BLACKOUT PROBLEMS

Foto© by Florian Nielsen

Von persönlichen Erfahrungen zu kreativen Prozessen

Mario Radetzky, Sänger und Gitarrist, gewährt im Interview Einblicke in die musikalische Reise der Münchner Band, von der Überwindung von Genregrenzen bis zur Entstehung des Albums „Riot“ und der Zusammenarbeit mit ENTER SHIKARI-Sänger Rou Reynolds für den Song „GLOFS“.

Ihr seid eigentlich eine Rockband, allerdings integriert ihr auch andere Elemente in eure Musik. Gibt es ein klassisches Genre, dem ihr euch zuordnen würdet?

Es gefällt mir ehrlich gesagt, dass wir uns davon freigespielt haben. Obwohl wir in der Rockmusik sozialisiert wurden und vor allem wertetechnisch aus dieser Richtung kommen, hat sich unsere Musik im Laufe der Jahre entwickelt und ist nicht mehr so genrespezifisch. Ich möchte nicht behaupten, dass es keine Schublade für uns gibt. Es ist eher so, dass wir nicht nur in eine passen, sondern in mehrere. Wer uns irgendwie zuordnen möchte, kann das ganz individuell für sich tun. Jeder kann für sich entscheiden: Das ist deren Stil. Ich finde das gut, denn dadurch haben wir eine Nische gefunden, in der wir hoffentlich lange Zeit bestehen können.

Euer viertes Album „Riot“ wird am 23. Februar veröffentlicht. Mein Eindruck ist, es liegt eine gewisse Melancholie in der Luft, aber gleichzeitig möchte ich auch tanzen. Ein ziemlicher Kontrast könnte man sagen. War das beabsichtigt? Nach dem Motto: Mach das Beste aus der Situation, egal wie bescheiden sie ist?
Ich finde, du hast es richtig erkannt. Die Texte sind im Vergleich zur Musik schon ziemlich düster. Das Ganze steht tatsächlich konträr zueinander, aber es befruchtet sich auch auf interessante Weise. Es gibt mehr zu entdecken. Einerseits hörst du die Musik, spürst den Rhythmus und es weckt das Bedürfnis nach Bewegung in dir. Gleichzeitig, wenn du dich tiefer in die Texte begibst, gibt es noch viel mehr zu entdecken. Es ist, als würde sich eine Falltür öffnen und du tauchst noch tiefer in den Kosmos von BLACKOUT PROBLEMS ein.

Wie ihr sagt, verarbeitet ihr in euren Songs persönliche Erfahrungen. Wenn man sich so öffnet, macht man sich da nicht sehr angreifbar, besonders mit zunehmendem Erfolg? Besteht da nicht auch eine Gefahr für die Künstler, nicht nur für dich persönlich, sondern im Allgemeinen?
Ich habe tatsächlich viel darüber nachgedacht. Besonders als ich das erste Mal ein wirklich persönliches Lied geschrieben habe. Es ging damals um die Trennung meiner Eltern. Ich erinnere mich, wie ich am Mikrofon im Studio stand und versuchte, nicht alles so deutlich auszudrücken, weil ich wusste, dass es andere hören würden. Daher versuchte ich, es eher subtil zu halten. Es ist in der Tat eine Herausforderung, sich so zu öffnen, besonders wenn man mit Menschen persönliche Erfahrungen teilt. Aber ich habe festgestellt, je persönlicher ich werde, desto mehr Menschen erkennen sich in den Geschichten wieder. Die Rückmeldungen drehen sich nicht um mich, sondern um die Hörer und ihre eigenen Erfahrungen. Die Musik schafft eine Verbindung und es erstaunt mich immer wieder, wie positiv die Resonanz darauf ist. Interviews zu geben, bei denen es persönlich wird, kann schwierig sein, aber in der Musik fällt es mir leichter, weil ich gemerkt habe, dass Menschen daraus viel Positives ziehen können.

Können wir mit der nächsten Frage fortfahren, die tatsächlich etwas privater ist? Vielleicht findest du mich danach nicht mehr so sympathisch, aber es geht um den Song „Funeral“. Dieser liegt dir sehr am Herzen, weil er für dich einen lebensverändernden Hintergrund hat. Möchtest du etwas über die Geschichte des Songs erzählen?
Ein paar Geheimnisse behalten wir natürlich gerne für uns, aber ich kann einen kleinen Einblick geben. Kurz bevor ich „Funeral“ geschrieben habe, saß ich mit meiner Gitarre da und dachte darüber nach, welche Songs bereits auf dem Album sind. Alle waren durchweg düster, traurig und dunkel. Mir wurde klar, dass ich die Menschen, die mir durch dunkle Zeiten geholfen haben, gar nicht im Blick hatte. Sie waren da, als mich viele andere verlassen hatten. „Funeral“ sollte also eine Art Danksagung für sie sein. Ich saß da und sang irgendwann den Refrain. Ich wusste, da ist noch etwas, da schlummert noch etwas, aber wir waren schon so weit im Songwritingprozess fortgeschritten und hatten so viel Material. Mir war jedoch klar, dass „Funeral“ das Ass im Ärmel ist, das ich noch habe. Das war meine letzte Zutat, um dann sagen zu können: Das Album ist komplett. Wenn man ein Album schreibt, verbringt man, im Fall von ­BLACKOUT PROBLEMS, bis zu drei Jahre damit. Am Ende stellt sich immer die Frage: Ist alles gesagt, was ich sagen will? Nach „Funeral“, der ja der letzte Song war, dachte ich: Das ist es. Das ist jetzt der Funke Hoffnung am Ende, den das Album braucht.

Kommen wir zu einem anderen Titel auf dem Album, „GLOFS“. Der wurde bereits veröffentlicht, zusammen mit Rou Reynolds von ENTER SHIKARI. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Kannst du den Prozess kurz schildern?
„GLOFS“ war einer der ersten Tracks, den ich für das Album gemacht habe. Wir haben 2021 Kontakt zum Management von ENTER SHIKARI bekommen und uns vorgestellt. Sie haben geantwortet und gesagt: „Rou hätte Lust, etwas mit euch zu machen. Wenn ihr uns etwas schickt, schauen wir es uns an.“ Es ist auch kein Geheimnis, dass wir ENTER SHIKARI als Band immer schon richtig gut fanden. Ich habe ihm dann zwei Demos geschickt, von denen ich dachte, dass sie gut genug sind, damit er etwas daraus machen kann. Zu den Texten und dem, was ich hatte, habe ich eine E-Mail mit ein paar persönlichen Worten geschrieben. Zu „GLOFS“ habe ich ihm Bilder vom Ahrtal geschickt, nach der Flutkatastrophe. Ich sagte ihm damals, ich würde dazu gerne einen Song schreiben. Ein paar Wochen später saß ich im Studio und plötzlich bekam ich eine WhatsApp von Rou Reynolds. Sein erster Entwurf hat mich komplett umgehauen. Dann haben wir aber noch sehr lange daran gearbeitet. Tatsächlich kam „GLOFS“ erst zwei Jahre später heraus.