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LEONARD COHEN

Philippe Girard

Steinigt mich ruhig, aber Leonard Cohen war mir schon immer zu arty-farty. Diese detailverliebte Biografie aus der Feder des Kanadiers Philippe Girard hat mein zugegeben bislang nicht sonderlich von Hintergrundwissen unterfüttertes Vorurteil zwar teilweise bestätigt, an der einen oder anderen Stelle aber auch widerlegt. Aus einer gebildeten und wohlhabenden jüdischen Familie stammend, hat Religion und Glaube nicht nur einen festen Platz in Cohens Texten, auch spielte er im Jom-Kippur-Krieg vor israelischen Truppen und sah sich zeitlebens antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt (etwa seitens VELVET UNDERGROUND-Chanteuse Nico aka Christa Päffgen, die auch sonst regelmäßig mit faschistischen Äußerungen von sich Reden machte). Mit der Rolle als professioneller Musiker, in die er als Lyriker eher nebenbei hineingerutscht war, konnte er sich dabei nie gänzlich anfreunden. „Lieber Leonard Cohen, Sie sind der absolute Abschaum“, fasst ein Fanbrief Cohens ständige Selbstzweifel in Worte. Affären, Alkohol, Tabletten, Pilze, LSD, Speed, Prozac, Hotel Chelsea NYC. Rock’n’Roll? Vielleicht nicht ganz, eher Hippietum (ohne den nahezu obligatorischen Langhaar-Gammellook, dafür war Cohen Ende der Sechziger mit Anfang dreißig vermutlich schon zu alt), Aussteigen auf der griechischen Insel Hydra inklusive. Neben einigen amüsanten bis kuriosen Musikbusiness-Anekdoten trumpft Girard mit Ligne Claire-Zeichnungen auf, die Cohen bis auf wenige Details wie graue Haare oder angedeutete Falten fast alterslos wirken lassen und damit die Zeitlosigkeit seiner Musik unterstreichen. Bin ich jetzt Fan? Nicht wirklich. Aber ein spannendes, ereignisreiches Leben hat der Mann schon gehabt, keine Frage.