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SHEER MAG

A Distant Call

In den Staaten hatten SHEER MAG schon Kultstatus erreicht, bevor sie ihr Debüt veröffentlicht haben. Ihr außergewöhnlicher Mix aus breitbeinigem Classic Rock, Glam und Riot Grrrl-Vocals eroberte die Herzen im Sturm.

Vor allem die Gitarren erinnern stark an die irische Rocklegende THIN LIZZY. Dazu der Look. Das Bandlogo sieht aus wie aus der Heavy-Grabbelkiste. Die Jungs in der Band – das Brüderpaar Kyle (dr) und Hart Seely (bs), sowie Gitarrist Matt Palmer – wirken, als hätten sie gerade ein dreitägiges Juso-Bundestreffen hinter sich.

Vorne am Bühnenrand zieht Sängerin Christina Halladay, die optisch an Beth Ditto von GOSSIP erinnert, die Blicke auf sich. Ihre Stimme ist laut, schrill und klingt, wie ein wütender Teenager, der sich ständig mit seinen Eltern streitet und trotzig mit dem Fuß aufstampft.

Als ob THIN LIZZY ein uneheliches Kind mit GIUDA und BLINK-182 gezeugt hätten. Klingt verrückt, funktioniert aber bestens. Schon das Debütalbum „Need To Feel Your Love“ vor drei Jahren war wegweisend – damals veröffentlicht über das Londoner Punk-Label Static Shock Records.

Von NME, The Guardian oder Vice hagelte es Höchstpunktzahlen. „A Distant Call“ ist die logische Fortsetzung des Konzepts. SHEER MAG sind zwar keine explizit politische Band, transportieren aber jede Menge Botschaften in ihren Texten.

Auf dem Debütalbum verknüpften sie noch historische Personen oder Ereignisse mit der Gegenwart. Zum Beispiel Sophie Scholl, die an der Uni in München die studentische Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gründete und sich dem Nationalsozialismus widersetzte.

Oder die legendären Stonewall Riots in New York, bei denen sich 1969 Homo- und Transsexuelle mit Polizisten prügelten und erstmals offen für ihre Rechte kämpften. Die Texte auf „A Distant Call“ sind nun stark persönlich gefärbt.

Sängerin Tina verarbeitet darin ihre eigene dunkle Vergangenheit. Das schwierige Verhältnis zum gewalttätigen Vater oder Erfahrungen mit häuslichem Missbrauch. Sie erzählt Geschichten über frustrierende Minijobs und Arbeitslosigkeit, über streikende Lehrer und Geflüchtete – und nicht zuletzt über ihre Erfahrungen als schwergewichtige Frau im Musikgeschäft.

Das alles ist verpackt in den Sound einer Stadion-Band im DIY-Format. SHEER MAG haben sämtliche Angebote von großen Labels abgelehnt. Das Interesse von Major-Indies wie Rough Trade oder Merge ist verbürgt.

Stattdessen haben sie ihr eigenes Label Wilsuns Recording Company gegründet, arbeiten in Deutschland mit Sabotage Records aus Bremen. Bevor sie die Band vor sechs Jahren in Philadelphia ins Leben gerufen haben, spielten alle in Punkbands, trafen sich in besetzten Häusern und besuchten kleine Punk-Shows.

SHEER MAG sind mit dem DIY-Spirit aufgewachsen und leben ihn weiter.