GLITTERER

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Keine Kommodifizierung des Lebens

Während manche beständig nach einer Rückkehr der weiterhin auf Eis liegenden TITLE FIGHT schmachten, hält Ned Russin sich nicht mit solchen Erwartungen auf, sondern liefert mit „Life Is Not A Lesson“ ein weiteres Kleinod seines Alter Egos GLITTERER, mit dem er sich auch live zunehmend wohl fühlt. Ist dies das Ende des Prinzips „Rockband“? Na ja, vielleicht nicht ganz.

Niemand, der sich mit dem Sound von ­GLITTERER auseinandersetzt, würde ernsthaft erwarten, hochtrabende Antworten auf die großen Menschheitsfragen zu erhalten. Wer allerdings via Albumtitel behauptet zu wissen, worum unsere Existenz sich eben nicht dreht, muss sich auch die Frage nach dem Sinn des Lebens gefallen lassen. Russin stöhnt auf: „Das ist die schwierigste erste Frage, die mir jemals in einem Interview gestellt worden ist. Ich habe mich noch nie daran gemacht, den Sinn des Lebens zu erforschen, und daher versucht es auch das Album nicht. Es geht allein darum, dass das Leben nichts ist, was kommodifiziert, das heißt in eine Ware umgewandelt werden muss. Es gibt auch keine tieferliegende Moral, die uns zum Erfolg führt.“

Bei einem GLITTERER-Konzert steht in der Regel ausschließlich Russin auf der Bühne, nur bewaffnet mit einem Mikro, während der Sound aus der Konserve kommt. Eine Darbietung, die man eher aus dem HipHop kennt und die im Kontext eines Rock-Konzerts ungewohnt wirken kann. Für Russin selbst gibt es mit dieser Situation keinerlei Berührungsängste mehr: „Bei früheren Shows musste ich mich schon dazu zwingen, es so durchzuziehen, aber mittlerweile fühle ich mich wohl damit. Im Grunde gehört ein leichtes Unwohlsein für mich sogar dazu, das möchte ich gar nicht verlieren.“ In Europa war GLITTERER zuletzt im Frühjahr 2019 als Support für TURNSTILE zu sehen. Wie hat das hiesige Publikum denn reagiert? „Die Tour lief sogar noch besser als erwartet. Also abgesehen von der Tatsache, dass wir sie nicht zu Ende spielen konnten und wir seit unserer Rückkehr in einem Lockdown stecken, der weiterhin andauert. Aber die Shows, die stattgefunden haben, habe ich sehr genossen“, berichtet Russin.

Ist da nicht, bei aller Überzeugung vom GLITTERER-Konzept, doch etwas Sehnsucht nach herkömmlichen Bandstrukturen? „Ich vermisse es schon, mit anderen zusammen zu spielen. Ich vermisse die Lautstärke der Amps und der Drums. Es gab auch bereits eine Show, bei der GLITTERER als komplette Band auf der Bühne standen. All das hat aber nichts mit meinen künstlerischen Ambitionen zu tun.“ Die Erinnerung an die Heydays von TITLE FIGHT spielen also keine Rolle? Russin bestätigt das: „Die Leute kommen immer wieder damit um die Ecke, wenn ich mich nicht rechtzeitig wegducke. Ich bin dankbar für die Vergangenheit, aber nicht daran interessiert, Momente wiederzubeleben, die einfach vorbei sind. Es ist ein Kompliment, dass es nach wie vor Menschen gibt, die sich die Sachen anhören und Interesse zeigen. Ich finde allerdings keinerlei Bestätigung darin.“