OFFSPRING

Wie läuft denn Nitro Records so, das Label, das du nach eurem Charterfolg ins Leben gerufen hast und das mit Bands wie GUTTERMOUTH, JUGHEAD’S REVENGE, AFI oder VANDALS CA-Punkrock der besseren Sorte im Programm hat?
Brian: Naja, es läuft ganz gut. Greg und ich hatten durch den Erfolg mit THOFFSPRING plötzlich die finanziellen Möglichkeiten, unser eigenes Label zu starten, also haben wir es getan. Außerdem können wir so der Szene etwas von dem zurückgeben, was wir bekommen haben. Wir suchten uns also Bands, die wir kannten, mit denen wir befreundet waren, und bei denen wir überzeugt waren, dass sie größere Bekanntheit verdienen. Keine von unseren Bands war vorher sonderlich bekannt, aber wir glauben an sie. Nimm GUTTERMOUTH: ich habe Brett von Epitaph ein Tape von ihnen vorgespielt und ihm ans Herz gelegt, sie zu signen, aber er wollte nicht. Das gleiche Spiel mit Fat Mike: „Mike, they’re great! You’ve gotta sign ’em!“. Die Antwort? „Ach, nee, lass mal.“ Und weil GUTTERMOUTH gute Freunde sind, sagte ich mir: „Scheiß drauf, dann bringst du die Scheibe eben selbst raus“. Das Gleiche mit den VANDALS: Die gibt es schon ewig, aber irgendwie passierte bei denen nichts mehr und ihr Vertrieb war auch beschissen, also sagte ich mir, das können wir mit Sicherheit besser, und die Band verdient es. Nach außen hin habe ich mich bezüglich Nitro immer eher bedeckt gehalten, denn ich wollte nicht, dass möglicherweise jemand eine Platte nur kauft, weil wir die Finger im Spiel haben. Jetzt läuft das Label sehr gut, es wächst beständig, die Bands verkaufen ganz gut.

Vor einigen Monaten habt ihr auch das erste OFFSPRING-Album wiederveröffentlicht, allerdings mit neuem Artwork. Das alte Cover hat mir besser gefallen.
Brian: Mir auch, aber den drei anderen in der Band nicht.
Greg: Ich konnte es einfach nicht mehr sehen, das ist der Grund.
Brian: Ja, aber es war trotzdem sehr gut. Mark Rude hat es gezeichnet, „Mad“ Mark Rude. Von dem ist auch das „Earth A.D.“-Cover der MISFITS. Er stand damals total auf Giger und diese ganze Alien-Sache, und so ist dann auch unser Cover ausgefallen. Mir gefällt es heute noch. Die Platte kam damals auf Nemesis Rec. bzw. Cargo raus, und sie hatten nicht die Möglichkeiten, die Scheibe richtig zu vermarkten. So haben wir gerade mal 2.000 Stück davon verkauft, und das auch nur im LP- und MC-Format. CD würde sich nicht lohnen, meinten sie. Also bat ich sie, die Rechte an uns zurückzugeben. Sie ließen sich darauf ein, und wir saßen erstmals ein paar Jahre auf dieser Platte, bis dann das mit unserem Hitparadenerfolg passierte. Und danach war es keine Frage mehr, dass wir das Album wiederveröffentlichen.

Was ist mit eurer ersten Single „I’ll be waiting“?
Brian: Davon wird es kein Re-Release geben, denn die beiden Songs hatten wir für das Album neu eingespielt. Die Single hatten wir damals selbst rausgebracht, in einer Auflage von 1.000 Stück – mehr konnten wir uns nicht leisten. Das Ding lief miserabel, von vielen Vertrieben haben wir niemals Geld gesehen und es dauerte über drei Jahre, bis wir die schließlich los waren. Heute ist das wohl ein Sammlerstück.

Hast du denn wenigstens ein paar davon aufgehoben?
Brian: Nö, ich habe nur noch eine.

Wie kam es zu eurem seltsamen Split-Deal mit Epitaph bzw. Sony/Columbia?
Brian: Wir hatten uns vor einigen Monaten entschieden, Epitpah definitiv zu verlassen, auch wenn uns das schwerfiel. Immerhin hatten wir mit ihnen zusammen unseren Riesenerfolg, und es war schon eine geniale Sache, mit minimaler Promotion und auf einem Indie-Label so weit zu kommen. Durch unseren Erfolg haben wir Epitaph geholfen, so groß zu werden wie sie es heute sind. Das ist cool für sie, und Epitaph spiegelte zu diesem Zeitpunkt auch ein gewisses Lebensgefühl, eine gewisse Szene wieder, zu der auch wir gehören. Wir fühlten uns bei Epitaph sehr gut aufgehoben, verstanden uns mit den Leuten dort sehr gut und auch mit den anderen Bands, etwa NOFX, RANCID oder PENNYWISE, mit denen wir schließlich schon seit Jahren zusammen Konzerte gespielt haben. Die Entscheidung, Epitaph zu verlassen, fiel uns also wirklich nicht leicht, aber die Situation war plötzlich folgende: Epitaph war plötzlich eine große, wertvolle Firma und Brett teilte uns mit, dass er zumindest einen Teil davon verkaufen werde – an eine Major-Company. Wir merkten, dass das für uns bedeuten würde, ohne weiteres Zutun unsererseits ebenfalls an einen Major verkauft zu werden. Theoretisch hätten wir also plötzlich Labelmates von Dr. Dre auf Deathrow Rec. sein können. Kein Witz, Brett sprach mit all diesen Typen. Das war also die Situation, und auch wenn Brett Gurewitz seine diesbezüglichen Pläne derzeit auf Eis gelegt hat, so bin ich mir doch sicher, dass er sie irgendwann umsetzen wird. Die Situation war für uns also, dass wir uns über kurz oder lang auf einem Majorlabel wiederfinden würden, ob wir das jetzt mögen oder nicht. Wir wollten uns diese Entscheidung aber nicht aus der Hand nehmen lassen. Und da erschien es uns logisch, selbst aktiv zu werden. Wir sind allerdings nicht hausieren gegangen, sondern unser Manager Larry Tull hat vorsichtig die Fühler ausgestreckt. Er managt auch SOCIAL DISTORTION, die ja bei Epic sind – Epic und Columbia sind im Prinzip ein und dasselbe Label – und wohl recht zufrieden. Ebenso PEARL JAM und RAGE AGAINST THE MACHINE. Die können eigentlich machen, was sie wollen und niemand redet ihnen drein, etwa bei ihren Touren oder den Videos. Wenn PEARL JAM sagen, dass sie nicht touren wollen und keine Lust auf Videos haben, dann fressen die das. Auch weiterhin völlige Freiheit zu genießen gab für uns letztendlich den Ausschlag, weniger der finanzielle Aspekt. Aber klar, wir wissen natürlich auch, dass wir in einer Ausnahmeposition waren: die wollten uns, also konnten wir die Bedingungen diktieren. Bei unbekannteren, kleineren Bands sieht das ganz anders aus: wenn die zu ’nem Major gehen, sind die voll gefickt. Ich bin mir sicher und ich weiß, dass der Majordeal für viele Bands eine denkbar schlechte Entscheidung war. Wir aber haben klipp und klar gesagt, was wir wollen und erwarten. Zum Beispiel, dass wir beim Aufnehmen des Albums in Ruhe gelassen werden wollen, wir niemanden von ihnen im Studio sehen wollen und sie vorab rein gar nichts von uns zu hören bekommen werden. Sie haben sich darauf eingelassen und damit war das für uns o.k. Ich denke, die großen Labels sind in den letzten Jahren schlauer geworden. Früher dachten sie, um Erfolg zu haben müssten sie jeden Aspekt der Karriere eines Künstlers unter Kontrolle haben. Jetzt scheinen sie allmählich zu kapieren, dass sie davon wohl doch keine Peilung haben. Und da wir es beim letzten Mal geschafft haben, ohne ihr Zutun ein paar Millionen Platten zu kaufen, trauen sie uns zu, das nochmal zu schaffen. Grundsätzlich hängt das aber alles vom Einzelfall ab. GREEN DAY etwa waren gut beraten, Lookout rechtzeitig zu verlassen, denn Lookout war die ganze Sache völlig über den Kopf gewachsen. Ganz anders bei RANCID: die überlegten sich, zu Epic zu wechseln, ließen sich letztendlich aber doch unter anderem von uns überzeugen, bei Epitaph zu bleiben. Die wären damals einfach noch nicht reif gewesen und Epic hätte nichts für sie tun können, was sie nicht auch bei Epitaph bekommen konnten. Ein kleines Label mag zwar auf nationaler und auch internationaler Ebene gute Kontakte haben, aber nicht die Maschinerie und Leistungsfähigkeit eines Majorlabels, das ist der Unterschied.

Split-Release Europa: Manche Länder Epitaph, manche Columbia. Wie kommt’s?
Brian: Das kommt daher, dass Columbia und Epitaph sich irgendwie einigen mussten. Epitaph hatten noch eine Option auf dieses Album, und deshalb diese Konstruktion.

Warum ist der Produzent nicht mehr Thom Wilson, der sonst alles gemacht hat?
Brian: Stimmt, Thom hat seit unserem ersten Album alles von uns produziert, hat uns überhaupt erst beigebracht, wie man aufnimmt, denn wir waren blutige Laien. Er hat uns in all den Jahren sehr viel geholfen, aber nach sieben, acht Jahren war sowohl ihm wie auch uns klar, dass jeder mal was Neues ausprobieren möchte. Ich meine, er hat auch ohne uns genug zu tun, so produzierte er etwa Iggy Pops letztes Album.

Euer neuer Produzent ist Dave Jordan, der auch mit SOCIAL DISTORTION arbeitet. Ergab sich diese Connection auch über euren Manager?
Brian: Nicht so direkt: Klar, Larry kennt Dave, aber das war nicht ausschlaggebend. Vielmehr stand ich schon seit einer ganzen Weile auf seine Arbeit mit SOCIAL DISTORTION, und als wir uns dann entscheiden mussten, fiel die Wahl beinahe automatisch auf ihn. Ich mag den Sound der Alben von JANE’S ADDICTION, ALICE IN CHAINS und eben SOCIAL DISTORTION und hatte das Gefühl, er könnte auch mit uns klarkommen.

Was für ein Studio ist das Eldorado Studio?
Brian: Der Laden gehört Dave und seinem Kompagnon. Er ist vollgestopft mit dem seltsamsten Equipment, und er macht seinen Job ja auch schon seit Jahren. Er hat etwa eine ganze Reihe alter Röhrenverstärker, beinahe schon museale Stücke. Dabei sieht es von außen aus wie ein Bunker. Aber das muss wohl so sein, denn das Studio liegt mitten in Hollywood und da ist es besser, wenn niemand weiß, was für Werte da rumstehen. So ist es einfach ein grauer Betonklotz am Sunset Boulevard, ohne jedes Hinweisschild und mit einem von NATO-Stacheldraht umzäunten Parkplatz. Außer der Tür gibt es in dem Gebäude keine Öffnung. Es hat jedenfalls ziemlichen Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten.

Seit dem letzten Album wart ihr hier in Europa auf Tour und habt auch ein paar Festivals gespielt, doch das Presse-Echo war eher mäßig. Immer wieder war zu lesen, dass ihr eher enttäuschend gewesen seid und recht uninspiriert gewirkt hättet.
Brian: Echt? Naja, ich muss zugeben, dass unser Auftritt auf dem Bizarre-Festival nicht so toll war. Das Publikum stand ganz offensichtlich nicht auf uns und wartete nur auf DIE TOTEN HOSEN. Auch Iggy Pop ging es nicht besser als uns. Ganz ehrlich, wir hatten einen schlechten Tag, ich will nichts beschönigen. Aber fuck, sowas passiert halt mal. Das ist wie beim Golfspielen: Mal gelingt dir ein Schlag, mal geht einer daneben. Und das in Köln war einer der Tage, wo gar nichts klappt. Das fing schon damit an, dass ich auf die Bühne kam, nach dem Mikro griff und das Kabel abging. Klasse! Ich musste also rüber zu Noodles Mikro, habe mir das gekrallt und war schon voll angenervt. Bei Kevin riss dann gleich eine Saite und kurz danach fiel ihm der Stecker an der Gitarre raus. Außerdem war es nachmittags, die Sonne schien, wir schwitzten und jeder war total genervt – wen wundert’s, dass wir da nicht so gut spielten und auch entsprechend rüberkamen? Andere Konzerte liefen total gut, aber die waren alle nicht in Deutschland. Pech für uns.

Wie geht ihr denn mit dem Erwartungsdruck um? Ich meine, jeder erwartet von euch jeden Abend ein perfektes Konzert, und das gleiche gilt für die Platte: Die letzte war ein Hit, ein Knüller, setzt man sich da nicht selbst ungeheuer unter Druck, dass es das nächste Mal mindestens wieder genauso gut werden muss?
Brian: Pah, was sollen wir denn tun? Wir sind doch auch nur Menschen, und manchmal versagen wir eben. Das Coole war ja, dass „Smash“ damals erschien und niemand übermäßig große Erwartungen hatte, doch dann plötzlich war es ein Hit-Album. Und plötzlich fangen die Rezensenten an festzustellen, dass die Platte ja eigentlich gar nicht so toll sei. Was erwarten die denn? Das sollte gar nie ein musikalischer Meilenstein sein, sondern war einfach nur ein gutes Punkalbum, das wir ohne große Ambitionen eingespielt hatten. Plötzlich wird es aber nach ganz anderen, nach viel höheren Kriterien bewertet. Mit unseren Konzerten ist es genauso, da stehst du plötzlich sehr großen Erwartungen gegenüber und kannst die eventuell auch mal nicht erfüllen.

Wie beeinflussen die Erwartungen anderer denn den Songwriting-Prozess? Beim letzten Album habt ihr euch nicht viel dabei gedacht, aber diesmal warten eure Fans, eure Freunde, die Plattenfirma, das Management, ihr selbst auf den neuen Knaller? Und zwei, drei singletaugliche Songs sollten ja möglichst auch dabei sein – bei ’nem „normalen“ Punk-Album denkt ja niemand an „singletaugliche“ Songs.
Brian: Bevor „Smash“ erschien, wurde kaum mal eine Epitaph-Band – von den College-Radios abgesehen – im Radio gespielt. BAD RELIGION waren die größte Band auf dem Label, haben weltweit so um die 100.000 Platten verkauft. Niemand dachte daran, gute Singles zu schreiben, sondern versuchte einfach, gute Songs zu machen. Später stellte sich dann heraus, dass ein paar unserer Songs Singlequalitäten besaßen, aber das war nicht beabsichtigt. Wir haben allerdings schon immer unterschiedliche Songs auf Lager gehabt, nicht nur diesen einen typischen Punksong, und so versuchten wir auch diesmal, einfach wie vorher auch Lieder zu schreiben, und wenn drei, vier herausragende dabei sind, werden sie vielleicht eine Single. Nur so geht das, alles andere würde bei uns nicht funktionieren. Und da von der Plattenfirma niemand bei den Aufnahmen im Studio war, wurden wir auch nicht beeinflusst.

Ich finde, euer neues Album unterscheidet sich überhaupt nicht groß von den drei davor.
Brian: Klar, aber was erwarten die Leute denn auch? Ich glaube, die Erwartungen, die andere an uns haben, sind größer als unsere eigenen. Vermutlich hat jeder auf eine Neuauflage von „Come out and play“ oder „Self esteem“ spekuliert, aber darauf haben wir keine Lust.

Wer sucht sich denn die Single-Tracks aus? „All I want“ ist ja zum Beispiel die erste Single vom neuen Album.
Brian: Das war allein unsere Entscheidung. Ich denke, die Leute vom Label hätten einen anderen Song genommen. „All I want“ ist einer der der schnellsten Songs, und wir wollen einfach ausprobieren, wie das kommt. Es ist also allein unsere Entscheidung, wir sind zufrieden und glücklich damit und warten einfach mal ab, was passiert. Was sonst sollen wir denn auch tun? Du kannst nur dein Bestes geben und dann abwarten, was passiert. Wenn das, was du gemacht hast, auch anderen gefällt, ist alles in Butter, wenn nicht, tja, dann halt nicht.

Ich hätte ja darauf getippt, dass „Meaning of life“ die Single werden würde?
Brian: Ja, das war der zweite Song, den wir in Erwägung gezogen hatten.

Apropos „Sinn des Lebens“. Was ist der Sinn des Lebens? Millionen von Platten verkaufen?
Brian: Nö. Der Titel ist eher sarkastisch gemeint und es geht um Typen, die dir erzählen wollen, was der Sinn des Lebens ist. Das ist natürlich Bullshit, das kann nur jeder mit sich selbst klarmachen. Naja, es ist halt einer dieser Selbstbestätigungssongs, haha.

„Change the world“ geht in eine ähnliche Richtung, oder?
Brian: Ja, da geht’s um Leute mit missionarischem Eifer, die zu wissen glauben, wie man die Welt verändern kann. Die Neunziger sind das Jahrzehnt der Political Correctness, wo sich jeder so unglaublich viel Gedanken über seine Umwelt und seine Mitmenschen macht. Da gibt es zum Beispiel diesen Werbeclip von Exxon: Die Kamera schwenkt über einen riesigen Wald, dann erscheint die Textzeile „Do people care?“ und schließlich „Exxon does“. Die tun so, als würden sie mit ihrem Handeln die Welt positiv verändern, dabei wollen sie nur ihr Öl verkaufen. Naja, und um dieses Phänomen geht es in dem Song.

Punk war bzw. ist eine Musikrichtung, bei der die Leute in den Texten politische Statements erwarten. Wie steht ihr dieser Erwartung gegenüber?
Brian: So wie wir immer damit umgegangen sind: Unsere Texte hatten schon immer eine gewisse Message, und so wird es auch bleiben. Aber wir haben was gegen Bands, die predigen. Soll ich Namen nennen? Ja? Ich denke, U2 gehen zu weit – und auch FUGAZI: Mit ihrem „Don’t mosh, don’t stagedive, don’t ... “ machen sie so starke Vorschriften, dass ich das nicht gut finden kann. Dabei bin ich eigentlich ein großer Bewunderer von FUGAZI, finde ihre Ideale völlig o.k., aber meine Welt ist das halt nicht. Was deine Frage betrifft, so hast du natürlich recht: Punk war und ist eine Musikrichtung mit einer politischen oder sozialen Message. Und das ist ja etwas Positives, wenn es bei Musik um mehr geht, als nur sich ständig zu besaufen und Chicks abzuschleppen. Dieses „Anderssein“ hat mich ja auch überhaupt erst zu Punk gebracht: das war etwas „Echtes“ dahinter, etwas Relevantes. Für uns bedeutet das, dass unsere Texte Kommentare zu Gesellschaft und Politik enthalten, ohne jedoch oberlehrerhaft rüberzukommen. Was die Reaktion der Leute darauf betrifft, so haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele gar nicht so tief in die Musik eindringen und unsere Musik einfach nur zur Unterhaltung hören. Ich meine, ich bin ja nicht anders: Es gibt unzählige Songs, von denen ich nur die Melodie, aber nicht den Text kenne.

Andererseits muss man sich natürlich schon überlegen, was man sagt oder schreibt, wenn mehr als fünf Millionen eure Platten und damit auch die Texte hören.
Brian: Hm, ja, das ist ganz schön verrückt. Aber ich kann mich nur wiederholen: wir wussten ja gar nicht, was auf uns zukommt.

Wie ist es denn so, ständig vor tausenden von Leuten zu spielen?
Brian: Es kann Spaß machen. Es ist eben was völlig Anderes als früher, als wir in kleinen Clubs vor höchstens ein paar hundert Leuten spielten. Aber sowas kommt auch noch vor: in London haben wir unlängst vor 500 Leuten in einem kleinen Laden gespielt, und das war voll der Hammer, wie in alten Zeiten.
Greg: Am nächsten Tag spielten wir auf dem Reading-Festival, und das machte auch Spaß, nur dass es ganz anders war.
Brian: Wichtig ist eigentlich nur, dass das Publikum mitgeht, da kommt es nicht darauf an, ob vor dir 300 oder 3.000 Menschen toben.

Jello Biafra spricht das „Disclaimer“ betitelte Intro zum neuen Album. Wie kam es dazu? Ich meine, Biafra ist doch jemand, der in all den Jahren die Fahne des Underground hochgehalten hat, und der Mann gibt sich – verzeiht mir die provokante Formulierung – für den Kommerz-Act THE OFFSPRING her.
Brian: Wie du sicher weißt, hat sich Jello vor ein paar Jahren ziemlich mit Tim Yohannan, dem Mann hinter dem Maximumrocknroll-Fanzine, zerstritten, und zwar über die Frage, was Punk ist und darf, gerade auch in Bezug auf Majorlabels. Jello vertritt heute die Auffassung – so habe ich das zumindest verstanden –, die MRR-Leute seien viel zu hardline. Punk ist eine sehr individualistische Angelegenheit – „Mach das, worauf du Lust hast“ – und das MRR steht da mit seinem Versuch zu definieren, was Punk sein darf und was nicht, sehr extrem da. Jello Biafra hat sich dagegen öffentlich ausgesprochen, und das hat ihm natürlich harsche Kritik von Tim Yohannan eingebracht. So sehr ich Tim und seine Arbeit auch schätze, so stimme ich doch Jello Biafra zu, der eine sehr unverkrampfte Meinung darüber hat, was nun Punk ist und was nicht.

Was sagt er denn genau in dem Intro?
Brian: Dazu muss ich etwas weiter ausholen: In Amerika verklagt bekanntlich jeder jeden wegen so ziemlich allem. Zum Beispiel habe ich mal bei einem Konzert eine leere Plastikwasserflasche ins Publikum geworfen, und daraufhin hat mich jemand verklagt, weil die Flasche ihn angeblich am Auge getroffen und verletzt hat. Es ist wirklich unglaublich, weshalb in den USA geklagt wird, denk nur mal an JUDAS PRIEST, die verklagt wurden, weil sich ein Teenager angeblich nach dem Hören eines ihrer Songs erschossen hat. Disclaimer, um auf den Punkt zu kommen, sind diese Warnhinweise, die man mittlerweile auf jedem Produkt findet, etwa bei Plastiktüten, auf denen steht „Von Kindern fernhalten, nicht über den Kopf ziehen, sonst Erstickungsgefahr“, wo man also sagt, der Konsument solle aufpassen, sich nicht verletzen und der Hersteller der Ware übernehme keine Verantwortung für die Folgen. Unser Disclaimer macht sich über diese ganze Sache in sarkastischer Weise lustig, denn bei uns gibt es natürlich Gründe genug, solche Warnungen auszusprechen. „Cool to hate“ etwa ist ja keine echte Aussage, sondern ein ironischer Kommentar, aber da natürlich immer die Gefahr besteht, jemand könnte das wörtlich nehmen, muss man eigentlich eine Disclaimer dazupacken: „Achtung, das ist ein Witz!“. Naja, Jello lässt sich eben über diesen Komplex aus, denn wenn man, ganz übertrieben, bei jedem Witz dazuschreiben muss, dass es ein Witz ist, hat man einerseits den Witz ruiniert und andererseits den Intellekt desjenigen, der sowas liest, beleidigt. Es hat uns natürlich gefreut, dass Jello bereit war, mit uns zusammenzuarbeiten, denn wir bewundern ihn natürlich alle seit den DEAD KENNEDYS.

Gibt es denn Pläne, ihn auch mal auf die Bühne zu holen, etwa für eine Spoken-Word-Session?
Brian: Wir haben das mal angedacht, aber es gibt da bislang keine konkreten Pläne.

Von der musikalischen Seite her würde mich ja mal interessieren, wieso es heutzutage kein einziges „Melodic Punk Rock“-Album mehr gibt, auf dem nicht ein Ska-Song enthalten ist. Auch ihr seid mit dabei, wie „Don’t pick it up“ beweist.
Brian: Hm, gute Frage eigentlich. Ich weiß auch nicht, warum. OPERATION IVY sind wohl schuld, die haben damals damit angefangen und irgendwie fahrt jeder darauf ab. Ich finde, Punk und Ska passen ganz gut zusammen: beide Stile sind sehr energiegeladen und mitreißend. NOFX haben schon sehr früh mit Ska rumexperimentiert, und als wir „Smash“ rausbrachten, war die derzeitige Skacore-Welle auch noch nicht losgebrochen. Es gab die VOODOO GLOW SKULLS, und das war’s auch schon. Heute gibt’s NO DOUBT, GOLDFINGER, SKANKIN’ PICKLE, HOMEGROWN, MILLENCOLIN aus Schweden und noch zig andere. Als wir das machten, war es noch nicht so üblich, heute macht es jeder, deshalb überlegten wir schon, ob wir das wirklich machen sollten. Dann hatten wir aber plötzlich doch so einen Song geschrieben und dachten uns „Scheiß drauf“. Man kann sich doch nicht von anderen Leute diktieren lassen, was man tut und was man lässt.

Euer Albumtitel „Ixnay On The Hombre“ klingt ja äußerst rätselhaft. Also, Entschlüsselungs- und Deutungshilfe, bitte.
Brian: Na gut: „Ixnay“ ist ein Wort aus dem Hispano-Slang Südkaliforniens, den wir „Pig Latin“ nennen. Die Kids picken sich ein Wort raus, etwa „ring“, nehmen den ersten Buchstaben weg, hängen ihn hinten wieder an und packen „ay“ dazu. Aus „ring“ wird also „ingray“. Mit etwas Übung kannst du damit ganze Sätze formulieren, und das hat den Vorteil, dass Uneingeweihte, vor allem natürlich Erwachsene, keinen blassen Schimmer haben, was da geredet wird. „Ixnay“ ist also usprünglich „nix“, und in Schweinelatein heißt das soviel wie „jemanden loswerden“. „Hombre“ ist spanisch für „Mann“, womit der Satz dann soviel heißt wie „Get rid of the man“. „The Man“ bezeichnet die Autoritäten ganz allgemein, so dass eine Übersetzung in richtiges Englisch lauten könnte „Fuck authority“.

Das Artwork sieht recht mexikanisch aus. Von wem stammt das?
Brian: Ich weiß es nicht. Es handelt sich um mexikanische Volkskunst anlässlich des „Day Of The Dead“, einem religiösen Feiertag einen Tag nach Helloween [evtl. „Allerheiligen“ auf Mexikanisch, jh]. Wir fanden, dass das Motiv ganz gut zum Albumtitel passt, das ist der einzige Hintergrund. Wir haben das Motiv, das Foto einer Holzschnitzerei, aus einem Buch ausgewählt, und es hat sich dann herausgestellt, dass der Künstler das in den Sechzigern geschaffen hat und heute an der Universität von Los Angeles Professor für mexikanische Kunst ist.

Apropos Uni: Was ist aus deinem Studium geworden?
Brian: Au Mann, hör mir damit auf ... Wenn ich mich zwei Jahre reinknien würde, hätte ich meinen Doktortitel in Biologie, aber wer weiß, ob ich jemals soweit kommen werde. Im Augenblick macht es mir mehr Spaß, Musik zu machen, aber wer weiß, vielleicht studiere ich eines Tages doch weiter.

Der große Punkboom ist vorbei, doch berührt das eine Band wie OFFSPRING überhaupt? Die letzte Platte wurde sicher nicht von ein paar Punks zum Hit gemacht, sondern vom ganz normalen Rockmusik-Publikum.
Brian: Stimmt. Als „Smash“ erschien, fragten uns die STONE TEMPLE PILOTS, ob wir nicht mit ihnen auf Tour gehen wollten, doch unsere Reaktion war natürlich „Oh mein Gott! Wir auf Tour mit so einer Band? Niemals!“ Heute müssen wir feststellen, dass für die meisten Leute da draußen überhaupt nicht erkenntlich ist, was uns von denen unterscheidet, obwohl wir selbst das natürlich ganz genau wissen.

Ihr seid also einfach Teil des „Alternative Rock Biz“.
Brian: Mann, wie ich dieses Wort hasse: „Alternative“. Eine Alternative zu was denn?

So, jetzt sag mal an: Was hat sich für euer Privatleben verändert? Doch sicher ein bisschen mehr als die Tatsache, dass ihr nicht mehr darüber nachdenken müsst, wovon ihr die Miete bezahlt. Also, wie viele Ferraris besitzt ihr?
Brian: Keinen. Aber klar, wir sind nicht mehr arm. Wer soviele Platten verkauft, hat zwangsläufig ’ne ganze Menge Geld, außer er ist ein völliger Trottel. Abgesehen davon ist es alles eine Frage, wie du persönlich drauf bist und lebst. Ich denke, keiner von uns ist durch den Erfolg ausgetickt und fing an, nur noch in Extremen und Exzessen zu leben. Wir haben einen Teil des Geldes in Nitro Records investiert, es ist einfach ein gutes Gefühl, für sowas das nötige Geld zu haben.

Und das kommt von Anheuser-Busch und Marlboro oder was? Zumindest finden sich diese beiden Firmen auf eurer Thanks-List.
Brian: Nein, das ist auf Noodles Mist gewachsen. Er dankt damit den Leuten, die für seine Süchte verantwortlich sind. Das hat also nichts mit Endorsement-Verträgen zu tun. Irgendwo ist in der Liste auch noch ein Angelrutenhersteller versteckt, weil Noodles ein begeisterter Sportangler ist.

Ach, was ist eigentlich mit deinen Dreadlocks passiert?
Brian: Ab, schnipp, weg. Ich konnte die nicht mehr leiden.