FEAR FACTORY

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Last man standing

Nach fünf Jahren und etlichen Rechtsstreitigkeiten mit Ex-Mitgliedern veröffentlichen die Industrial-Metaller aus L.A. mit „Aggression Continuum“ ihr elftes Studioalbum. Aufgenommen wurde dieses bereits vor etlichen Jahren, zu hören ist noch ihr früherer Sänger Burton Bell. Das letzte verbleibende Gründungsmitglied, Gitarrist Dino Cazares, spricht mit uns über das Werk.

Dino, wie hat es sich angefühlt, ein Album geschrieben und aufgenommen zu haben, es aber nicht rausbringen zu können?

Das war tatsächlich etwas bedenklich. Es gab durch all die Rechtsstreitigkeiten keine Garantie, dass das Album überhaupt noch veröffentlichen werden kann. Im Juli 2020 gab es jedoch den großen Durchbruch und es wurde mir zugesprochen, unter dem Namen FEAR FACTORY weiterzumachen. An dem Punkt ist mir aufgefallen, dass seit den Aufnahmen bereits drei, vier Jahre ins Land gegangen waren und einige Stellen jetzt vielleicht eine Verbesserung benötigen. Mike Heller, der nun mittlerweile fast zehn Jahre in der Band ist, hat dann Live-Schlagzeug aufgenommen. Ursprünglich befanden sich auf den Aufnahmen nur programmierte Drums. Das hatten wir schon einmal auf „The Industrialist“, haben daraufhin aber sehr viel Gegenwind bekommen. Das Live-Schlagzeug hat dem Ganzen noch mal etwas hinzugefügt. Außerdem habe ich Andy Sneap mit dem Mix beauftragt, der nicht nur ein großartiger Produzent ist, sondern auch schon den Vorgänger „Genexus“gemischt hat. Diesen Vibe wollte ich wieder einfangen.

Hast du auch an den Arrangements noch etwas abgeändert?
Kleine Dinge hier und da. Ich habe Burts Gesang noch ein bisschen manipuliert und herumgeschoben, ein paar Arrangements zurechtgeschnitten. Nachdem das Schlagzeug neu aufgenommen war, habe ich auch einige Gitarrenpassagen neu eingespielt. Die fühlten sich nicht mehr richtig an. Aber nichts Großes wirklich.

Fühlen sich die Lieder nun neu an, oder eher wie ältere?
Sie fühlen sich wiederbelebt an. Es ist alles neu, auch wenn die Stücke an sich schon ein paar Jahre alt sind. Auch dank der Produktion von Andy Sneap. Er hat alles noch einmal aufpoliert und gewisse Parts hervorgehoben.

Was hast du in der Zwischenzeit gemacht? Hast du neues Material geschrieben, könntet ihr nächstes Jahr schon wieder ein neues Album aufnehmen?
Klar habe ich schon wieder neuen Kram geschrieben. Das werden wir verwenden, wenn wir einen neuen Sänger gefunden haben. Dann haben wir gleich etwas, an dem wir arbeiten können. Ich würde gerne vielleicht Anfang nächsten Jahres ein Lied veröffentlichen, um den neuen Sänger vorzustellen. Dann gehen wir aber nächstes Jahr auch wieder auf Tour, wahrscheinlich im März 2022. Ein neues Album werden wir dann aber vermutlich erst mal nicht aufnehmen können. Meistens sind wir ein gutes Jahr rund um den Globus unterwegs.

Die Frage war auch nicht ganz ernst gemeint, „Aggression Continuum“ ist ja kaum draußen.
Passt schon. Ich liebe das neue Album. Es hat sehr viel Mühe gekostet, das Werk unter dem Namen FEAR FACTORY veröffentlichen zu können. Viele wissen ja, dass wir in langen juristischen Auseinandersetzungen mit unseren Ex-Mitgliedern gesteckt haben, um die Nutzung der Namensrechte und des Trademarks FEAR FACTORY. Das war ein harter Weg.

Genau darauf würde ich gerne aber eingehen: Wie kommt es dazu, dass ihr so oft in rechtliche Schwierigkeiten geratet? Ich meine, schon als 2002 euer 1991er Demo unter dem Titel „Concrete“ rauskam, musstet ihr vor Gericht ...
Das kann ich dir ehrlich nicht sagen. Für mich ist das fast schon Normalität. Es ist zwar schade, aber wie du schon sagst, sind wir seit dem ersten Tag mit rechtlichen Konflikten konfrontiert. Aber ich weiß nicht, woran es liegt. Ich kann dir sagen, was im Vorfeld und während dieser Prozesse geschehen ist, aber warum es immer dazu kommt, weiß ich nicht. Ich bin sicher ein Kämpfer, kein Drückeberger. Ich renne nicht vor Problemen davon. Ich stelle mich ihnen und manchmal dauert es länger, sie zu lösen.

Ist das vielleicht Teil des Problems, dass du diesen Situationen nicht aus dem Weg gehst, sondern sie ausfichtst?
FEAR FACTORY ist mir das einfach wert. Aber ich kann da nur für mich sprechen. Anderen werden das Drama und die Rechtsstreitigkeiten schnell zu viel und sie sind weg. Aber so bin ich nicht. Ich kämpfe bis zum bitteren Ende, egal wie es ausgeht. Vielleicht bin ich auch deshalb der letzte Überlebende.

Lass uns das genauer betrachten: Was macht FEAR FACTORY aus? Es muss etwas Übergeordnetes geben, unabhängig von den Mitgliedern, die sich ja oft die Klinke in die Hand gaben.
Wenn ich mit den Fans spreche oder allgemein mit Menschen außerhalb der Band, dann sagen die mir oft, dass es der besondere Stil ist. Manchen lieben uns seit „Soul Of A New Machine“, manche mögen sogar nur dieses Album, auch wenn wir es 1992 ganz am Anfang der Karriere veröffentlicht haben. Dann kam „Demanufacture“ und sie haben das Konzept verstanden, was FEAR FACTORY bedeutet. Du kannst es in der Musik hören, aber auch in den Texten lesen, die wir über die Jahre veröffentlicht haben. Es ging immer um das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine. Manchmal ging es um Krieg, manchmal um die Verbindung dessen. Oder um das Bewusstsein, was in Zukunft auf die Menschheit zukommen wird, welche Rolle Technologie in Zukunft spielen wird. Dazu kommt noch die Musik, der Soundtrack für diese Themen. Das geht alles Hand in Hand, Artwork, Texte und Musik.