DEAD CROSS

Foto© by Becky DiGiglio

Goth, Thrash, Post-Punk

Wie ich in meiner Besprechung zum selbstbetitelten DEAD CROSS-Debüt von 2017 schrieb, hält sich der Überraschungseffekt bei Projekten, an denen der FAITH NO MORE-Sänger und Ipecac-Betreiber Mike Patton beteiligt ist, inzwischen in Grenzen. Und so ist es eigentlich nur noch das dafür herangezogene Personal, das für Überraschungen sorgt und auf gewisse Weise vorgibt, wohin die Reise geht. Im Fall von DEAD CROSS sind das neben Patton Ex-SLAYER-Schlagzeuger Dave Lombardo, Bassist Justin Pearson, von THE LOCUST, SWING KIDS und zahlreichen anderen Bands im Bereich Hardcore/Punk/Grindcore und Betreiber des Labels Three One G, und Gitarrist Michael Crain, der mal bei RETOX gespielt hat, bei denen ebenfalls Pearson beteiligt war. Fünf Jahre nach dem DEAD CROSS-Debüt erscheint Ende Oktober der Nachfolger „II“, der wieder wundervollen musikalischen Extremsport liefert, dessen Einflüsse Pearson und Crain im Folgenden näher erläutern.

Justin Pearson

Die eklektische Mischung von dem, was jeder von uns in DEAD CROSS mag, ist ziemlich wild, wenn man alles in Betracht zieht. Es gibt Gegensätze, Konflikte und Zusammenhalt in dem, was jeder von uns künstlerisch schätzt und was im Laufe der Jahre, die wir auf diesem Planeten gelebt haben, in unser Unterbewusstsein gesickert ist. Während einer von uns vielleicht ganz bestimmte Referenzen hört, können die anderen leicht (und sehr oft) etwas ganz anderes hören. Das ist ein Teil der Schönheit des kollektiven künstlerischen Schaffens bei DEAD CROSS. Wichtige Einflüsse für „II“ sind meiner Meinung nach die folgenden Alben:

THE CURE „Pornography“ (1982)
Hier ist Mike Crains Gitarrenspiel als Ausgangspunkt zu nennen, da er einen Stil pflegt, der zwischen früheren Werken von THE CURE und den DEAD KENNEDYS changiert. Bei „II“ kommt jedoch der düstere Klang von THE CURE zum Tragen, vor allem, wenn man bedenkt, was in Mikes Leben zu der Zeit geschah, als wir die Songs schrieben und aufnahmen, insbesondere in Bezug auf seinen Kampf gegen den Krebs. Die Welt ist schon ein ziemlich komplizierter Ort mit vielen Dingen, mit denen man zu kämpfen hat, aber wenn man Crains Gesundheit und schließlich sein Überleben in den Songwriting- und Aufnahmeprozess einbezieht, macht das, was dabei herauskam, rückblickend so viel Sinn.

NAUSEA „Cybergod“ (1991)
Der nächste offensichtliche Einfluss für mich. Obwohl dies nur eine Single ist, denke ich, dass der Titeltrack „Cybergod“ viel von dem besitzt, was „II“ ausmacht. Zum einen ist der Bass-Sound ziemlich böse, wovon ich schon immer ein Fan war. Dann ist da noch der offensichtliche Einfluss dieser Single auf „II“ in Bezug auf die Verflechtung von Mike Pattons und meinen Vocals. Der Gesang von Al und Amy von NAUSEA scheint in einigen Stücken unseres Albums ziemlich genau wiederzufinden zu sein. Meiner Meinung nach ist NAUSEA ein extrem passender Einfluss und eine Referenz für „II“. Von Crust-Punk bis zu Thrash-Metal ist alles irgendwie bei NAUSEA und DEAD CROSS dabei.

DRIVE LIKE JEHU „Yank Crime“ (1994)
Ich muss mich und Crain zuerst einmal dafür entschuldigen, dass wir uns ein bisschen zu sehr mit unseren Wurzeln beschäftigt haben und deswegen dieses DRIVE LIKE JEHU-Album nennen. Wir lernten uns kennen, als unsere Bands aus den frühen 90er Jahren, THE FESTIVAL OF DEAD DEER und THE CRIMSON CURSE, zusammen im legendären Plattenladen Zed Records in Long Beach, Kalifornien, spielten. Crain und ich haben Bands wie ANGEL HAIR, ANTIOCH ARROW und natürlich DRIVE LIKE JEHU mit der Muttermilch aufgesogen. Es gibt diesen einen Song auf unserem Album, bei dem ich jedes Mal schmunzeln muss, weil wir uns vielleicht für einen kurzen Moment ein bisschen zu sehr unserer musikalischen Vergangenheit genähert haben. Es ist dieser typische 90er-Jahre-Sound, den wir in unserer Songwriting-DNA haben. Es gab unzählige Male, wo Crain und ich Dave baten, doch bitte diesen ANTIOCH ARROW- oder CLIKATAT IKATOWI-Beat zu spielen, und das Ergebnis war ein einzigartiger Mix aus Metal und Thrash und all dem anderen verrückten Scheiß, den Crain und ich uns ausgedacht haben, was Patton ein ziemlich annehmbares Umfeld lieferte, um sein eigenes Ding zu machen.

Michael Crain
Ich denke, Justin hat bereits sehr gut auf den Punkt gebracht, wie stark DEAD CROSS von Gothic, Thrash und Post-Punk beeinflusst sind. Ich werde versuchen, diese Liste sinnvoll zu ergänzen.

BAUHAUS „In The Flat Field“ (1980)
Wenn ich ehrlich bin, hat diese Platte nicht nur den Sound von DEAD CROSS inspiriert, sondern auch mich als Gitarrist und Künstler. Ich habe ihre Songs während meiner Jugend häufiger gehört, aber nichts blieb hängen. Der Zeitpunkt, an dem ich mich mit dem Album verbunden fühlte und es wirklich verinnerlicht habe, muss 1996 gewesen sein. Das war ungefähr zu der Zeit, als es mit meiner Band THE FESTIVAL OF DEAD DEER richtig losging und wir gerade dabei waren, unseren Sound zu finden. Ein weiterer wichtiger Faktor für meine persönliche Entwicklung zu dieser Zeit war meine Liebe zu Heroin – ich war süchtig. Meiner Meinung nach war der Sound dieser Platte in Verbindung mit meinen schwarz gefärbten Haaren, dem schwarzen Anzug und den von Drogenkonsum gezeichneten Unterarmen nichts Geringeres als eine Art göttliche Vollendung. Wenn ich ehrlich bin, habe ich während meiner gesamten Karriere versucht, Daniel Ashs Gitarrenspiel und Peter Murphys Arroganz nachzuahmen. Ich liebe die mürrische, kryptische, groovende und aggressive Art von BAUHAUS, besonders auf diesem Album. Ich habe „Double dare“ mit einigen Bands gecovert. Ich kann mich an mehrere Gelegenheiten in meiner finsteren Lebensphase erinnern, als ich mitten in der Nacht mit einer Whiskeyflasche und einer Zigarette in der einen Hand und dem Lenkrad in der anderen Hand eine einsame Straße hinunter raste, so laut wie möglich schreiend, während dieser Song lief, um das Schicksal herauszufordern, indem ich das Auto waghalsig gegen geparkte Autos oder eine Betonwand lenkte. Ich wollte verdammt noch mal sterben, fast so sehr, wie ich leben wollte. „In The Flat Field“ hat diese Zeit in meinem Leben immer perfekt verkörpert und mein Gitarrenspiel geprägt. Schon bevor Patton bei uns auftauchte, bezogen wir anderen uns ständig auf BAUHAUS, um uns inspirieren zu lassen.

CHRISTIAN DEATH „Only Theatre Of Pain“ (1982)
Ja, DEAD CROSS haben einen unbestreitbaren Goth-Vibe. Jeder, der dieses Album kennt, wird den Gitarrensound von Rikk Agnew überall in meinem Spiel bei DEAD CROSS hören. Justin und ich sind beide große Fans davon. Wenn ich es mir recht überlege, hat Justin sogar auf den Sound dieser Platte Bezug genommen, als wir die erste DEAD CROSS-Platte aufgenommen haben. Ich liebe die übermäßig effektgesättigte Gitarre, Flanger, Chorus, Reverb, Verzerrung, alles davon. Das sorgt für eine einzigartig böse Sound-Kakophonie. Es transportiert die Riffs dieser Platte auf eine wirklich einzigartige Weise, die auch extrem punkig und brutal sind. Wie BAUHAUS spricht auch dieses Album meine dunkle Seite an und fängt eine bestimmte Zeit, einen Ort und Sound so lebendig ein, dass ich ihn fast riechen kann.

METALLICA „...And Justice For All“ (1988)
Die anderen Jungs in der Band werden mir in diesem Punkt definitiv nicht zustimmen, aber ich kann dieses Album gar nicht genug loben. Auch wenn es DEAD CROSS nicht direkt inspiriert hat, so hat es doch zu 100% mein Gitarrenspiel und mein Songwriting geprägt. Als es veröffentlicht wurde, war ich in der fünften oder sechsten Klasse und mochte es überhaupt nicht. Jedes Kiffer- und Sportlerarschloch in der Schule liebte METALLICA, also wollte ich nichts damit zu tun haben. Zu dieser Zeit hörte ich DEAD KENNEDYS, D.R.I. und SUICIDAL TENDENCIES. Erst als ich älter wurde und anfing, mich ernsthaft mit dem Gitarrenspiel zu beschäftigen, hat mich die Genialität dieses Albums umgehauen. Diese Riffs und die Geschwindigkeit und Präzision, mit der sie gespielt werden, sind unübertroffen. Als ich lernte, die Soli von Kirk Hammett zu spielen, habe ich wirklich viel über das Schreiben von Gitarrensoli gelernt und wie man sie umsetzt. Abgesehen von der individuellen Spielweise aller Mitglieder auf der Platte waren die Songs selbst mit ihren hochkomplexen und ausgefeilten Arrangements immer eine große Inspiration für mein Songwriting. Ich habe immer danach gestrebt, so gut zu sein wie METALLICA auf diesem Album. Zusammen mit den meisten SLAYER-Platte verkörpert „...And Justice For All“ alles, wonach ich mit meinem Thrash-Gitarrenspiel gestrebt habe.