LAYERS

Foto© by Sebastian Lüdtke

Was machen eigentlich ... THREE.MINUTE.POETRY?

Wer sich im letzten Vierteljahrhundert musikalisch mit dem Thema Emo auseinandergesetzt hat, ist mit großer Sicherheit schon über den Namen THREE.MINUTE.POETRY gestolpert. „Slowly Learning That Love Is Okay“ hieß das Debütalbum der Wuppertaler, das vor ziemlich genau zwanzig Jahren auf dem Kölner Indielabel Defiance veröffentlicht wurde. Nach Stilllegung der Band hat Sänger und Gitarrist Michael Walmsley, der solo als LAYERS unterwegs ist, sich selbst und den verbleibenden Fans einen speziellen Wunsch erfüllt und das Album in einer Akustikversion neu aufgenommen.

Micha, zwanzig Jahre „SLTLIO“, wow! Wie war das früher so, als eine der deutschen Emo-Bands um die Jahrtausendwende? Wie und warum habt ihr das Kapitel THREE.MINUTE.POETRY gestartet?

Zwanzig Jahre, da kommt man sich schon ein wenig alt vor, obwohl es sich überhaupt nicht anfühlt, als wäre das wirklich schon so lange her. Los ging es 1998, als René Möllmer und ich im Park mal mit Akustikgitarren herumprobiert haben und dachten, so ein Zwei-Mann-Gitarren-Ding wäre ganz cool, auch vom Aufwand her. Wir haben aber doch schnell gemerkt, dass wir Lust auf eine „richtige“ Band hatten. Nach zwei Besetzungswechseln hatten wir dann das damalige Line-up gefunden und einfach Shows gespielt, wo es nur ging. Gerade die Szene in und um Solingen war da ja mega aktiv. Wenn ich überlege, welche Bands ich alleine im Sojus 7 in der Metropole Monheim erlebt habe. Als eine der deutschen Emo-Bands haben wir uns nie gesehen. Wir waren über all die Jahre immer unfassbar dankbar, dass uns vieles einfach zugeflogen ist. Wir waren vielleicht exakt zur richtigen Zeit am Start, aber Bands wie QUEST FOR RESCUE oder QUEERFISH haben so einen Sound ja schon ein paar Jahre vor uns gemacht.

Ihr seid glücklicherweise bei Defiance untergekommen, naheliegend bei dem Sound oder eher eine schwierige Geburt?
Wir hatten ein 5-Song-Demo aufgenommen und hatten das auch Hoffi und Roland von Defiance gegeben. Der Club Blackout in Bochum hat uns dann als Support für JIMMY EAT WORLD gebucht. Wir haben dank Hoffi und Jochen schon das allererste JIMMY EAT WORLD-Europa-Konzert in Köln supportet, da waren noch RENO KID dabei, meine ich, und noch eine weitere Band. In Bochum haben wir dann die erste Show mit Bene am Schlagzeug gespielt und waren echt nervös, weil der Laden aus allen Nähten platzte. Jedenfalls kamen wir ab der ersten Sekunde bei den Leuten extrem gut an und so kam Hoffi nach der Show zu uns und sagte einfach: „Ich will eure Platte rausbringen. Habt ihr Bock?“ Wir waren total baff und haben sofort zugesagt. Dazu muss man sagen, dass wir an dem Abend auch etwas Glück hatten, dass es nicht die beste JIMMY EAT WORLD-Show aller Zeiten war. Defiance war mit PALE zu dem Zeitpunkt sowieso der neue heiße Scheiß und so waren wir happy mit dem Deal, der uns ja auch eine Tour mit PIEBALD ermöglicht hat. Verkauft hat sich das Album auch ganz ordentlich – wahrscheinlich wären wir heute mit solchen Zahlen in den Top Ten, haha

Du hast es eben schon erwähnt, denn gefühlt kam man, wenn man „Emo-Shows“ in NRW zu der Zeit besuchte, fast nicht drumherum, im Vorprogramm von JIMMY EAT WORLD, GET UP KIDS oder ELLIOTT. einen der hiesigen Vertreter wie RENO KID, AMBROSE oder eben euch zu sehen. Musikalisch fand ich das alles super, so zwischenmenschlich mitunter seltsam, anstrengend und aufgesetzt. Die Szene wirkte – hier und da – auf mich doch sehr elitär und einige dieser Band auch ziemlich arrogant. Wie siehst du heute die Szene von früher?
Also arrogant fand ich das gar nicht. Die deutschen Bands unter sich haben sich eigentlich schon unterstützt. PALE, ONE MAN AND HIS DROID, DEAR DIARY, THAT VERY TIME I SAW, AMBROSE, COALFIELD, LOCKJAW, TUPAMAROS, SUNDAY INN – die waren alle echt freundlich, wobei niemand so herzensgut ist wie die DONOTS. Shoutout an dieser Stelle. Die haben uns damals auch mehrmals mitgenommen und sind wirklich alles hauptberufliche Supertypen. Bei den US-Bands war das teilweise anders. Die waren meist etwas oberflächlich freundlich, alles war immer „awesome“, aber so richtig geglaubt haben wir das selten. AT THE DRIVE-IN waren so ein Fall. Jim Ward war unfassbar nett, aber bei Omar und gerade Cedric hat man schon gemerkt, dass die etwas schräg drauf sind. Vielleicht war das auch tagesformabhängig.

Stand die Musik irgendwann einmal so im Fokus, so dass ihr gesagt habt: Los, lasst uns Rockstars werden? Gab es mal einen derartigen Wunsch?
Da haben wir zwar immer mal wieder herumgesponnen, auch in Interviews, denn die Frage kam total oft. Wir haben aber immer realistisch gesagt: Wenn das klappen sollte, von der Musik zu leben – was damals schon utopisch war –, dann ist das super, wenn nicht, dann eben nicht. Diese Rockstar-Momente waren bei uns total schöne Erlebnisse – wenn wir vor 3.500 Leuten im E-Werk vor SUM 41 spielen durften zum Beispiel. Oder bei einem Festival auf Rügen mit TOMTE und MASSIVE TÖNE, auf dem locker acht- bis zehntausend Leute bei Mitsingparts geschlossen mitmachten. So was bleibt in schöner Erinnerung.

Ich behaupte jetzt mal, „Slowly Learning ...“ hat dein Leben stark geprägt, oder? Wieso kommt man ansonsten auf die Idee, das ganze Teil zwei Jahrzehnte später noch mal akustisch aufzunehmen?
Ja, das Album hat uns und mir wirklich viel ermöglicht. Wir waren mehrmals in Deutschland auf Tour, haben im angrenzenden Ausland sowie in England gespielt. Das war alles schon super. Eben genau das zu machen, was man so sehr liebt, dafür Geld zu bekommen, Verpflegung, Schlafplätze. Unfassbar gut. Ich habe danach ja auch öfter Solo-Shows gespielt und einmal aus einer fixen Idee heraus das komplette Album front to back performt. Das hat gut funktioniert und kam auch bei den Leuten an. Ich hatte die Idee auch bei Facebook geteilt und sofort kamen Anfragen von Clubs, in denen wir damals oft gespielt haben, so dass ich nach kurzer Zeit eine Tour mit zehn Shows selbst gebucht habe. Die Idee, das Ganze aufzunehmen, war dann nur logisch. Frederik und Marius von LOCKJAW haben die Platte mit mir produziert, mein Buddy Martin hat noch Klavier gespielt und nach langem Hin und Her hat Ax von Goddamn Records aus Wien das Teil auf Vinyl veröffentlicht.

Und warum allein? Was machen die anderen von T.M.P, gibt es noch Kontakt?
Allein, weil der Aufwand so am geringsten ist. Ich bin Freiberufler, habe eine Familie mit zwei Kids und viel zu viele Hobbys. Meine Frau unterstützt aber die Musiksache bei mir total, weil sie weiß, wie wichtig mir das ist. Da ist es easy, zu einem Club zu fahren, zu spielen und dann wieder nach Hause zu fahren – wenn das irgendwann mal wieder möglich sein sollte. Zu den anderen habe ich losen Kontakt. René und Bene leben mittlerweile in Hamburg, Bene ist mit FOTOS aktiv. Wenn wir uns sehen, ist es schön. No hard feelings, wie man so schön sagt.

Du warst ein wenig abgetaucht, was die aktive Musikszene betrifft. War es schwierig, mit LAYERS wieder dein Publikum zu finden? Und gibt es auch neue Menschen, die auf die Platte aufmerksam geworden sind, und T.M.P vielleicht gar nicht kennen?
So richtig weg war ich nie, aber es lief vieles nicht so ganz nach Plan. Ich hatte ein Album mit meinem Soloprojekt aufgenommen, das nie veröffentlicht wurde, und habe immer mal wieder Solo-Shows gespielt. Ich habe nebenher auch noch mit Kunst angefangen. Erwähnte ich schon, dass ich zu viele Hobbys habe? Ich glaube, den meisten, die sich für die Platte interessieren, war das Original irgendwie wichtig. Das ist zumindest eine Rückmeldung, die ich oft bekomme, was auch total schön ist.

Wie geht es weiter? Weitere LAYERS-Platten? THREE.MINUTE.POETRY-Reunion? Frühzeitige Musikerrente?
Durch das „neue“ Album habe ich echt wieder Bock bekommen. Ich würde eben gerne Shows spielen, aber you know ... LAYERS soll im Idealfall eine Art freie Plattform für mich sein, auf der ich machen kann, worauf ich Lust habe. Aktuell denke ich daran, die Songs des damals geplanten dritten T.M.P-Albums mit ein paar Leuten aufzunehmen und zu sehen, ob das jemanden interessiert. Die Songs sind wirklich zu gut, um nicht gehört zu werden. So viel Arroganz muss auch mal sein. Ich würde aber auch gerne andere Sachen machen, etwas Elektronisches oder ganz was anderes. Mal sehen. Eine Reunion habe ich nie ausgeschlossen, wobei wir uns ja offiziell nie aufgelöst haben. Das wird alles keine Karriere mehr, schließlich bin ich jetzt auch schon 46. Aber vielleicht ist dadurch gerade dieser Druck weg, dass das klappen muss. Es ist total egal. Leben kann man davon sowieso nicht, muss ich aber auch nicht. Solange Leute das hören möchten, mache ich das immer noch total gerne und mit Herzblut.