SUIR

Foto© by Jenni Smith

Under the influence

Das Kölner Duo SUIR, bestehend aus Lucia Seiß (bs, gt) und Denis Wanic (voc, gt, dr, key), veröffentlicht dieser Tage auf This Charming Man Records sein drittes Album „Not All Of Your Pain Is Self Chosen“ und betört auch darauf wieder mit sehr dichtem, intensivem Post-Punk- und Shoegaze-Sound. Wir baten Lucia und Denis darum, uns einen Einblick zu gewähren in jene Alben und Bands, die dazu beigetragen haben, den Sound von SUIR zu formen.

BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB „B.R.M.C.“ (2001)

Diese Band verbindet uns seit Anfang an, da wir beide sie aktiv hörten, als wir einander kennen lernten. Neben unserer engen persönlichen Bindung teilen wir einen ähnlichen Musikgeschmack und konnten sofort auch eine musikalische Beziehung zueinander aufbauen. Besonders Denis sieht bei ihrem Songwriting und Peter Hayes’ Gitarrenspiel einen großen Einfluss für sein eigenes musikalisches Denken. Das spiegelt sich in vielerlei Weise in unserer Musik wider, sei es die Vorliebe für analoge Klänge, das Wechselspiel aus roher Energie und emotionalen Texten oder die dominanten Bassläufe, die eben nicht nur Begleitung sind. Ein Motiv, das sich zunehmend auch bei uns wiederfindet.

THE JESUS AND MARY CHAIN „Psychocandy“ (1985)
Noch eine Band unserer Kennenlernphase. Diese rauhe Energie, die oft von Noise durchtränkt ist, aber nie zusammenbricht, im Zusammenspiel mit großartigen Pop-Melodien ist einmalig. Die deutlichste Verbindung zu unserer Musik ist sicherlich der höhenlastige Grundklang, der unseren Produzenten beim neuen Album die Arbeit nicht leichter gemacht hat, die wir aber beide sehr mögen. Auch das Feedback findet sich als Element bei uns ebenso wieder, allerdings in weniger ausgeprägter Form als bei THE JESUS AND MARY CHAIN, da sich bei uns beiden diesbezüglich die Geister etwas scheiden. Ein absolutes Highlight unserer Karriere war es, im Sommer den Support für die Band gemacht zu haben. A dream come true.

BLEIB MODERN „All Is Fair In Love And War“ (2015)
Unser erster bewusster Zugang zum Genre Post-Punk kam über BLEIB MODERN. „All Is Fair In Love And War“ zählt seitdem zu einem unserer Lieblingsalben. Die Platte wirkt so leer und voll zugleich. Ein durchgehender Basslauf und treibende Drums bilden die Grundlage. Dazu tiefer Gesang und wunderbar zarte Gitarren. All das in einer düsteren, fast bedrohlichen Stimmung, aber nie aggressiv. Immer sanft, aber doch so kraftvoll – bittersweet. Gerade die Drums und die cleanen Gitarrenriffs haben uns in unserer Frühphase geprägt. Sicherlich haben wir mit tiefen Synths im Fokus eine andere Klangwelt geschaffen, aber manchmal braucht es einen Impuls wie eben dieses Album, um Türen im eigenen Kopf einzutreten. Eben das hat dieses Album bei uns ausgelöst.

THE UNDERGROUND YOUTH „Haunted“ (2015)
TUY sind immer ein großer Einfluss mit ihrem dunklen Post-Punk, der unter anderem von Psych-Einflüssen lebt. Hier könnten wir ganz viele Alben nennen, die uns sicherlich sehr geprägt haben. „Haunted“ bricht ein wenig mit der vorherigen Klangästhetik der Band, aber eben dies macht die Platte so besonders. Die Drums wirken maschineller und die Gesamtästhetik der Platte driftet teils in Industrial-Gefilde ab. Auch durch die Verwendung von Synthesizern hat dieses Album einen dunklen Charakter, was besonders Lucia anspricht und sich gerade bei unseren früheren Alben widerspiegelt, bei denen wir eine vergleichbare Stimmung spüren. Aber auch beim aktuellen Album sind immer noch einige der Einflüsse bemerkbar. So nehmen zwar mittlerweile organische Drums mit mehr Psych-Elementen überhand, da Denis das Schlagzeug selbst eingespielt hat, die Beats bleiben dennoch meist stoisch.

MY BLOODY VALENTINE „m b v“ (2013)
Dieser Einfluss auf unsere Musik überrascht sicherlich niemanden. Die Art und Weise, die Gitarre in Delays und Reverb zu ertränken und dennoch Klarheit zu bewahren, und sie im Mix auch oft stark in den Vordergrund zu stellen, ist einfach wundervoll anzuhören. Bewundernswert ist auch, wie hier Songs, die im Prinzip recht sanft interpretiert werden könnten, durch die Fuzz-Wand der Gitarren und des Basses in eine aggressivere Richtung getragen werden. Auch bei unseren Live-Shows, die oft zwischen den Songs viel anzubieten haben, lässt sich ein Einfluss erkennen, da wir mit Klang- und Noise-Flächen Songs verbinden oder verlängern.

SECURITY „Arid Land“ (2017)
Die Energie der Platte ist unfassbar und die Songs besonders durch die Rhythmussektion mitreißend. Wir lieben dieses Industrial-Schlagzeug, das aber kaum Bassdruck hat – fast ein Widerspruch und wahrscheinlich gerade deswegen so gut. Nach jedem Hören sind wir jedes Mal super inspiriert. Die Musik hat bei uns definitiv einen Perspektivwechsel im Songwriting verursacht: Songs entstanden bei uns früher immer ausgehend von Gitarren- oder Synthmelodien. Jetzt versuchen wir auch bewusster, die Rhythmussektion als Startpunkt von Songs zu sehen. Ein Beispiel ist „NYC“ von unserem neuen Album. Dieser hat einen Drumloop und darüber ein kurzes Gitarrenriff, das sich aber in die Drums integriert. Der Groove hat den Rest des Songs fast im Alleingang entstehen lassen.

WARM GRAVES „Ships Will Come“ (2014)
Noch so ein Album, das uns besonders anzieht, weil die Songs einen eher unklassischen Aufbau haben. Die Lieder atmen und lassen sich Zeit, ohne jemals langwierig zu wirken. Das kombiniert mit den verhallten Gitarren fühlt sich wie eine wundervolle Achterbahnfahrt an. Erwähnenswert ist, dass die vielen scheinbaren Orgel- und Synth-Sounds oft tatsächlich Gitarrenaufnahmen sind. Das hat uns besonders in den letzten zwei Jahren geholfen, als wir bei uns den Synth durch Gitarren ersetzt haben und dabei den sphärischen Klang der Band nicht verschwinden lassen wollten. WARM GRAVES sind eine Band, die uns seit langem begleitet, und wir freuen uns, dass sie dieses Jahr mit uns unsere Release-Show in Köln feiern werden.

TESS PARKS & ANTON NEWCOMBE „Right On“ (2018)
Anton Newcombe von THE BRIAN JONESTOWN MASSACRE ist für uns nicht nur durch die Musik, sondern auch durch seine Produktivität ein Vorbild. Wir neigen dazu, unseren Schaffensprozess zu sehr in die Länge zu ziehen, Songs und Ideen zu sehr zu zerdenken. Anton Newcombes Arbeit klingt oft sehr intuitiv, das Hören hilft uns manchmal, Songs schneller loszulassen. Wir lieben aber auch die Kombination mit Tess Parks, besonders durch ihre melancholischen Texte und die Art zu singen. Das hat uns inspiriert, den Gesang beim neuen Album deutlicher in den Fokus zu stellen. Früher ist der Text oft erst nach dem Song entstanden, jetzt waren gelegentlich Texte der Startpunkt und die Stücke entstanden um die Lyrics herum.

TALK TALK „Spirit Of Eden“ (1988)
Das Album ist ein absolutes Highlight unserer Vinylsammlung. Ein Meisterwerk, das durch die sparsam eingesetzte Instrumentierung oft auch sehr fragil wirkt. Tief emotionaler Gesang, Songstrukturen, die schwer zu fassen sind, und Songs, die zu einem Epos verschmelzen, und den größten Spannungsaufbau, den man sich vorstellen kann, erzeugen – der Wahnsinn. Wie bei unseren Live-Shows, bei denen wir die Songs gerne ineinander fließen lassen, wird hier auch den Tönen zwischen den Songs große Aufmerksamkeit geschenkt. Neben dem Einfluss aus Filmmusik war das definitiv eine große Inspiration für das Cineastische in unserer Musik.

SONIC YOUTH „Washing Machine“ (1995)
Unsere SONIC YOUTH-Sammlung an Erstpressungen ist definitiv auf unserer Liste mit Dingen, die in einem Notfall gerettet werden müssen – die und unsere Katze. An SONIC YOUTH mögen wir besonders, wie sie Songstrukturen aufbrechen und mit Klangteppichen verschmelzen. Schön ist auch, wie zart manchmal die Rhythmusgitarre ist und die Songs es dennoch schaffen, aggressiv zu klingen. Das Album steht hier stellvertretend für die Band, aber gerade „Washing Machine“ endet mit diesem unfassbaren Zwanzigminüter „The diamond sea“ – einer perfekten Mischung aus Pop und Noise. SONIC YOUTH helfen einem immer dabei, sich zu erinnern, dass man als Musiker:in keine Angst vor Veränderungen haben muss. Die Band ist unfassbar vielseitig und unbeständig in ihrem Klang und funktioniert sicher gerade auch deswegen. Mit diesem Vorbild sollte die größte Angst eher Stillstand sein.