RED SCARE RECORDS

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Der wahre Geist von Punkrock

Red Scare Industries aka Red Scare Records ist ein Punkrock-Label, das im Jahr 2004 von Tobias „Toby“ Jeg ins Leben gerufen wurde. Toby arbeitete viele Jahre bei Fat Wreckords, bevor ihn sein alter Freund Brendan Kelly von LAWRENCE ARMS anrief. Er war auf der Suche nach einem unbekannten Label, um die erste EP seines neuen Projektes THE FALCON zu veröffentlichen. Toby dazu in einem Interview: „Brendan rief mich an, er hatte nicht wirklich eine Band zusammen und ich hatte nicht wirklich ein Label. Trotzdem brachte das den Stein ins Rollen und schließlich haben wir die Scheibe veröffentlicht – Red Scare 101, THE FALCON – God Don’t Make No Trash – oder – Up Your Ass With Broken Glass.“

Danach ging es Schlag auf Schlag mit neuen Scheiben von TEENAGE BOTTLEROCKET, THE METHADONES, THE COPYRIGHTS und BULLETS TO BROADWAY und Re-Releases alter Klassiker wie THE LILLINGTONS und ENEMY YOU. Alles Platten, die mich auf Anhieb begeisterten, zeichnen sie sich doch durch straighten und einfachen, aber erstklassig gemachten melodischen Punkrock aus. Ich wurde „Fan“ von Red Scare. Im Laufe der Zeit hat sich das Repertoire des Labels durch Bands wie die COBRA SKULLS, SUNDOWNER oder LA PLEBE um diverse Einflüsse erweitert (Ska, Reggae, Folk, Pop). Unter dem Strich bleibt dennoch der Eindruck, und die veröffentlichten Platten untermauern dies, dass hier Menschen am Werk sind, die ihrer Ursprungsidee eines Labels für gute Underground-Bands treu bleiben. Als weiteres Indiz dafür wertete ich die Tatsache, dass es lange Zeit sehr schwierig war, Tonträger von Red Scare Records in Deutschland zu bekommen. Selbst die gängigen Mailorder des Genres taten sich offensichtlich schwer. Inzwischen hat sich das Ganze verändert, Qualität spricht sich halt rum und Beharrlichkeit zahlt sich offensichtlich aus.

Hattest du eine „Philosophie“, als du damals dein Label Red Scare ins Leben gerufen hast? Und hat diese heutzutage noch eine Bedeutung?

Ich würde sagen, es gab zwei Haupteinflüsse, als ich mit Red Scare begann. Der erste kam von Fat Wreck Chords und Fat Mike von NOFX. Ich habe über sieben Jahre für Mikes Label gearbeitet und immer den „Künstler-freundlichen“ Umgang bewundert. Es gab sehr viel Kameradschaft und positive Stimmung. Es war einerseits eine großartige Entwicklung für die Leute möglich, die für die Bands arbeiteten, und es herrschte eine äußerst kreative Atmosphäre für die Bands selbst. Das andere Label, welches Red Scare wirklich beeinflusst hat, ist PROPAGANDHIs G7 Welcoming Committee. Ich habe es immer so empfunden, dass die „Punk-Gemeinschaft“ nach „linken“ Gesichtspunkten ausgerichtet sein und für Fortschritt innerhalb der Szene und der Welt um uns herum arbeiten sollte. Ich bin mir nicht sicher, ob wir als Label bislang etwas Spezielles bewirkt oder getan haben, aber ich bin besonders stolz auf Bands wie die COBRA SKULLS oder LA PLEBE, die eine „Message“ haben. Neben der Tatsache, dass diese Labels einen Einfluss hatten, versuchen wir einfach, großartige neue Bands zu entdecken, die Unterstützung benötigen und ihre Musik mit der Welt teilen sollten.

Wie muss man sich den Red Scare-Alltag vorstellen?

Red Scare ist hauptsächlich eine Ein-Mann-Operation, aber mein Freund Brendan Kelly von LAWRENCE ARMS hilft mir bei vielen Sachen. Es ist gut, jemanden von einer Band zu haben, der Hilfe aus einer kreativen Perspektive anbieten kann. Und Brendan ist jemand, dem die Bands unseres Labels vertrauen und den sie respektieren. Um ehrlich zu sein, haben wir nicht viel von einem durchorganisierten Geschäftsmodell. Wir bekommen viel Unterstützung von Freunden und den Bands, wir versuchen und betreiben Red Scare tatsächlich wie ein großes Kollektiv, solange uns dies möglich ist. Ein richtiges Büro habe ich übrigens nicht, nur einen Raum in meiner kleinen Wohnung in Chicago, wo wir den ganzen Kram von Red Scare horten. Es ist nicht sehr beeindruckend, aber wir haben noch genug Platz für Bands, die auf Tour sind und bei uns übernachten wollen. Ich glaube, sie schätzen das, auch wenn es nicht sehr komfortabel ist. Das einzig wirklich Bemerkenswerte am Red Scare-„Büro“ ist, dass ich über einer Bar wohne, die meiner Freundin gehört. Wir haben da unten ziemlich viel Spaß. Ich bin sicher, dass Labels wie Epitaph oder Victory tolle Büros mit einigen Goldenen Schallplatten an der Wand haben, aber sie haben keine komplette Bar am Start, die jede Nacht für die Bands geöffnet hat!

Und lebst du von Red Scare oder arbeitest du nebenbei?

Ich lebe nicht per se von Red Scare, ich habe noch einen anderen Job. Wenn das Label Gewinn macht, investiere ich in das Label und die Bands. Es wäre schön, wenn ich vom Verkauf der Musik leben könnte, aber das ist in Zeiten von Filesharing nicht möglich. Es ist in meinen Augen auch viel wichtiger, dass die Bands von ihren Plattenverkäufen leben können, denn sie sind diejenigen, die hart dafür arbeiten und etwa während einer Tour bei anderen Menschen auf dem Boden schlafen. Aber was willst du machen, die Leute sind nicht mehr bereit, viel Geld für Musik auszugeben – und ich fange deshalb nicht an herumzuheulen.

Trifft euch das Downloaden und Filesharing denn hart?

Ja, Downloading schadet Bands und Label gleichermaßen. Wir müssen neue Wege finden, Aufnahmen und Herstellung von Platten zu finanzieren, aber wir kriegen das immer noch auf die Reihe. Ich möchte trotzdem sagen, dass ich, im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen, daran glaube, dass es in naher Zukunft eine Lösung für dieses Problem geben wird. Im Moment wird an einer internationalen Übereinkunft gearbeitet, die sich ACTA nennt. Diese Übereinkunft wird einen großen Einfluss auf Piraterie und Filesharing haben. Die Ironie für uns ist die, dass die Musik nichts mit dieser Implementierung zu tun haben wird. Es ist die Film- und Videospiel-Industrie, die diese ganzen Sachen durchdrücken wird. Denn diese Firmen haben ungleich mehr Geld zu verlieren, falls die Piraterie in dem Maße wie zur Zeit weitergehen wird.

Du sprachst die Finanzierung der Aufnahmen an. Viele Labels sagen heute, das sei Sache der Band. Und du?

Ja, Red Scare bezahlt üblicherweise den Studioaufenthalt. Viele unserer Platten sind hier in Chicago im Atlas-Studio entstanden, produziert von Matt Allison. Er hat Alben mit so coolen Bands wie ALKALINE TRIO und LESS THAN JAKE gemacht. COBRA SKULLS, THE FALCON, THE COPYRIGHTS und andere haben Platten bei Atlas aufgenommen. Irgendwie mögen die Bands das Studio und auch Chicago – wohl wegen des ganzen Freibiers, haha.

Glaubst du, dass ihr euren Standard als selbstständiges, unabhängiges Label auf lange Sicht halten könnt?

Wir haben ja keine Alternative dazu, als D.I.Y.-Label zu agieren und zu funktionieren. Ich glaube, es ist der positive Nebeneffekt der sterbenden Musiukindustrie, dass Label und Manager nicht mehr die Option haben, gierig zu sein. Ich möchte nicht unbedingt, dass das Label groß wird und mich reich macht, sonbdern nur, dass das Label gut genug läuft, um weiterhin alle Scheiben zu finanzieren und genug Geld zu haben, um die Bands zu bezahlen.

Wie viele Platten verkauft Red Scare denn so?

Ich schätze, dass die größeren Bands so um die 10.000 Alben verkaufen. „Unicornography“ von FALCON ist wohl die meist verkaufte Platte von allen. TEENAGE BOTTLEROCKET und COBRA SKULLS laufen auch gut.

Und wer kümmert sich um den Vertrieb?

Mein Vertrieb ist das „Independent Label Collective“ mit Sitz in Richmond, Virginia. Da sind noch viele andere Independent-Labels wie Asian Man, Chunksaah, Sympathy For The Record Industry oder Frontier Records involviert. Es ist die letzte Heimat für den Vertrieb von unabhängiger Musik in diesem aussterbenden Sektor, aber ich glaube, dass wir als Einheit gut funktionieren.

METHADONES, LILLINGTONS und TEENAGE BOTTLEROCKET hatten einen für mich „typischen“ Red Scare-Sound. War es das, was du wolltest?

Das ist eine gute Frage und etwas, was ich schon oft gehört habe. Das Label wurde nicht als „Pop-Punk-Label“ gegründet, das war nicht die beabsichtigte Ausrichtung. Aber wir haben mit einer Menge dieser Bands gearbeitet, weil es kein anderes Label gab, das sowas zu der Zeit veröffentlicht hat, denn es war nicht „cool“. Wir haben uns nie um Trends gekümmert, wir wollten immer nur mit guten Punkbands arbeiten. Glücklicherweise waren die Leute auch interessiert an Musik, die nicht den „populären Trends“ der Zeit entsprach. Das war für uns damals ein echt viel versprechender Start. Wenn ich eine Band nennen sollte, die dafür steht, was wir versuchen, mit Red Scare zu vertreten, dann sind das RANDY. Ich liebe diese verdammte Band! Kann irgendjemand den Jungs nahe legen, eine 7“ oder etwas ähnliches auf Red Scare zu veröffentlichen?

Einige frühe Bands von euch haben sich aufgelöst oder das Label gewechselt. Kommen genug interessante Bands nach, seid ihr viel unterwegs und auf der Suche?

Ja, wir schauen uns immer nach neuen Bands um. Ich glaube, es ist wichtig, die Bands zu erkennen, die einen „frischen Wind“ mit sich bringen, die hart dafür arbeiten, etwas Neues auszuprobieren oder einzubringen. Nichts gegen die Etablierten wie SOCIAL DISTORTION oder RANCID, aber wir hoffen immer, die nächste großartige Punkband zu entdecken.

Könntest du dir einen Grund vorstellen, aus dem du einer Band sagst: „Sorry, mit euch nicht!“

Ich möchte nur mit Bands arbeiten, von denen ich glaube, dass sie gute Musik machen. Im Englischen sagen wir dazu: „Don’t call us, we’ll call you.“

Ist es schwer, Bands zu halten, die populärer werden, wie zum Beispiel TEENAGE BOTTLEROCKET?

Überhaupt nicht, und genau das ist der Plan. Es ist überhaupt nichts Falsches daran, ein Label zu sein, welches junge Bands unterstützt und ihnen dabei hilft, von größeren Labels wahrgenommen zu werden. Wie ich schon gesagt habe, wir wollen coole Bands herausbringen und gute Musik mit anderen Menschen teilen. Und wenn ein größeres Label mit einer Red Scare-Band arbeiten möchte, dann ist das super für die Band und toll für uns. Ich würde niemals eine Band zurückhalten und bin glücklich, wenn sich unsere Freunde weiterentwickeln – auf allen Ebenen.

Gibt es Verträge, die beispielsweise für mehr als eine Platte bei Red Scare ausgelegt sind?

Wir haben nicht einmal Verträge, geschweige denn „multi-record deals“! Die meisten Bands, mit denen wir arbeiten, sind Freunde von uns und wir benötigen keine Rechtsanwälte oder irgendwelchen Papierkram. Ich weiß, das klingt wahrscheinlich naiv, aber ich glaube, dass Vereinbarungen, die durch Freundschaft und Vertrauen geprägt sind, den wahren Geist von Punkrock ausmachen. Um ganz offen zu sein, benutzen wir meist eine einfache, schriftliche Vereinbarung mit den Bands, die neu bei Red Scare sind, damit sie sich sicher fühlen. Aber auch das ist nur ein einfacher Paragraph, der auf Kommunikation und Fairness basiert.

Welche Rolle spielt für dich das Livegeschäft?

Ich manage die Tourneen von Bands wie THE LAWRENCE ARMS, TEENAGE BOTTLEROCKET und COBRA SKULLS. Es ist großartig, auf Tour zu gehen, die verschiedenen Städte zu sehen, Leute auf den Shows zu treffen. Wahrscheinlich ist dies meine liebste Seite an der ganzen Punkrock-Label-Geschichte: rausgehen, Menschen treffen, reden, schauen, wie deren ganz spezifische Punk-Szenen aussehen, was sie veranstalten und so weiter. Ich würde auch gerne mal mit einer meiner Bands nach Europa auf Tour gehen. Ich lebte lange Zeit in Europa, da meine Eltern von dort kommen, aber ich bin nie dort auf Tour gewesen und fände es cool, all die Clubs und die Szene dort kennen zu lernen.

Welche Platten können wir in nächster Zeit erwarten?

Unsere nächste Veröffentlichung wird eine SWINGIN’ UTTERS-Tribute-CD sein mit so tollen Bands wie DROPKICK MURPHYS, FUCKED UP, USELESS ID, STREET DOGS, oder COBRA SKULLS. Außerdem werden wir neue Platten von THE MENZINGERS, THE COPYRIGHTS und DRUGLORDS OF THE AVENUES zu veröffentlichen.