HARD STRIKE

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Nachahmung als schönste Form der Anerkennung

HARD STRIKE sind vielleicht der neue Stern am Hardcore-Himmel. Geschaffen von Menschen, die schon Bands wie BATTERY, BAFFDECKS, DAMNATION A.D., BLANK, NULL ART, BONE IDLES oder PUNCH zum Leuchten brachten. Nach der 2020 erschienenen 7“ „The Conflict“ folgen nun die 6-Song-EP „A Thousand Pieces“ und eine erste Tour. Unsere Fragen beantworteten Martin (voc), Markus aka Ün (gt) und Maurice (dr) nach der sonntäglichen Probe. Leider nicht anwesend sind Dan Afrika (bs) und Ken Olden (gt).

Gegründet zum Jahreswechsel 2019/20 steigt nun, mehr als drei Jahre später, euer erstes Konzert in der Alten Hackerei in Karlsruhe und danach folgt gleich eine kleine Tour mit BE WELL und GIVER.

Martin: Dabei waren HARD STRIKE nie als Live-Band geplant, sondern lediglich als Projekt für eine 7“. Ün und ich kennen uns schon seit 25 Jahren und wir haben es nie geschafft, in einer gemeinsamen Band zu spielen. Weihnachten 2019 haben wir uns überlegt, ob wir das nicht doch mal angehen sollten, waren dann im Proberaum und haben die ersten beiden Songs geschrieben.

Ihr seid alle erfahrene und wahrscheinlich gut vernetzte Musiker, aktiv in unzähligen Bands. Trotzdem die Frage: Wie kam der Kontakt zu Ken Olden zustande?
Martin: Ich bin schon längere Zeit mit Mike McTernan, dem Sänger von DAMNATION A.D., befreundet und habe darüber auch Ken Olden kennen gelernt, als ich in den USA bei einigen Shows von ihnen war, ebenso Mikes Bruder Brian McTernan, der bei BATTERY und jetzt bei BE WELL singt. Wir haben uns alle auf Anhieb gut verstanden und sind in Kontakt geblieben. Irgendwann hatten wir hier ein paar Proberaumaufnahmen fertig und an dem Wochenende habe ich Ken geschrieben und ihm davon erzählt. Er war auch gleich interessiert und meinte: „Spiel mal vor.“ Dann sagte er plötzlich: „Ich bin dabei.“ Tja, ich hatte ja gar nicht gefragt, aber wenn einem Ken Olden sagt, er ist dabei, wäre man doof, wenn man nicht ja sagt. Alle in der Band fanden das natürlich cool.

Wird Ken bei der Tour dabei sein können und extra einfliegen?
Martin: Leider nicht. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass wir bis letzten Oktober ja nicht mal die Idee hatten, live zu spielen. Und natürlich ist da auch ein finanzieller Aspekt dabei. Ken hat zwar bis zum Schluss versucht, es möglich zu machen, aber er hätte eine Woche für die Tour frei nehmen müssen, plus die Tage davor für das gemeinsame Proben. Man muss einfach sehen, dass zwei Wochen ohne finanziellen Ausgleich eben schwierig sind.
Ün: Wir gehen alle einer geregelten Arbeit nach und als kurz vor Weihnachten die Idee aufkam, mit BE WELL auf Tour zu gehen, da hat keiner gefragt, was springt dabei für uns raus. Aber einfach mal ein paar Tage auf Tour gehen zu können, ist für uns Luxus. Alleine schon wegen der Kohle, die man verballert hat, um gemeinsam proben zu können mit Leuten, die teils in Köln, teils in Karlsruhe sitzen.

Das heißt, die Tour spielt ihr nur mit einer Gitarre?
Martin: Nein, ich habe Lars Ortlepp aus Köln angesprochen, ein Freund von mir, der vorher bei SKELETON ARMY, BLOOD PATROL und NARSAAK gespielt hat, ein hervorragender Gitarrist, der sich schnell eingearbeitet hat. Man muss dazu sagen, dass Ken einen sehr eigenwilligen Gitarrenstil hat und Lars hat das sehr, sehr gut umgesetzt.

Ihr wohnt alle weit verstreut in Karlsruhe, Köln und D.C., wie gestaltet sich da das gemeinsame Songwriting?
Ün: Wenn wir zur ersten Single zurückgehen und den ersten Songs, die entstanden sind, war es sowohl für mich und wohl für alle anderen auch neu, dass wir uns am Anfang Ideen als mp3 zugeschickt haben mit der Aufforderung: Macht euch mal Gedanken. So sind Songs entstanden, die wir an Ken geschickt haben. Er hat seinen Input mit reingebracht und von den vier Songs zwei komplett umgeschrieben. Ich habe mich dann näher mit dem Gitarristen Ken Olden auseinandergesetzt, und wenn man sich mit ihm beschäftigt, kann man seine Handschrift bei dem, was er eingebracht hat, klar erkennen. Das hat den Songs sehr gutgetan. In der Folge mussten wir wieder unsere Hausaufgaben machen, mussten am Schlagzeug nacharbeiten und uns fragen, was die andere Gitarre jetzt macht. Es war also ein Prozess, den du normalerweise im Proberaum hast, der sich so aber über ein Jahr und über zwei Kontinente hingezogen hat. Es war anders, aber da wir keinen Zeitdruck hatten und wir einfach eine Single rausbringen wollten, sind die Songs eben langsam und stetig gewachsen.

Über die Verbindung zu Ken ist es auch zur anstehenden Tour mit BE WELL und GIVER gekommen?
Martin: Ja, wie gesagt, ich habe mich über die Jahre mit Brian McTernan angefreundet, und als ich letztes Jahr in den USA war, war ich zusammen mit meiner Frau zu einer BE WELL-Show in Silver Springs eingeladen. Hinterher waren wir mit Brian und seiner Frau essen und haben da schon viel über Musik und auch über HARD STRIKE gesprochen. Dann kamen BE WELL letztes Jahr mit HOT WATER MUSIC, BOY SETS FIRE und SAMIAM auf Tour und wir haben sie oft besucht, waren zu den Konzerten in Wiesbaden und Bochum eingeladen, und in Bochum meinte Brian schon zu mir, dass sie nächstes Jahr für ein paar Shows nach Deutschland kommen und ob wir nicht mitspielen wollen. Wir waren erst mal perplex, aber wir haben uns gesagt: Wieso sollen wir das nicht machen? Keiner von uns hätte jetzt mehr den Nerv, durch die Dörfer zu tingeln und vor zwanzig oder dreißig Leuten zu spielen. Das ist alles großartig und das haben wir jahrelang gemacht. Aber wir haben alle Familien, Jobs und da ist man gern am Wochenende auch mal zu Hause. Aber so ist alles cool, alles organisiert, tolle Läden, wir haben Schlafplätze und auch die Möglichkeit, vor ein paar Leuten mehr zu spielen.

Irgendwie spürt man bei euch wieder den Spirit der zweiten Hardcore-Welle. Absicht oder hat sich das aufgrund der Bandkonstellation einfach so ergeben?
Ün: Die größte gemeinsame Schnittmenge war einfach die Liebe zu Hardcore amerikanischer Prägung der Achtziger Jahre, bevor der Metal übernommen hat, zum Beispiel mit EARTH CRISIS und SNAPCASE. Das war nicht so mein Hardcore. Aber ja, die Musikrichtung war von vornherein klar, aber ohne Scheuklappen aufzuhaben. Der Track „The conflict“ von der ersten 7“, den Ken umgebaut hat, fällt ja musikalisch auch ein wenig raus. Aber auch vom Sound her wollten wir es einfach halten. Ich brauche keine Wall of Sound wie moderne Hardcore-Bands à la TERROR. Es soll klingen wie damals.

Von Positive Hardcore kann aber nicht die Rede sein, oder? Zumindest sprechen der Bandname und auch die Texte der ersten 7“ dagegen.
Ün: In weiten Teilen würde ich uns das als Haltung schon bescheinigen. Hardcore generell als Gegenentwurf zum eher destruktiven Punk. Eher schauen, wo kann man aufbauen, als draufzuhauen, ist, glaube ich, schon die Art, wie wir die Sache sehen.
Martin: Ich versuche schon, kritische Texte zu schreiben, aber ich möchte nicht immer alles so darstellen, als wären die Dinge nur negativ. Ich bin Sozialarbeiter und bekomme so auch viele soziale Ungerechtigkeiten mit, aber Texte wie bei „Time for a change“ sind ja durchaus ein Aufruf, endlich mal aufzustehen und den eigenen Arsch hochzubekommen, und das kann auch eine positive Botschaft sein, auch wenn sie einen anklagenden Hintergrund hat.

Die anstehenden 6-Song-EP wird bei Unity Worldwide erscheinen. Das ist ja quasi die konsequente Fortsetzung eurer deutsch-amerikanischen Freundschaft.
Martin: Joe Foster hat die erste 7“ bei Revelation in den USA gekauft, mich danach begeistert angeschrieben und direkt einen Post mit einem Aufkleber von uns auf seiner Gitarre abgesetzt. So bin ich dann auch mit Sven von Unity Worldwide in Kontakt gekommen. Als er sagte, er hätte Bock, etwas gemeinsam zu machen, meinte ich aber sofort zu ihm, dass wir möglicherweise nie live spielen werden. Das ist ja für viele Labels ein Ausschlusskriterium, aber Sven und Joe haben sich wirklich dafür interessiert und hatten Bock, das trotzdem zu machen.

Die neuen Songs haben noch wie vor die Chöre, die man von der Single kannte, aber ihr habt offenbar noch einmal eine Schippe Geschwindigkeit draufgelegt.
Maurice: Ja, das war schon sehr anspruchsvoll, insbesondere die beiden Songs von Ken auf der neuen EP. Wir waren in Köln und unverhofft hieß es plötzlich, wir nehmen die Drumtracks auf. Es war wirklich eine Herausforderung, aber nach einem halben Tag haben wir es schon irgendwie hinbekommen. Das macht für mich auch irgendwie den Sound der Band aus: Diese Schnelligkeit auf der einen Seite und dann wieder mal langsam und groovend auf der anderen.
Martin: Die Umstände, wie wir die Songs aufgenommen haben, waren auch besonders. Bei der ersten 7“ haben wir für einige Stücke erst einen Tag vor dem Studio die Grundstruktur geschrieben und sie dann aufgenommen, ohne sie einmal komplett durchgespielt zu haben. Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen, obwohl man das in Interviews mit alten Hardcore-Bands schon mal gelesen hat, dass die sich halt getroffen und einfach mal was aufgenommen haben.

Eure erste Single war ja nicht nur musikalisch ein Highlight, sondern auch wunderbar ausgestattet. Siebdruck, transparentes Vinyl, Patch, Aufkleber. Dürfen wir uns bei der neuen Platte wieder auf ein paar Gimmicks freuen?
Martin: Bei der ersten 7“ haben Dan und ich das Cover gestaltet. Ich bin großer Japan-Fan und mag diese Holzschnitte und alten japanischen Streichholzschachteln und daran ist auch das Cover angelehnt. In einer Nachtschicht haben wir bei ihm in der Siebdruckwerkstatt von PI Screenprinting die Cover gedruckt. Das war ein Haufen Arbeit, aber es steckt auch viel Liebe drin, weil wir Lust darauf hatten und am Ende eben alles stimmen sollte. Es war uns in dem Fall egal, ob es hundert und zweihundert Euro mehr kostet. Bei den neuen Sachen war es dann so, dass wir nicht mehr den Nerv hatten uns ums Design zu kümmern. André Liegl aus Darmstadt hat also das neue Cover in Abstimmung mit uns designt. Wir haben da auch wieder das Thema japanische Streichholzschachtel aufgegriffen und er hat das super umgesetzt. Es gibt ein, zwei Gimmicks, die wir bei der Release-Show mitgeben werden, etwa richtige Streichholzschachteln mit dem Cover drauf. Bei der Show in Leipzig, der offiziellen Release-Show, gibt es außerdem ein Sondercover mit dem Conne Island im Hintergrund.

Lasst uns noch kurz über den Preis reden. Lediglich 25 Euro für farbiges 12“-Vinyl plus T-Shirt?
Martin: Ja, da verdienen wir nix dran. Aber wir bekommen ein paar Freiexemplare vom Label und das ist auch alles fair. Trotzdem, selbst wenn wir die verkaufen, legen wir immer noch drauf. Wir haben mit der 7“ aber tatsächlich ein wenig Plus gemacht, weil wir auch viele Shirts verkauft haben, was wir für die Vorfinanzierung der neuen Platte genutzt haben.
Ün: Letztendlich ist das auch wieder dieser DIY-Gedanke. Es muss alles finanzierbar sein, aber ich möchte schauen, dass es zu einem akzeptablen Preis verkauft wird.
Martin: Wir sind nicht darauf angewiesen und deshalb machen wir es so günstig wie möglich. Es ist unser Hobby und es ist ein vergleichsweise günstiges.
Ün: Unterm Strich mag ich das Medium Schallplatte und mich freut die positive Resonanz aus dem Freundeskreis. Wenn man weiß, diese Menschen haben den physischen Tonträger zu Hause und erfreuen sich letztendlich daran, dann ist das auch ein Stück Payback. Genau wie die geile Stimmung im Konzertsaal und der Applaus. Dieser emotionale Payback ist unbezahlbar.

Beide Cover zeigen Predatoren. Absicht?
Martin: Unser Song „The conflict“ ist angelehnt an das Lied „When tigers fight“ von ALONE IN A CROWD. Deshalb der kämpfende Tiger auf der ersten Single. Bei der EP hat uns André ein paar Vorschläge gemacht und der Adler hat uns am besten gefallen.

Ich dachte, es geht um eine Assoziation zum Beute schlagen, auch in Bezug zum Bandnamen.
Martin: Der Bandname ist tatsächlich erst im Studio entstanden. Es sollte auch hier eher was Klassisches sein.
Ün: Nicht nur der Name, auch das Bandlogo lässt gleich erkennen, um was es geht.
Martin: Ich habe mich damals gefreut, als ich Brian ein Shirt geschickt habe und er meinte, das sei ein schönes INSIDE OUT-Rip-off. Wir haben absichtlich geklaut, weil es eine Hommage an die Zeit und die Musik sein sollte, mit der wir aufgewachsen sind.
Ün: Wie heißt es so schön: Nachahmung ist die schönste Form der Anerkennung.