen, die ich schreibe. Hm. Ich habe da nie wirklich drüber nachgedacht, ob es jetzt ein Soloalbum ist, ich habe meine ganze Energie in die Songs gesteckt.

Du sagtest gerade, dass du mit anderen Leuten auf Tour bist als die, mit denen du im Studio warst. Werden wir immer wieder neue Versionen von BILLYBIO zu sehen bekommen, je nachdem wer gerade Zeit hat?
Es wird natürlich immer mit mir sein. Bei den Aufnahmen waren zum Beispiel Leute dabei von SUICIDAL TENDENCIES und DEATH BY STEREO. Als das Angebot der Tour mit LIFE OF AGONY kam, waren sie natürlich alle mit ihren eigenen Bands unterwegs. Deswegen habe ich jetzt andere Jungs dabei. Wie ich schon sagte, ich liebe es, live zu spielen. Es sind Leute unter anderem von EXPLOITED dabei, wenn sie bei mir bleiben können: toll. Aber sollten sie andere Verpflichtungen haben, ist das okay. Dann frage ich eben andere.

Wenn Musiker an deinem Album beteiligt waren, die selber in Bands spielen und es gewöhnt sind, an eigenen Produktionen zu arbeiten, fällt es ihnen da nicht schwer, sich komplett auf deine Vision einzulassen?
Ich denke, es ist sogar sehr einfach. Als Produzent weiß ich, wie ich das Beste aus den Leuten raushole, mit denen ich arbeite. Die Jungs haben die Sachen so eingespielt, wie ich sie geschrieben habe. Es war ja schon alles fertig. Und sie respektierten, dass ich die Songs genau so geschrieben habe. Es gab also keine Veränderungen. Es ist nicht so wie bei einer Band, wo jeder eine Meinung zu etwas hat.

Du bist seit Jahrzehnten aktiv in der Hardcore-Szene, man könnte dich durchaus als Legende bezeichnen. Empfindest du dich manchmal auch als eine Art Vorbild in der Szene?
Nein, nicht wirklich. Aber ich verstehe natürlich, woher das kommt. Wenn jemand so lange dabei ist wie ich, dann gibt es all diese Freundschaften, Connections und so weiter. Es ist natürlich was anderes, verglichen mit einem Kid, das mit seiner ersten Band auf die erste Tour geht. Ich habe das alles schon gesehen. Wenn jemand das so lange macht wie ich, dann ist er zum einen ein Survivor, zum anderen weiß er auch genau, warum er das macht. Bei Leuten, die irgendwann aufgeben, da frage ich mich schon, ob sie mit ihrem Herzen dabei gewesen sind. Ich lebe und atme diese Underground-Szene, ich bin stolz darauf, ein Teil davon zu sein. Und ich habe natürlich gesehen, wie sie sich über die Jahre verändert hat. Aber mich selbst als Legende oder Vorbild bezeichnen, ich weiß nicht. Ich versuche, bei den Leuten den Eindruck zu hinterlassen, ein ehrlicher, echter und aufmerksamer Typ zu sein. Ich finde es toll, alte und neue Freunde zu treffen, darauf freue ich mich bei jeder Show. So bin ich einfach.

Ist das manchmal auch eine Bürde? Du schleppst so viel Hardcore-Geschichte mit dir herum, kannst du überhaupt frei von Erwartungsdruck ein Album schreiben? Wäre es manchmal besser, in der Szene nicht so bekannt zu sein?
Lass mich dir folgendes sagen: Diese Tour gerade ist der ersten Welttour mit BIOHAZARD nicht unähnlich. Niemand kannte uns. Wir waren mit MUCKY PUP in Europa unterwegs und jeden Abend war es das gleiche Bild. Verschränkte Arme und Kopfnicken, und auf den Gesichtern stand geschrieben: Wer ist das? Noch nie von denen gehört! Wir hatten damals noch kein Album raus, aber wir haben erlebt, dass die Leute es irgendwann akzeptiert haben. Es wurde immer besser. Die zweite Tour war dann etwas völlig anderes, das Album war da, die Leute flippten aus. Jetzt ist es genauso, „Feed The Fire“ ist noch nicht erschienen, die Leute kennen die Band nicht. Es ist exakt die gleiche Geschichte. Ich komme auf die Bühne, sie wissen nicht, wie wir klingen. Metal? Death Metal? Thrash? Hardcore? Punk? Es ist selten, dass man eine Erfahrung ein zweites Mal macht. Verschränkte Arme und Kopfnicken. Auf keinem Flyer steht, dass ich von BIOHAZARD bin. Ich finde das cool! Es erinnert mich so vieles an unsere frühen Tage. Es ist keine Bürde, es ist eine Herausforderung. Ich werde immer wieder gefragt, warum ich noch mal von ganz vorne anfangen will und nicht einfach mit BIOHAZARD weitermache. Und ich liebe die Jungs, wir sind immer noch eine Band. Aber sie sind eben alle beschäftigt. Also mache ich, worauf ich Bock hab.

Du hast ja mit POWERFLO ein zweites Projekt, das quasi als „Supergroup“ einen ganz anderen Ansatz hat.
Ja, das ist richtig, der ganze Werdegang war ziemlich unorthodox. Wir haben nie bewusst gesagt, dass wir eine Band gründen wollen. Sen Dog von CYPRESS HILL kam abends nach einem Footballspiel im Studio vorbei, und wir haben ein paar Songs zusammen gemacht. Und nach noch ein paar Songs haben wir uns gedacht: Das ist ganz cool! Wir sind alles Kumpel, machen wir ’ne Band draus! Erst dann kam die Sache ins Rollen. Den Plattendeal bekamen wir sogar noch ohne einen Bandnamen, haha! Aber auch hier empfand ich das nicht als schwierig. Nichts, was ich mache, ich schwierig, ich betrachte immer alles als Herausforderung. Das macht es für mich einfacher, etwas zu bewältigen. Bei BILLYBIO ist es noch einfacher. Ich muss mich nicht mit jemanden absprechen. Ich liebe die Chemie innerhalb einer Band, aber als Songwriter fasziniert es mich meine Vision eines Songs entstehen zu sehen. BILLYBIO ist hundert Prozent ich. Ich will es nicht so sagen, „Feed The Fire“ sei ein Soloalbum, denn ich respektiere die Jungs echt sehr, aber es ist mein Ding.