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ÖSTRO 430

Keine Krise kann mich schocken (Die kompletten Studioaufnahmen 1981-1983)

„Bock auf Rock und scharfe Texte“ und „Vier coole Tanten mit scharfen Texten“ – mit solch sexistischer Kackscheiße bewarfen Anfang der Achtziger Musikjournalisten die Düsseldorfer Frauenband ÖSTRO 430. Ende 1979 hatte die sich gegründet, im Mai 1980 spielten sie ihr erstes Konzert – in Neuss im Okie Dokie und nicht im legendären Ratinger Hof. Auch wenn sie immer wieder „Frauenthemen“ textlich verarbeiteten, sahen sich Olivia Casali, Bettina Flörchinger, Marita Welling und Martina Weith wohl gar nicht mal als explizit feministische Band, aber Außen- und Selbstwahrnehmung waren auch damals schon verschieden. Olivia und Marita verließen die Band 1981, für sie kamen Gisela Hottenroth und Birgit Köster, 1983 stieß Ralf Küpping dazu – „all female“ waren sie damit dann nicht mehr. Sie probten neben VD und KFC, ihre Instrumentierung mit E-Piano und Saxophon statt E-Gitarre im Vordergrund war aber schon ein klares musikalisches Statement, dass hier nicht irgendwelchen Jungs-Bands nachgeeifert werden sollte, sondern eine eigene Klangfarbe entwickelt wurde. Nachzuhören war das erstmals 1980 auf dem „Schallmauer Sampler“ des gleichnamigen Labels, 1981 folgte die „Durch dick & dünn“-12“, 1982 die „Vampir“-7“ und 1983 schließlich, da war NDW in Deutschland voll entbrannt und „vier coole Tanten“ passten ins Beuteschema der Musikpresse, kam wie alle anderen Platten auch auf Schallmauer das erste, einzige und letzte Album „Weiber wie wir“, bevor sich ÖSTRO 430 im Mai 1984 nach einem letzten Konzert auflösten. Ende Mai 2020 hätten sie – Weith und Flörchinger halten die Fahne hoch – in Düsseldorf und Hamburg wieder spielen sollen, aus bekannten Gründen wurde daraus nichts. In leider nicht chronologischer Reihenfolge – Album zuerst, dann geht es zurück bis zu den drei Sampler-Tracks – wird hier das gesamte Schaffen von ÖSTRO 430 dokumentiert, im Booklet gibt es Presseschnipsel, Diskografie, Fotos und Erinnerungen von Campino, und es ist Tapete Records hoch anzurechnen, dass es damit einen der wenigen und wichtigen deutschen Beiträge in Sachen Punk aus weiblicher Perspektive wieder sichtbar gemacht hat – KLEENEX und SLITS haben schließlich längst schon ihren gebührenden Platz in der Musikgeschichtsschreibung gefunden.