Foto

FRUSTRATION

So Cold Streams

Die Gabe, auf den ersten Blick Fehler zu entdecken, kann ein Fluch sein, der einen erst einmal zweifeln lässt, ob man tatsächlich den richtigen Tonträger erhalten hat. Steht auf der Vorab-CD (und der regulären CD) doch deutlich „2017“ für das Label-Copyright auf dem Backcover, bin ich beim Erhalt der ohnehin bestellten LP beruhigt: 2019.

Nach dem ersten Durchlauf im Auto hadere ich ein wenig mit der Platte, besinne mich aber darauf, dass Straßenverkehr nicht immer ein gutes Ambiente für neue Musik ist, und lege die Scheibe in aller Ruhe auf einer richtigen Anlage unter eine frisch polierte Nadel.

Siehe da, sie wächst mit jedem Durchlauf ein wenig. Nach der fünften Runde endet das Wachstum, was „So Cold Streams“ zu einer guten, aber bei weitem nicht zur besten FRUSTRATION-Veröffentlichung macht.

Sie igeln sich ein wenig ein, kultivieren ihren Post-Punk-Sound, rücken ein Stück von den bisherigen Referenzen weg, hin zu etwas mehr frühen NEW ORDER und spielen eher mit dem Feintuning als mit tiefgreifenden Neuerungen.

Bei den gerade mal neun Songs ist etwas mehr als die Hälfte so gut, dass sie es dauerhaft auf die Setliste schaffen können, vier Stücke werden dort nur kurzfristig oder nicht auftauchen, sprich: es sind Füller.

Die guten Stücke retten die Scheibe, wie zum Beispiel „Slave markets“ (auf der Promo-CD „Slaves markets“), das erst nach einem Vocalauftritt von Jason Williamson (SLEAFORD MODS) zu wahrer Größe heranwächst.

Definitiv ein Song für ein nie erscheinendes Best-Of-Album. „Pulse“ ist ein weiterer, wütender Kracher, bei dem die gesanglichen Qualitäten von Fabrice voll zur Geltung kommen und das über einen genialen Refrain mit klassischen UK-Punk-Backingvocals à la BAD BREEDING verfügt.

Gerade hier beim Gesang liegt noch ungehobenes Potenzial. Weiter hervorzuheben wäre „Some friends“, bei dem das Keyboard eine tragende Rolle übernimmt. „Insane“ klingt trotz heftigem Drumbeat irgendwie nach einem Song von Mark Reeder, der auch auf dem „B-Movie“-Soundtrack hätte sein können und damit letztendlich weitab vom üblichen Sound der Band ist, die sich mit „Le grand soir“ (Promo: „Grand soir“) abschließend ein bassbetontes französisches Post-Punk-Denkmal in den eigenen Garten setzt.

Das macht fünf hervorragende Songs, und wenn ich es mir genau überlege, mehr als andere Bands an Hits abliefern, aber von manchen verlangt man mehr als von anderen, vor allem wenn die eigene Messlatte bisher deutlich höher lag.

Jammern auf Luxusniveau, ich weiß, und ich bin mir dessen auch vollkommen bewusst. Aufnahmetechnisch gibt es wie immer absolut nichts zu meckern und das Coverartwork reiht sich nahtlos in das Werk der Band ein.

Bleibt nur noch der fromme Wunsch nach einem weiteren Konzert in erreichbarer Nähe, denn live haben die Herren einen bleibenden Eindruck hinterlassen.