THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY

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Ein Abbild des norwegischen Zeitgeists

Knappe zwei Jahre nach dem Release ihres vierten Albums „Algorithm & Blues“ legen die Norweger THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY mit „Research And Destroy“ einen ebenbürtigen Nachfolger vor, der sich nahtlos in ihre bisherige Diskografie einreiht. Bemerkenswert ist die Veröffentlichung insofern, da Sänger Ivar 2018 von den kommerziell wesentlich erfolgreicheren KVELERTAK angeworben wurde und dementsprechend weniger Zeit für GBZ erübrigen kann. Gitarrist Eirik Melstrøm beantwortet uns ein paar Fragen.

Habt ihr nicht auch befürchtet, dass „Algorythm & Blues“ nach Ivars Engagement bei KVELERTAK der Schwanengesang von THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY werden könnte?

Die Leute haben immer den Tod von GBZ vorausgesagt, so lange es uns schon gibt. Verdammt, selbst die Mitglieder der Band haben nie wirklich geglaubt, dass wir über unseren ersten Gig hinaus überleben würden, diesen einmaligen Geburtstagsparty-Gig für Zuglys Schwester im Last Train in Oslo. Danach sind wir irgendwie nur noch gestolpert. Der Austausch unseres Leadsängers im Jahr 2014 war ein Adrenalinschub à la „Pulp Fiction“, der uns dahin brachte, wo wir heute sind, vier Alben später. In diesem Sinne war Ivar also unsere Rettung. Und dann haben diese Schwachköpfe ihn für KVELERTAK angeheuert. Aber wir sind immer noch da, veröffentlichen Scandirock und gehen regelmäßig auf Tour. Du siehst also, auch eine kaputte Uhr geht zweimal am Tag richtig. Obwohl wir nicht in der Lage waren, Konzerte zu spielen, glaube ich nicht, dass die Pandemie uns so sehr beeinflusst hat, was die Produktion von neuem Material angeht. Textlich hat es natürlich einen großen Unterschied gemacht, aber wir neigen sowieso alle zu sozialer Distanz, auch in Zeiten ohne Pandemie, also alles wie gehabt hier im asozialen Norden.

Ihr habt nicht nur ein neues Album aufgenommen, sondern auch eine 7“, eine Split-7“ mit THE HIP PRIESTS und eine 4xSplit-7“ im Jahr 2021 veröffentlicht.
Ja, die Split-Singles sind alles Überbleibsel aus früheren Sessions. Wir haben vor unserer ersten Platte 2013 vier 7“s veröffentlicht, also war es schön, mit diesen Singles zu dem alten Vorgehen zurückzukehren. In diesem Jahr kommen noch ein paar Split-Releases, und wir haben auch noch ein paar neue Stücke von dieser letzten Aufnahmesession übrig, die vielleicht auf einer oder zwei 7“s landen.

Wie seid ihr mit den HIP PRIESTS in Kontakt gekommen?
Vor ein paar Jahren wurden wir eingeladen, auf einem zweitägigen Turbojugend-Festival in London aufzutreten, und die HIP PRIESTS standen auch auf dem Programm. Trotz der HIP PRIESTS erinnern wir uns nicht an viel von dieser Reise. Die einzige andere vage Erinnerung ist, dass wir in einer Bar in Camden betrunken von einem BBC-Reporter zu der Reaktion der Skandinavier auf einen möglichen Brexit befragt wurden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gut ankam, aber ich würde den Clip gerne mal sehen, falls er noch existiert. Wie auch immer, die HIP PRIESTS-Show später an dem Abend war großartig und wir sind seitdem in Kontakt geblieben. Die Show, die sie einige Zeit später im Last Train gespielt haben, war ebenfalls der Hammer, also war es naheliegend, eine Split-7“ mit ihnen zu machen. Sie werden uns auch bei unserer Release-Show am 23. April im Rockefeller in Oslo begleiten.

2018 wurdet ihr für „Algorithm & Blues“ für den Spellemannprisen nominiert und habt ihn gewonnen.
Für Deutsche mag das ungewohnt sein, aber der norwegische Scandirock ist berühmt für seine Vetternwirtschaft – seine Fähigkeit, Freunde und Verwandte in zentrale Positionen im Bereich des Musikjournalismus und des kulturellen Establishments allgemein einzuschleusen. Wenn man zum Beispiel an die frühen Tage von TURBONEGRO zurückdenkt, damals haben sie ihre eigenen Alben für Musikmagazine rezensiert ... Uns hat diese Herangehensweise immer gefallen. Und da unsere Musik selten durch diese Wand aus Scheiße dringt, die normalerweise die Musikrubriken der norwegischen Medien füllt, mussten wir drastische Maßnahmen ergreifen. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass zu der Zeit, als wir den Spellemannprisen gewannen, die Mehrheit der Mitglieder des Komitees enge Freunde und Vertraute von uns waren. Das ist bei den meisten Kategorien sowieso so, also wen kümmert’s? Und es war sehr schön, live im norwegischen Fernsehen aufzutreten mit einem Song, in dem wir verkünden, dass wir lieber pleite, betrunken und auf Sozialhilfe angewiesen sind, als uns einen Job zu suchen. Primetime!

Wer ist Roy D Stroy, der Typ auf dem Cover eurer Splitplatte mit HE WHO CAN NOT BE NAMED und der Star in eurem Video „Nav or never“?
Roy D Stroy ist eine lebende Legende, und ihn auf das Cover zu setzen, war eine Art, ihm zu huldigen. Schaut euch das „Nav or never“-Video an, wenn ihr wissen wollt warum. Es spricht für sich selbst.

LÜT, die einige Jahre jünger sind als ihr, nannten einen ihrer Songs „We will save scandirock“? Ist das eine Antwort auf euer Stück „Who will save scandirock?“?
Als wir diesen Titel hörten, gingen wir sofort zu einem Konzert von ihnen, um sie zu überprüfen. Die Musik ist in Ordnung, aber um die Retter des Scandirock zu sein, hatten sie viel zu wenige Flammentattoos und Portemonnaie-Ketten, tranken viel zu wenig Bier und benahmen sich viel zu anständig. LÜT haben also leider noch einen weiten Weg vor sich, aber wir wissen die Mühe zu schätzen.

Ihr seid gut darin, augenzwinkernde Texte und Songtitel zu schreiben. Woher nehmt ihr die Ideen?
Die Welt ist voll mit riesigen Haufen stinkender, dummer Scheiße, so dass für alle Bands unendlich viel textliches Potenzial buchstäblich vor der Nase herumliegt. Das Geheimnis ist nicht, den Geruch zu vermeiden, sondern mit ihm eins zu werden, und eine goldene satirische Gelegenheit zu wittern, wo andere einen Scheidungsgrund oder den potenziellen Funken eines Kulturkriegs sehen. Wie in dem Song „One dimensional man“ vom neuen Album: „Willst du dich wirklich befreien, dann fürchte dich nicht vor der Negativität!“ Seid mutig und nehmt den Haufen Scheiße in die Hand, solange er noch warm ist.

Auf dem Cover von „Research & Destroy“ sieht man einen fetten Nerd an einem unordentlichen Schreibtisch vor seinem Computer sitzen. Ein Zeichen unserer Zeit?
Ich weiß nicht, wie es euch in Deutschland in diesen Tagen geht, aber der öffentliche Diskurs in Norwegen spielt sich mehr und mehr auf den Schlachtfeldern der verschiedenen Kommentarbereiche der sozialen Medien ab. Dort kann man der Bestie im Moment direkt in die Augen sehen. Es geht darum, so viel Dreck wie möglich über den Gegner auszuschütten und ihn dort zu treffen, wo es wehtut. Es geht nur darum, zu forschen und zu zerstören, und hinter der göttlichen Unantastbarkeit der Tastatur Chaos zu stiften. In diesem Sinne ist GBZ also nur ein Abbild des norwegischen Zeitgeists im Moment.

„The original incel Incel“ ist ...?
Unter den erwähnten fetten Nerds an ihren Computerschreibtischen gibt es eine Gruppe, die sich selbst Incels nennt, und unseres Wissens nach ist Inceldom in letzter Zeit zu einer Art Trend geworden. Incel steht für „involuntary celibate“, also „unfreiwillig enthaltsam“. Der Song handelt von einem Mann, der sich selbst für den ursprünglichen Incel hält, den ursprünglichen Frauenhasser, und von seinem Kampf darum, dass die Welt anerkennt, dass er nicht zu ficken ist, lange bevor dies zu einem Internet-Trend wurde. Für viele Menschen gilt es als cool und als respektable Charaktereigenschaft, der Erste in einer Sache zu sein, das Original zu sein. Man denke nur an Neil Armstrong, der nicht unbedingt ein Incel ist, aber man erinnert sich an ihn vor allem, weil er der erste Mensch auf dem Mond war. Der Erste zu sein, kann also manchmal wichtig sein. Als unser unverbesserlicher Protagonist herausfindet, dass seine berühmteste Eigenschaft von einem Haufen anderer Unverbesserlicher geklaut wurde, tut er, was jeder andere reaktionäre Kreuzritter tun würde: Er macht eine komplette 180-Grad-Wendung und sucht sich ein nettes Mädchen, das er heiratet, nur um diesen Unverbesserlichen zu zeigen, wer der Boss ist. Ich glaube, das ist das erste GBZ-Liebeslied überhaupt.