GO AHEAD AND DIE

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Ganz natürlich

Die Filmwelt hat die Coppolas, die Metal-Welt hat die Cavaleras. SOULFLY- und SEPULTURA-Legende Max Cavalera wird vermutlich nicht nur auf der Bühne stehen bis er achtzig Jahre als ist, sondern er bezieht auch die ganze Familie mit ein. Mit seinem Sohn Igor Amadeus Cavalera spreche ich über ihre neue gemeinsame Band. Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis die auch mal was zusammen machen.

Wann seid ihr beide auf die Idee gekommen, eine neue Band zu gründen Was war der Startpunkt?

GO AHEAD AND DIE kam es tatsächlich zugute, dass wir wegen der Pandemie nicht touren konnten. Mein Vater ist ja bereits in gefühlt zwanzig Bands und hatte in seinem straffen Tourplan nie die Zeit für dieses gemeinsame Projekt. Die erzwungene Pause gab uns endlich genügend Freiraum, um uns darum zu kümmern. Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir in der Quarantäne begonnen, Demos aufzunehmen,, und merkten, dass es gute Songs waren.

Also auch ein bisschen Vater-Sohn-Quality-Time.
Ja, manche Väter und Söhne gehen fischen und campen, wir machen ein Metal-Album. Es war wirklich schön, gemeinsam die Frustration und die Perspektivlosigkeit der letzten Jahre zu verarbeiten, und dabei alle wichtigen Aspekte des Lebens zu vereinen – Familie, Leidenschaft, Arbeit.

Wächst man als Cavalera-Sohn anders auf als andere Kinder, ist der Weg zur Musik dadurch schon vorbestimmt?
Wir sind als Kinder sehr viel gereist und haben schon viel gesehen. Ich habe Orte auf der Welt erkunden können, an die andere nie kommen, schon bevor ich zehn Jahre alt war. Und wir haben das Musikbusiness kennen gelernt. Meine Mom ist Managerin von SOULFLY und früher SEPULTURA, wir sahen also durch unseren Dad, was auf der Bühne passierte, wie auch was hinter der Bühne ablief durch unsere Mom. Aber viele vergessen sicher, dass wir auch einfach Kids waren, die von ihren Eltern zur Schule gebracht werden, die ihnen beibringen, wie man Fahrrad fährt. Ich bin in Phoenix, Arizona geboren und in der Vorstadt aufgewachsen, ich hatte Freunde in der Nachbarschaft, ich hing in der Mall rum.

Gab es eine Zeit in deinem Leben, in der du dachtest, du machst jetzt einfach was ganz anderes?
Tatsächlich ja, ich liebe das Schreiben und habe mit 17 angefangen, Geschichten zu schreiben, vornehmlich Fiction im Stil von beispielsweise Stephen King. Ich habe mittlerweile zwei Bücher veröffentlicht und schreibe fast immer irgendwas. Es ist meine Pause vom Krach, haha. Aber die Geschichten und Konzepte, die ich entwerfe, nutze ich auch in meiner Musik. Wir sind eine ziemlich große Familie, und nicht alle sind Musiker:innen, wenn auch viele. Unsere Eltern haben uns aber immer in allem unterstützt. Ich hatte echt ein gutes Leben und kann für vieles dankbar sein.

Du und dein Dad postet auf euren Social-Media-Kanälen für GAAD vergleichsmäßig viel Behind-the-Scenes-Content, in einem Video führt ihr zum Beispiel durch alle Riffs eurer ersten Single. Ihr wirkt sehr entspannt miteinander und scheint Spaß zu haben an solchen Drehs.
Das kommt bestimmt auch von meiner Kindheit, wir waren es einfach gewohnt, dass eine Kamera auf uns gerichtet ist, auf der Bühne zu stehen oder wie jetzt gerade Interviews zu geben. Ich mache das echt gerne. Und das eben alles gemeinsam mit unserem Dad und im Familienkontext, das ist für uns etwas völlig Normales und Selbstverständliches. Außerdem finde ich, gerade jetzt, da wir nicht auf die Bühne können, Social Media echt super, um unsere Musik zu präsentieren. Wir sind eine neue Band, wir müssen uns ja irgendwie interessant machen – wir haben richtig viele solcher Videos aufgenommen, da kommt noch einiges.

Neben Corona und Polizeigewalt, zwei Themen, die eindeutig 2020 bestimmt haben und um die es in euren ersten beiden Singles geht, gibt es noch andere Vorfälle und Inhalte, die dich zu Songs inspiriert haben?
Oh ja. Es gibt einen Protestsong über ICE, die Institution, die entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze dafür sorgt, dass Immigranten nicht in die USA kommen und zu absolut unmenschlichen Bedingungen, teilweise in Käfigen, festgehalten werden. Es gibt einen Song über Kulte und wie Religion in den USA genutzt wird, um Menschen zu instrumentalisieren, und einen über Massenschießereien, die fast schon zum Alltag gehören.

Ich finde, GAAD hat eine ziemlich Punk-Attitüde, die man nicht bei allen Metalbands hört oder spürt.
Ja, ich denke, wenn die Welt mich nicht so anpissen würde, würden wir anders klingen. Wobei ... wenn die Welt besser wäre, gäbe es dann überhaupt Punkrock? Ich denke, diese Mischung aus Metal und Punk kommt eher von meinen Vorbildern. Die frühen NAPALM DEATH sind eines davon, absolut brutale Musik, aber Texte über gesellschaftliche Missstände und wichtige Themen, die angesprochen werden müssen. Mich haben schon immer die Alben und Bands interessiert, die etwas zum echten Leben zu sagen hatten.

Kommt von diesen Vorbildern auch die Produktion, die ziemlich oldschool klingt?
Das ist wahrscheinlich meine Hälfte. Wir haben bei GAAD ganz anders gearbeitet, als Dad normalerweise bei seinen anderen Bands. Ich höre sehr viel unterschiedliche Musik, lasse mich von allem inspirieren und nehme das dann auch mit ins Studio. Wir haben uns bewusst die Freiheit genommen, ganz unbeschwert einfach das zu machen, was wir gerade cool fanden. Deshalb klingt es wahrscheinlich auch anders als SOULFLY oder SEPULTURA früher.