REGISTRATORS

Wir schreiben das Jahr 1995. Es ist ein heißer Sommertag an dem ich mich, aus Gründen die ich im mysteriösen Dunkel lassen will, im winzigen Studio eines Nimwegener Piraten-Radiosenders befinde. Die Sendung, die gerade live durch die Antenne geht, heißt RADIO X, ein Name, der dreisterweise vom legendären San Franciscoer Lo-Fi-Punk Label, das ´91 die erste SUPERCHARGER-LP veröffentlichte, gestohlen wurde. Immerhin gibt er unmißverständlich die programmliche Richtung der Sendung an: Punkrock, der alte Klabautermann, der schlägt hier den Takt!

Zwei Typen hocken geduckt hinter den Plattenspielern und anderem Technik-Kram. Der eine heißt Jan X, der andere schlicht Edwin. Ich kann es heute nicht mehr mit allerletzter Sicherheit sagen, aber ich meine mich zu erinnern, daß es der letztgenannte ist, der plötzlich eine Platte aus einem Schober nimmt, eine kleine Platte, eine 7" oder 45er, wie man auch sagt, ist es. Er legt sie auf, setzt den Teller in Bewegung, versenkt schließlich die Nadel in der bewegten Rille, und dann macht es auf einmal Rackaracka und nichts ist mehr wie vorher. Das Blut schießt mir in die Ohren und ich höre die Engel singen oder auch Teufelchen Gitarre spielen, ich höre, verdammt noch mal, den Song "Girl Girl Girl" von den REGISTRATORS!

So traten die japanischen Titelhelden dieser Story in mein Leben. Und wer den Song "Girl Girl Girl" kennt und den Rock´n´roll liebt, kann nachvollziehen, wieso ich hier so einen effekthascherischen Wind darum mache. Zu finden ist der Song auf der gleichnamigen Single, erschienen auf dem Tokyoter Mangrove-Label. Die Produzenten-Credits auf der Rückseite des Covers geben einen "Fink" an, und der spielte bekanntermaßen bei Nippons großen LoFi-Garage-Punk-Pionieren TEENGENERATE. Das gibt wiederum einen Hinweis auf den Sound der REGISTRATORS, die hören sich nämlich ganz genau so an wie ihre berühmten Landsleute. Zumindest fast genauso, es gibt da natürlich noch feine aber entscheidende Unterschiede. Was einen Song wie den schon mehrmals erwähnten beispielsweise auszeichnet, ist die Verbindung von TEENGENERATE´schem (oder auch verwandtem) Garagen-Rabatz mit erfrischender, dem Genre eher unbekannter Catchiness. Ich möchte wirklich nicht zu etwas so verwerflichem aufrufen, wie seine Zeit damit zu vergeuden in Mailorderlisten und Plattenläden rumzustöbern, wenn man seine Flossen aber einmal zufällig auf dieser Scheibe wiederfinden sollte, wäre es dringend zu empfehlen diese erst wieder davon lösen, sobald die Tür des heimischen Musikzimmers hinter einem ins Schloß schnappt.

Das kann man notabene über die Veröffentlichung sagen, die mir als nächstes an der Hand kleben blieb. Wiederum eine 7" auf einem japanischem Label namens Wallabies Records, und diesmal hieß der Hit der Platte "I Call Your Name". Auch der war zu gleichen Teilen gemixt aus Karacho, Krach und Melodie (letzteres selbstverständlich in angemessen rudimentärer Form, das geht natürlich nicht so leicht ins Ohr wie Peter Alexander!) und vorgetragen mit beeindruckendem Elan. Spätestens mit diesem Titel hatte sich die Band ihr Fähnchen auf der Budgetrock-Landkarte verdient.

Wer mich und meinen journalistischen Stil kennt, weiß, daß ich Details bio-, biblio- oder auch, wie in diesem Fall, diskographischer Art gerne dem großen Gemälde einer Gesamtentwicklung opfere. So verfahre ich auch hier und zähle deshalb nicht - wie Erbsen! - jede einzelne Single auf, die die Band ansonsten noch so veröffentlicht hat. (Dafür habe ich übrigens noch einen anderen überzeugenden Grund: ich kenn´ gar nicht alle!) Stattdessen möchte ich den Leserblick gleich auf den entscheidenden Karrieresprung lenken, den die Asiaten vollführten, nachdem Greg "Ich steh´ nicht mehr so auf LoFi" Lowery, das alte Warzenschwein, (ist echt nur liebevoll gemeint!) von Rip Off Rec sich in sie verliebt hatte. Er holte die REGISTRATORS in der Folge nicht nur zum Rip Off Rumble nach Kalifornien, kochte für sie und massierte ihnen die Schultern (doch doch!), sondern presste auch sowohl eine weitere Single ("Monkey"/"Stupid Girl"), als auch die Debüt-LP "Terminal Boredom". Zu beiden Veröffentlichungen ist zu sagen, daß der Catchiness-Faktor, der noch die ersten Veröffentlichungen so auszeichnete, etwas verloren gegangen ist. Leider, wie ich persönlich meine, hatte das die Hit-Qualitäten des Punk-Quartetts doch erst so richtig ausgemacht. Aber auch dieses Material weiß zu überzeugen, da die Abnahme der Melodiösität durch den verschärften Einsatz von Hysterie aufgefangen wurde. Dadurch kamen solch hochenergetische Klassiker wie "Pogo Machine" oder "Chainsaw Love" zustande, die das Erstlings-Album zu einem obligaten Bestandteil einer jeden Punkrock-Kollektion machen.

Soweit also die Historie der Band ´till now! Das Jahr 1998 sollte nun aber eine neue Herausforderung für die Rock´n´roller aus Fernost bereithalten: die Eroberung eines weiteren Kontinents stand auf dem Masterplan. Hesperien, wie der Poet es einst kannte, wollte genommen werden, oder auch einfach Europa betourt. Es sollte sich also Gelegenheit genug bieten, der japanischen Schule des Budgetsound beim Unterricht beizuwohnen und ihr vielleicht auf die Schliche zu kommen. Das könnte man beispielsweise recht effektiv, indem man einfach ein Interview machte. Und genau das, meine lieben Freunde, habe ich getan!

Nach ihrem Auftritt im seinerzeit noch florierenden Duisburger Mono - Gott hab´ es selig! - bat ich die Band um Stellungnahme zu meinen eigens auf einen Wisch geschmotzten Fragen. Das gestaltete sich weit schwieriger als erwartet, sind die Englischkenntnisse der Boys doch eher schwach ausgeprägt und beschränken sich hauptsächlich auf Rock´n´roll-Topoi wie "Baby", "Girl" oder "Action", also die Vokabeln, aus denen sie auch ihre Texte zusammenpfriemeln. (Doch keine eurozentristische Häme von dieser Stelle, die kommen schließlich aus Asien, und das ist nicht nur weit weg, da sehen sogar die Buchstaben ganz anders aus!) Die Kommunikation blieb also bruchstückhaft, aber was soll´s, ich wollte mich ja schließlich nicht über Atomphysik mit denen unterhalten, und für ein paar gepfefferte Greg Lowery-Zoten braucht´s nicht viele Worte.

Aber auch viele Fragen lassen sich recht einsilbig beantworten. So bekam ich auf meinen soliden Eisbrecher zum Gesprächseinstieg (schlicht, dennoch kenntnisbeweisend und zu Inhalten hinführend!), "Wer ist denn die "Pogo Machine"?, ein verblüffendes "Ich!" zu hören. Damit hatte ich gar nicht mal gerechnet. Bei einer komplexeren Fragekonstruktion - die nebenbei eine brennende persönliche Herzensangelegenheit meinerselbst war - ob nämlich, wie ich gehört hatte, Europäer für asiatische Nasen nach Käse riechen (wg. des hohen Verzehrs von Milchprodukten hierzulande), stellte sich unsere kommunikative Basis allerdings als unzulänglich heraus.

Dennoch habe ich beim Abhören des Interview-Tapes noch einige Fakten sichten können, von denen manche für das Thema dieses Elaborats allerdings eher irrelevant sind (wie z.B. der, daß sich mein Mitbewohner Frank weigert mir ein Käsebrot zu schmieren, weil das nicht sein Job wäre, sein Job wäre es Bier zu trinken, usw. - man kennt solche Diskussionen.) Alles in allem bleiben dann immerhin zwei, äh, "Fakten" übrig, die ich hier nun exklusiv veröffentlichen werde.

1. Die REGISTRATORS lehnen "girls" über 24 Jahren (sic!) ab, da diese "not good" seien.

2. Die neue LP soll nächstes Jahr rauskommen. Sie soll nicht mehr lo-fi sein und wir sollen uns überraschen lassen. (Ach du Scheisse, na das wird ´ne Überraschung sein! Nicht mehr lo-fi!! Denken die jetzt auch, sie müßten sich "weiterentwickeln"?! Das gibt ein Unglück, denkt an meine Worte!)

Mit dieser Faktenausbeute konnte ich natürlich nicht zufrieden sein, schließlich bleut uns unser Chefredakteur hier immer den Satz ein, "Fakten, Fakten, Fakten, und immer an die Leser denken!" Nun, ich verschwende meine Zeit sicherlich nicht damit, an das degenerierte Punker-Pack zu denken, das dieses Wurstblatt mutmaßlich liest, aber seine Fakten sollte er kriegen, der Hiller. Zu diesem Zweck faßte ich den Plan, mich als Mitglied einer Vorband zu verkleiden, mit denen die REGISTRATORS noch zwei Auftritte absolvieren sollten. Auf diese Weise, dachte ich mir, müßte es doch möglich sein, noch ein paar für die Leser interessante Inside-Informationen zu beschaffen.

Gesagt, getan! In der Larve eines Support-Band Musikers sah ich die Japaner sodann in der Popmusik-Hauptstadt Köln und - als Kontrastprogramm - in der sauerländischen Provinz, in Attendorn.

Der Auftritt im Kölner Underground war zum Auftakt gleich ein lustiger Flop, hatten die REGISTRATORS aufgrund der nachfolgenden "Indie-Disco" doch das zweifelhafte Vergnügen, zu vollkommen unüblicher, ja geradezu bizarr früher Zeit zu spielen. Das hatte zur Folge, daß sie vor einem kümmerlichen Häufchen von armen Seelen spielen mußten, die wohl ein kalter, spätherbstlicher Wind in die alte Werkstatt geweht hatte. Das tat die Band dann aber mit einer typisch japanischen Arbeitseinstellung (auch wenn die zu Hause aber wohl eher den Verweigerungsweg gehen und sich angeblich, wie mir einer erzählte (Hey, noch ein Fakt! Denn hätt´ ich glatt vergessen.)), von Familie und "rich girlfriend" aushalten lassen). An diesem Abend kam ich schließlich nicht mehr zu neuen Erkenntnissen, die ich hier ausplaudern könnte. Aber am nächstenTag wartete ja noch eine Chance!

Die Stadt Attendorn kennen sicherlich einige, die in Nordrhein-Westfalen mal zur Schule gegangen sind, von einer Klassenfahrt. Dort gibt´s nämlich die berühmte Atta-Höhle zu bestaunen (Irgendwie ein dämlicher Name...). Mittlerweile gibt´s da außerdem noch ein großes Jugendzentrum mit Kinderhort und Mädchengruppe und freundlichen Sozialarbeitern, die sich um alles kümmern. Was es schließlich in Attendorn auch noch gibt - und damit beende ich die Inventarliste nun auch - sind engagierte Jugendliche mit nonkonformistischem Musikgeschmack, sprich Garage-Punk! Diesen Jugendlichen und ihrer Konzertgruppe, in Verbindung mit dem Jugendzentrum (und - nicht unwichtig! - seinem Finanz-Etat) ist es also zu verdanken, daß die REGISTRATORS auf ihrer Tour auch mal vor jungen Sauerländern ihr Können beweisen dürfen. Viele sind natürlich nicht gekommen, kommen ja nie, aber so ist das nun mal mit den Perlen und den Säuen. Und wen kümmert´s schon, die Band jedenfalls nicht, die Gage ist ja fix!

Überhaupt ist so ein Auftritt in einem gut ausgerüsteten Jugendzentrum eine feine Sache. Es gibt genug zu essen, Tischfußball zur Zerstreuung und ´nen rieeeesen Schlafsaal für´s echte Jugendherbergsgefühl. In dem sollte sich später übrigens noch eine witzige Episode abspielen (Also zumindest ich finde die witzig!), von der ich sogleich berichten werde. Zuvor aber noch den Abend zu Ende erzählt und ein Fazit gezogen!

Zum Auftritt muß man nicht viel sagen, routiniert aber ob des kleinen Publikums nicht übertrieben enthusiastisch. Im Anschluß daran wurde viel Tischfußball gespielt, aber wie beim Vorbild auf Rasen sind die Japaner den Langnasen auch hier noch unterlegen.

Die REGISTRATORS sind eigentlich eher ruhige Leute. Sie sprechen meist gedämpft und benutzen dazu lustige, gehauchte Gutturallaute. Alkohol trinken sie kaum und nach ihren Auftritten hauen sie sich am liebsten gleich auf´s Ohr, wie mir ihr dänischer Fahrer Henryk, der übrigens bei SHAKE APPEAL spielt, erzählte. Und genau das - Achtung, ich erzähle jetzt die lustige Episode! - wollte der Schlagzeuger doch tatsächlich auf mein Kissen tun, also sein Ohr draufhauen, meine ich jetzt. Ich komme da so nichtsahnend in den Schlafsaal rein (Ihr wißt, ich war ja in meiner Tarnung als Musiker unterwegs!), da muß ich mitansehen, wie der Typ sich gerade mein Kissen zurechtlegt, um sich jeden Moment daraufzustürzen. Der Schreck fährt mir in die Glieder, was soll ich tun? Ich will zu diesem netten Mann aus Fernost auf keinen Fall unfreundlich sein, aber mein Kissen hergeben?! Das ging natürlich auch nicht, also bin ich doch hin und hab´ was von Schmusekissen und so erzählt, da hat er es dann auch gleich ausgehändigt.

Also das war doch jetzt wirklich lustig, oder?!