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NYT LIV

Den Døde Sol

„Der kalte Ruf der Einsamkeit“ – diesen poetischen Titel hatten NYT LIV 2019 ihrem ersten Album „Ensomhedens Kolde Kald“ gegeben. Vorangegangen war die 2017er „Livet Brænder“-12“ der Band, die sich 2016 in Kopenhagen zusammengefunden hatte. Sänger und Texter Michael Aagesen sieht seine Texte – „poetisch“ als Bezeichnung für den Titel war also durchaus angebracht – in der literarischen Tradition des dänischen Sozialrealismus der Siebziger. Oder wie die Band selbst das beschreibt: „Without use of sophisticated words and metaphors, the lyrics are about life and social indignation. About choices, how we live our lives. About adversity and loss. About selfishness, acting at the expense of others. About the weak in the world, those who need help and those no one will help.“ Eine klare Agenda, jenseits von pompösen Worthülsen, die viel Inhalt und Emotion simulieren, aber im Grunde so fake sind wie Instagram-Selfies. Und „Die tote Sonne“ als Titel des neuen Albums wirkt kaum aufmunternder als der des Debüts. Der monoton wummernde, langsam-intensive Hardcore der vierköpfigen Band wurde erneut von Jacob Bredahl aufgenommen und von Brad Boatright gemastert, das Ergebnis gewinnt dadurch eine enorme Dramatik und Massivheit, die ich zuletzt mit der Eindrücklichkeit von MODERN LIFE IS WAR verglich. Glücklich kann sich schätzen, wer die LP in Händen hält, denn das Album ist ein Gesamtkunstwerk. Das Cover wurde von Gitarrist Martin Goltermann fotografiert, und von dem stammen auch die Fotos im dicken Booklet. Allesamt entstanden in der Dämmerung, in Kopenhagen und Umgebung: Das Meer, Tankstellen, Straßenszenen, eine Rolltreppe – ergänzt um die handschriftlichen Texte von Aagesen. Streaming kann dem niemals gerecht werden.