Sehenswert: In die Röhre geglotzt

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Punk-Filme im Netz

Mit Vinyl, Tapes und auch CDs stemmen wir uns gegen den Streaming-Sog, bei Bewegtbildinhalten haben wir gefühlt längst jede Zurückhaltung aufgegeben. Wir in der Ox-Redaktion merken das konkret daran, dass für unsere DVD-Rubrik kaum noch Nachschub ankommt. DVD und Blu-Ray als Trägermedium für Filme wird zunehmend unwichtiger, obwohl immer noch eine Menge für diese dauerhafte Art der Speicherung spricht.

Serienfans kennen das: Was heute noch abrufbar ist, kann morgen schon aus dem Angebot des Abo-Dienstleisters verschwunden sein, und wenn einem Anbieter oder (vermeintlichem) Rechteinhaber etwas nicht passt, verschwindet der Inhalt gleich ganz aus dem Netz. Auch Untertitel und Bonusmaterial sind im Zweifelsfall nicht verfügbar, das Verstehen von englischer Sprache ist eben nicht für jede*n gleich leicht, auch englische Untertitel, wie bei YouTube einblendbar, sind nicht immer eine Lösung und die dortige Maschinenübersetzung in andere Sprachen hat noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Und die Bildqualität ist für Menschen, die darauf Wert legen, auch nicht immer die Beste. Dennoch: Enorm viele Schätze aus der Punk-Frühzeit, die Jahrzehnte auf langsam zerfallenden VHS-Magnetbändern gefangen waren, haben so ihren Weg ins digitale Zeitalter gefunden – ob irgendwelche Filmemacher*innen für ihre Werke noch irgendeine Art der Entlohnung bekommen, ist da eine ganz andere Frage.

Wir haben uns nun entschlossen, an dieser Stelle eine subjektive Rundschau durch streambare Punkfilm-Inhalte zu starten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber immer offen für Empfehlungen und Input eurerseits – Hinweise gerne an redaktion@ox-fanzine.de mit dem entsprechenden Link und gerne ein paar Sätzen, was diesen Film/diese Doku für euch besonders macht.

Bei de Recherche zu CIRCLE JERKS wegen des Artikels im aktuellen Heft stieß ich auf „Circle Jerks – My Career as a Jerk“ (YouTube), eine Doku von David Markey aus dem Jahr 2012, die damals über MVD veröffentlicht wurde und seit Ende 2019 online ist. Es ist eine typische „talking head“-Doku mit Einblendungen von Standfotos und kurzen Livesequenzen. Faszinierend ist immer wieder Keiths Art der Intonation – diese Stimme hört man unter tausenden heraus.

Und weil hier Liveszenen aus „The Decline of Western Civilzation“ (YouTube) verwendet wurden, muss an dieser Stelle natürlich der Verweis auf diesen Punkfilm-Klassiker kommen. Regisseurin Penelope Spheeris (siehe Ox-Interview in unserem Online-Archiv) filmte in den Jahren 1979 und 1980 in der Los Angeles-Punkrock-Szene, veröffentlicht wurde de Film 1981. Spheeris legte mit „The Decline of Western Civilization Part II: The Metal Years“ einen zweiten Teil nach, aber erst 1988, der sich nicht mit der kalifornischen Punk-, sondern der Metalszene beschäftigte. Entsprechende musikalische Präferenz vorausgesetzt ist auch der sehenswert. 1998 folgte Teil 3, der sich wieder mit Punk beschäftigte, mit „Gutter Punk“, „Gossenpunk“, wie es etwas sensationslüstern heißt. Keith Morris kam da wieder zu Wort, an Bands sind unter anderem FINAL CONFLICT, LITMUS GREEN und NAKED AGGRESSION zu sehen.

NAPALM DEATH dürfen angesichts unserer aktuellen Titelstory an dieser Stelle nicht fehlen. Bei „Napalm Death – The Scum Story [Official Full Documentary]“ (YouTube) handelt es sich um genau das, seit 2012 online im Kanal von Earache Records, wo die Band in frühen Jahren veröffentlichte. Prominent kommt Mick Harris zu Wort – mit 47 Minuten ist die Doku von Pete Bridgewater über die frühen Jahre nicht so kurz wie ein ND-Song, aber weit vom 90-Minuten-Format entfernt. Digby Pearson von Earache wird auch interviewt sowie diverse Wegbegleiter, wobei die Qualität teilweise eher DIY ist. Nur knapp 14 Minuten lang ist, was man unter „Napalm Death – BBC2 Arena Documentary (1989)“ findet. Die gute alte BBC war in Sachen Popkultur eben immer weit interessierter als das deutsche Fernsehen in den Achtzigern und erstellte diese Mini-Doku mit Interviewpassagen und Livemitschnitten 1989. Nur zehn Minuten läuft „NAPALM DEATH – Pioneers of Grindcore“ mit diversen alten Live- und Interview-Passagen – offensichtlich wurde dieser Teil aus „Grindcore: 85 Minutes of Brutal Heavy Metal“, einer Doku von 2003, herausgeschnitten. Das ergänzend hierzu noch zig alte, mittelalte und aktuelle Livemitschnitte zu finden sind, ist müßig zu erwähnen.