VANDALISMUS

Foto© by Maxim Dean

Anti ist die beste Verteidigung

Vandalismus aus Düsseldorf macht Rapmusik mit Punk-Attitüde. Seit 2010 veröffentlichte er zahlreiche Alben und EPs unter den Namen Destroy Degenhardt und Disko Degenhardt. Im Jahr 2019 kam dann die überraschende erneute Namensänderung in Vandalismus und die Veröffentlichung von „Freunde lügen nicht“ auf Audiolith Records. Dies markierte eine Form von Neubeginn, obwohl seine rotzige, provokative, aber auch oftmals gefühlvolle Art zu schreiben noch dieselbe ist. Ich treffe den „Masked Rapper“ Ende August in Düsseldorf zum Interview.

Dein neues Album „Gloria und Schwefel“ ist nach weniger als einem Jahr schon dein zweiter Release als Vandalismus auf Audiolith. Was hat sich mit der neuen Scheibe geändert im Vergleich zum Debüt, welches ja als Befreiungsschlag galt?

Beim ersten Album war es eine Art Neuanfang, ich wollte mich locker machen. Ich hatte Bock auf ein bisschen mehr Randale, auf klare Ansagen und wollte ein bisschen brutaler sein. Jetzt mit dem zweiten Album habe ich mich eingegroovet und das hat auch gut geklappt. Es ist auch wieder ein bisschen melodiöser geworden. Ich habe mir nicht so den Kopf gemacht, dass es zu Degenhardt-mäßig wird. Das war bei der ersten Platte noch der Fall.

Woher kommt der Albumtitel „Gloria und Schwefel“?
Oh, du bist nach 15 Interviews der Erste, der danach fragt. Finde ich spannend. Das sind ja jeweils die zweiten Teile von „Glanz und Gloria“ und „Pech und Schwefel“, und ein bisschen kitschige Dramatik finde ich immer ganz cool. „Pech und Schwefel“, da es so extrem klingt und es um den starken Zusammenhalt geht. Bei „Glanz und Gloria“ geht es um etwas Pompöses, um etwas, das man richtig will. Ich habe jeweils den zweiten Teil genommen, weil man sich ja nicht so wichtig nehmen will und die zweite Geige mehr Beachtung finden sollte.

Auf deiner neuen Platte findet man einige Anhaltspunkte zu nächtlichen Aktivitäten, bei denen man sich auch mal die Hände schmutzig macht. Vorher hast du dieses Hobby ja überwiegend von deiner Musik getrennt.
Ich mache Graffiti schon länger als Rap und habe es auch immer sehr exzessiv betrieben. Irgendwann kam ich aber an den Punkt, an dem es mir zu toxisch wurde. Ich neige generell zu Extremen, aber dann ist mir das um die Ohren geflogen und zu viel geworden. Graffiti ist ja eine der destruktivsten Jugendbewegungen, also in der Hinsicht, was es mit Menschen macht und wie Leute daran kaputtgehen können. Und es macht schon viel mit dir, wenn du das ernsthaft betreibst. Dann kam es zum Bruch, genau zu der Zeit, als ich angefangen habe, Mucke zu machen. Und mein „altes“ Leben wollte ich nicht mit in die Musik einfließen lassen. Ich habe nicht mehr gezeichnet, und selbst wenn ich in Musikvideos mal eine Dose in der Hand gehabt habe, war es wichtig für mich, dass es nicht wie ein Graffiti-Tag ausgesehen hat, sondern eher punkig hingerotzt. Mittlerweile habe ich aber wieder mit Graffiti angefangen, also sehr massiv wieder damit angefangen. Es macht mir wieder Spaß und es fühlt sich geil an, um sechs Uhr morgens total zerkratzt und zerstört nach Hause zu kommen und sich die Dornen aus dem Fuß zu pulen. Jetzt ist es nicht mehr toxisch für mich und das Thema Graffiti darf nun auch in meiner Musik Platz haben.

Es kommt ja auch auf die Richtung an, welchen Weg man mit Graffiti einschlägt.
Ich meine natürlich den illegalen Weg. Legal hat mich nie angeturnt. Natürlich haben wir auch mal legal gemalt, wenn man sich mal zum Grillen getroffen hat und noch Restfarbe in den Dosen war. Aber ansonsten ist mir die Farbe dafür zu schade. Für mich lebt Graffiti auch sehr stark davon, die Aktionen zu planen, das heißt welche Farben und Materialien verwende ich für die unterschiedlichen Wände. Ich würde mich schon als Bomber bezeichnen, obwohl ich auch sehr viel über Buchstaben tüftle. Aber ich mag es schon eher deutlich, plakativ und exzessiv.

Das Artwork deiner Platten und dein Merchandise machst du ja auch selbst.
Ja, alles, ich habe Mediengestalter gelernt. Auch mein Label und meinen Webshop Labil Elite betreibe ich selbst. Jetzt nach meiner siebten Platte habe ich mir aber mal Hilfe geholt, um Ideen umzusetzen, die ich selbst nicht mehr schaffe. Ich bin auch nicht so der krasseste Zeichner, und wenn mir jemand sagt „Zeichne mir mal eine Kuh!“, dann sieht die auch total scheiße aus.

Das Thema Punk kommt immer wieder in deinen Texten vor. Erzähl doch mal ein wenig über deine musikalische Sozialisation. Mit welcher Musik bist du aufgewachsen, und gehörten HipHop und Punk für dich schon immer zusammen?
In der Kindheit bin ich großgeworden mit Liedermachern und Deutschrock. Ich habe früh Schallplatten gehabt: die PUHDYS, Udo Lindenberg und Klaus Lage. Ich bin immer noch ein eingefleischter Klaus Lage-Fan. Mit 13 Jahren fing das mit Punk an. Die ersten Bands waren bei mir BLACK FLAG und EXPLOITED, später dann Deutschpunk mit Bands wie SLIME, DAILY TERROR oder DIE GOLDENEN ZITRONEN. Ich bin mit Domestos-Hosen und Anarchie-A auf der Jacke rumgelaufen, habe bei meinen Eltern in der Dachgeschosswohnung mit Fußbodenheizung gewohnt, habe aber Punk gelebt oder dachte zumindest, dass ich es lebe. Ich war da eher ein schüchterner Typ, ein „Leftie“. Mit 16 oder 17 Jahren kam dann HipHop mit Bands wie DIE FANTASTISCHEN VIER oder auch RÖDELHEIM HARTREIM PROJEKT in mein Leben. Dass ich mich dann aber mit HipHop richtig identifiziert habe, passierte mit den Britcore-Bands wie GUNSHOT, KILLA INSTINCT oder auch NO REMORZE aus Bremerhaven. Zu der Zeit sind wir viel auf Jams gefahren, haben gemalt, und da war ich 100% HipHop. Später kamen dann wieder Punk und Hardcore hinzu und es hat sich alles gesund gemischt.

Durch die Corona-Krise hat sich ja in künstlerischer Hinsicht bei dir nicht allzu viel geändert. Du trittst in der Öffentlichkeit schon immer maskiert auf und spielst seit einigen Jahren keine Konzerte mehr. Wird sich da im Jahre 2021 vielleicht etwas ändern in Bezug auf Live-Shows?
Mit meiner Punkband BARKAS werde ich definitiv live spielen. Mit Vandalismus werde ich mal schauen. Da müsste ich ja dann zwei Platten auswendig lernen. Wie soll das denn funktionieren? Also wenn ich live spiele, will ich einen Exzess haben, da soll es abgehen. Dafür hat sich meine Musik früher nicht immer so geeignet, aber bei meinen letzten Konzerten gab es auch Moshpits. Am meisten Spaß macht es mir, mit anderen Leuten auf der Bühne zu stehen. Aber wer weiß schon, ob es 2021 überhaupt wieder möglich ist, normale Konzerte zu spielen?

Wenn wir schon beim Thema sind: Du rappst im Song „Parasit Paradies“ folgende Zeile: „Das Label kann sich mich nur leisten wegen WTG und Feine Sahne.“ Gibt es seitens deiner Plattenfirma Audiolith nicht auch den Wunsch nach Live-Shows von Vandalismus?
Die fragen schon immer mal wieder, aber die wissen ja auch, dass ich ein Spinner bin. Noch ist es kein Rauswurf-Argument, und jetzt kommt mir Corona schon ganz gelegen. Ich denke aber, es ist auch okay, wenn ich keine Live-Auftritte spielen werde. Ich erwirtschafte ja kein Minus, ein bisschen verdienen sie auch an meinen Plattenveröffentlichungen.

Auf deinen beiden Alben sind als Gäste unter anderem GRIM104 von ZUGEZOGEN MASKULIN und Panik Panzer von ANTILOPEN GANG dabei. Mit denen bist du ja auch freundschaftlich verbunden. Wie verfolgst du deren Weg, der ja durchaus einen Schritt weiter in eine kommerziellere, poppigere Richtung geht als deiner?
Ich höre die Alben sehr gerne, es ist eben ein bisschen was anderes. Sie haben ja auch ein großes Label hinter sich, haben sich aber nicht dafür verbogen. Schon allein durch die politische Kante können ANTILOPEN GANG mehr Content als 90% aller anderen Rap-Gruppen vorweisen. Die Mucke ist ausgefeilter, und sie haben auch mega viel gearbeitet für den Erfolg.

Du hast viele Jahre in Videotheken gearbeitet, und fast alle deiner Songs sind mit Film-Samples unterlegt. Ein VHS-Revival wird es nicht geben, und das Verschwinden der DVD aus dem Mainstream wird wohl auch nicht zu verhindern sein. Wie siehst du da die Entwicklung?
Nicht dass ich es vermisse, in Videotheken Kunde oder Angestellter zu sein, aber klar hatte das schon so einen Nerd-Flair. Ich bin zwar ein Romantiker, aber kein Todesnostalgiker. Einen VHS-Videorecorder habe ich auch noch, aber Videotheken werden nicht mehr wiederkommen. Und wenn es die DVD irgendwann nicht mehr gibt, dann ist das eben so, dafür gibt es ja auch viele schöne neue Sachen.

---

Bomber/Bombing: Schnelles und simples,
auf Quantität ausgelegtes, illegales Anbringen von Pieces (Bildern) sowie Tags (Schriftzügen).