EVEN IN BLACKOUTS

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Der Tod des Duracell-Hasen

Zwar hatte ich sie noch nicht in der Dove-Reklame gesehen, doch am Abend des EVEN IN BLACKOUTS-Auftrittes breitete sich in mir ein Gefühl des Mitleids für deren Sängerin Liz Eldredge aus. Das arme Kind ist eine so bemerkenswerte Vokalistin, dass viele, wahrscheinlich aus übertriebener Höflichkeit, übersehen, was für ein heißes Gerät sie eigentlich ist. Ich hingegen sprach aus übertriebener Höflichkeit gegenüber Gitarrist John "Jughead" Pierson immer nur von seiner "früheren Band", wobei er mit dieser einen unverkrampften Umgang hat.

EIB sind schließlich gleichermaßen eigenständig und ungewöhnlich. Die erste Platte lässt sich als akustischer Pop-Punk beschreiben, dessen leise und orchestrale Töne die Bandbreite der Effekte erhöhen, während "Zeitgeist's Echo", bei aller Reinheit und Ursprünglichkeit, einen düstereren und experimentelleren Weg einschlägt, ohne jedoch die Unterhaltung aus dem Auge zu verlieren. Für akustische Musik auffallend ist die Härte, die sich Bahn bricht in der klaren Deutlichkeit von Liz' Gesang und dem nachdrücklichen Schlag des Rhythmus'. Schlagzeuger Bice trat übrigens wie der Rest der Band mit Hut auf, doch nur er trug eine wirklich scharfe, Gene Hackman in "French Connection" entliehene Kopfbedeckung. Neben ihren eigenen Hits spielten EIB an diesem Abend Coverversionen von OPERATION IVY, den CHIFFONS, sowie originale und assoziierte Lieder von SCREECHING WEASEL. Die Tatsache, dass neben SCREECHING WEASEL-Gründungsmitglied John "Jughead" Pierson mit Gitarrist Gub Conway auch der Bassist auf der Bühne stand, der im Winter 1991/92 bei einer Live-Radiosession für WFMU in Jersey City mit dieser Legende siebzehn Lieder aufgenommen hatte, euphorisierte mich noch Tage später, denn mit der Gewissheit, zu diesen Liedern getanzt zu haben, war mir der Frieden geschenkt worden, beruhigt sterben zu dürfen.



In letzter Zeit fallen mir im Umfeld des Punkrock immer mehr Singer/Songwriter und Akustik-Shows auf. Und eure heutige Vorband, die ZATOPEKS, haben ein paar Lieder für einen Akustik-Sampler von It's Alive Records aufgenommen. Siehst du selbst einen bescheidenen Boom, und falls ja, wie kommt es dazu?

Mir ist das zwar auch aufgefallen, aber es klingt meist ganz anders als wir. Als ich mit der Band begann, war ich völlig weg vom Fenster zeitgenössischer Musik und wollte schlicht etwas völlig anderes machen. Möglicherweise eine Rückkehr zum Akustischen, denn im Grunde ist es keine neue Idee. In den 70ern nahmen viele Bands akustisch auf. Viele Leute denken ja, akustisch hieße zart, aber mein Ziel war es, wie eine elektrische Gitarre zu klingen.

Meine erste Assoziation waren HÜSKER DÜ, die in der guten, alten Zeit Lieder auf akustischen Gitarren schrieben, um sie hinterher auf elektrische Gitarren zu übertragen ...

Das ist wahr. Wenn du HÜSKER DÜ hörst, erkennst du, dass sie manchmal etwas roher waren, aber beide Anteile hatten, elektrische wie akustische. Das wollte ich auch machen, wie die VIOLENT FEMMES.

Mir kam es jedenfalls so vor, als hätten EVEN IN BLACKOUTS den umgekehrten Ansatz: Nämlich den üblichen Pop-Punk akustisch abzubilden.

Ich liebe einfach die Klänge, die man dabei erhält: Du hörst andere Töne und Noten, die du nicht heraushören würdest, wenn es verzerrt wäre. Mir gefällt diese unerschrockene Selbstbetrachtung. Dadurch tun sich sehr viele Tore auf, und je mehr ich mich dem musikalischen Selbstgespräch hingebe, werde ich vom Pop-Punk fortgezogen, ein ohnehin überstrapazierter Begriff. Nicht absichtlich, es ist ein ganz natürlicher Prozess.

Letztlich spielt ihr dennoch mit dem Klang. Ihr könnt zart und weich sein, um dann eine noch größere Wucht zu entfalten.

Das will ich auch so. Es ist einerseits Bice, unserem neuen Schlagzeuger, geschuldet, und ich hoffe, dass Phil das künftig in der Produktion deutlicher ausarbeiten wird. Ich möchte stärker mit den Extremen spielen. Das geschieht zwar bereits auf "Zeitgeist's Echo", jedoch nicht in dem Maße, wie ich es mir wünsche.

Kannst du mir ein Beispiel nennen für den Widerhall des Zeitgeistes?

Es ist ein deutsches Wort und hat viele Bedeutungen. Mir schwebte vor, zu entlarven, dass viele Leute den Zeitgeist, das Neue, in Trends des Mainstreams zu erkennen glauben. Das Neue entsteht jedoch im Untergrund und so ist der vermeintliche Zeitgeist in Wirklichkeit ganz und gar nicht auf der Höhe der Zeit, sondern nur eine Spiegelung vergangener Zeiten, auch wenn es für sie gegenwärtig erscheinen mag. Ehrlich gesagt will ich damit nicht behaupten, unsere Band wäre die Zukunft, es soll vielmehr ausdrücken, dass man vermeiden sollte, den Trends zu folgen. Es wäre mir leicht gefallen, das Weasel-Ding fortzuführen und es hätte mühelos Erfolg versprochen. Doch ich musste tun, was mir mein persönlicher Zeitgeist befahl.

Ironischerweise hatten SCREECHING WEASEL hierzulande nie die Bedeutung, die sie in den USA hatten. Ich führe das darauf zurück, dass die Band niemals hier gespielt hat. Du bist nun offensichtlich zum zweiten Mal hier. Genießt du es, dass hier weniger Aufsehen um deine Person gemacht wird?

Das mag für Deutschland gelten, in Spanien und Italien ist das Interesse größer, als es in den USA jemals war. Es ist ein Phänomen, dass es so ungleich verteilt ist. An manchen Orten sahen die Leute wohl die RIVERDALES im Vorprogramm von GREEN DAY, brachten sie nach diesem Vorgeschmack mit den RAMONES in Verbindung und müssen so auf SCREECHING WEASEL gestoßen sein. Es ist ein zweischneidiges Schwert, ob mir das gefällt. Natürlich wäre ich gern populärer, um sehr viel mehr Platten verkaufen zu können. Aber selbstverständlich gefalle ich mir in der Rolle des Underdogs, der kämpfen muss, um etwas zu erreichen. Es ist schön, wieder am Anfang zu stehen, um mir wieder selbst etwas beweisen zu können.

Wann kam die Idee zu akustischer Musik? Ich vermute, bereits in der Endphase deiner alten Band?

Ja, es gab mehrere Pläne dafür. Der Auslöser war unsere Reunion-Show im House of Blues. Wir spielten vor einem gigantischen Publikum von 3.000 Leuten und es war aufregend, aber im Verlaufe des Abends verspürte ich den Wunsch, etwas Kleineres zu machen, das Gegenteil davon. Was auch immer ich zu tun beabsichtigen würde, vor meinem inneren Auge sah ich einen kleinen Raum ohne Elektrizität. EVEN IN BLACKOUTS - selbst bei Stromausfällen.

Wie setzt ihr das Akustische auf der Bühne um?

Wir setzen es sehr laut um. Mittlerweile ist selbst die zweite Gitarre elektrisch mit Hohlkorpus. Ich bin im Grunde der letzte, der akustisch spielt. Wenn wir aber Wohnzimmerauftritte haben, wie erst kürzlich, dann sind wir vollständig akustisch. Bice tritt dann lediglich mit Snare und Becken auf und ein Kontrabass kommt zum Einsatz. Doch heute Abend werden wir lauter sein als auf der CD: elektrisierend.