HORRIBLE CROWES

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GASLIGHT ANTHEM light?

Den meisten Lesern dürfte Brian Fallon als Sänger und Songwriter von GASLIGHT ANTHEM bekannt sein. Darüber hinaus trat er bereits einige Male mit Chuck Ragan im Rahmen von dessen „Revival-Tour“ auf, betonte dabei aber stets, kein eigenes Soloalbum aufnehmen zu wollen. Nun ist genau das aber passiert. Brian Fallon nutzte eine kurze Pause seiner Band, um gemeinsam mit seinem Freund und Gitarrentechniker Ian Perkins HORRIBLE CROWES ins Leben zu rufen. Am Rande einer GASLIGHT ANTHEM-Show ergab sich Ende Juni die Möglichkeit, im Berliner RAMONES-Museum mit Brian über sein neues Projekt und dessen Debütalbum „Elsie“ zu reden.

Wie ist es so, mit einer Band unterwegs zu sein und den ganzen Tag lang Interviews über ein völlig anderes Projekt zu geben?

Es ist merkwürdig. In den letzten Wochen habe ich mich schon einige Male gefragt, ob ich dieser Typ hier bin oder jener dort. Mittlerweile weiß ich, dass beide Personen im gleichen Körper wohnen. Wichtig ist nur, zu wissen, wer gerade am Steuer sitzt.

Sind HORRIBLE CROWES ein Zeitvertreib oder ein auf Dauer angelegtes neues Projekt?

Es ist etwas Neues, das ich weitermachen will. Ich würde gerne beide Sachen gleichzeitig parallel machen. Während die einen auf Tour sind, würden die anderen nichts machen. Alle Mitglieder von GASLIGHT ANTHEM touren nicht mehr so oft wie früher. Das liegt vor allem daran, dass man die Kids nicht mit Konzerten erschlagen kann. So lange man noch eine kleine Band ist, kann man ständig auf Tour sein, weil man letztendlich immer vor neuen Leuten spielt. Erreicht man dagegen ein gewisses Level, kann man das meiner Meinung nach nicht mehr fortführen. Spielst du regelmäßig vor 1.000 bis 2.000 Leuten, ist es wichtig, dir zu vergegenwärtigen, dass diese Leute jedes Mal zu deinen Konzerten kommen, wenn du in der Stadt bist – oder zumindest hofft man das als Band. Ab da ist es nicht mehr fair, sie ständig Geld zahlen zu lassen, damit sie immer wieder die gleichen Sachen hören. Deshalb denke ich, dass man jemand anderem solange die Bühne überlassen sollte, bis man etwas Neues vorweisen kann. Irgendwann habe ich angefangen, mich zu fragen, was ich in der Zwischenzeit machen soll. Ich wollte schon lange etwas im Stil von Tom Waits machen. Ich habe mit Ian mal darüber geredet, um zu sehen, was sich daraus ergeben könnte. Wir haben dann letztes Jahr die Zeit im Bus dafür genutzt, an Songideen zu arbeiten, so dass die Lieder für „Elsie“ auf der ganzen Welt entstanden sind. Außerdem sind GASLIGHT ANTHEM mittlerweile relativ groß geworden, während das neue Projekt noch ganz am Anfang steht. Es gibt überhaupt keinen Druck, weil uns noch niemand kennt, sondern es macht einfach nur Spaß.

Wenn wir schon bei Konzertbesuchern sind, denkst du, dass die gleichen Leute zu beiden Bands kommen würden?

Irgendwie hoffe ich, dass beide Bands ihre eigenen Fans haben werden. Menschen, die auf Nick Cave, die AFGHAN WHIGS oder P.J. Harvey stehen, kennen GASLIGHT ANTHEM vielleicht gar nicht. Ihnen könnte das neue Projekt gefallen. Beide Sachen sind unterschiedlich genug, um verschiedene Leute anzusprechen. Und um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, ob GA-Fans die HORRIBLE CROWES überhaupt mögen werden. Oder kommen doch die gleichen Kids und fordern nach ein paar Minuten „The ’59 Sound“, so dass ich ihnen erst mal sagen muss, dass das eine andere Band ist?

Was wäre deine Reaktion darauf?

Ich glaube nicht, dass wir als HORRIBLE CROWES diese Songs spielen würden, aus Respekt vor GASLIGHT ANTHEM. Irgendwie wäre das den anderen Jungs gegenüber nicht fair. Außer wir spielen vielleicht eine abgedrehte Version, mit Akkordeon und Polka-Beat, oder so.

Wie haben deine Jungs von GASLIGHT ANTHEM auf THE HORRIBLE CROWES reagiert?

Anfangs hatte ich den Eindruck, dass sie etwas nervös waren. Dann fanden sie es okay, und mittlerweile werden sie wieder etwas nervös, glaube ich. Ich kann es nachvollziehen, schließlich liegt uns allen sehr viel an unserer Band. Ich bin aber überzeugt, dass ich genug Ideen und Ausdauer für beide Bands habe, so dass es problemlos und ohne Beeinträchtigungen funktionieren müsste. Sollte ich aber irgendwann doch merken, dass ich in einen kreativen oder zeitlichen Konflikt gerate, wäre es das Ende von den HORRIBLE CROWES. Vielleicht fragen sie sich einfach, was passieren würde, wenn das neue Projekt auf einmal Erfolg hätte. Ich weiß es nicht, aber ich denke nicht, dass es GASLIGHT ANTHEM schaden würde.

Gab es irgendwelche Beschwerden, weil du eine Songidee für das neue Projekt benutzt hast, statt es für das nächste GA-Album zu verwenden?

Nein, ich habe ihnen die Demos vorgespielt und sie gefragt, ob sie etwas davon für GASLIGHT ANTHEM benutzen möchten. Ich hätte auch mit dem neuen Projekt nicht angefangen, wenn jemand etwas dagegen gehabt hätte. Sie haben mir aber gesagt, ich solle es auf jeden Fall machen. Am Ende haben alle von GASLIGHT ANTHEM etwas auf dem Album eingespielt. Es war gut, die Jungs mit im Studio zu haben. Ian und ich hätten natürlich auch jeden anderen fragen können, aber so hat es sich familiärer angefühlt.

Du hast mehrfach gesagt, du würdest nie ein Soloprojekt starten. Ist Ian so etwas wie eine Ausrede, damit es nicht ein reines Brian Fallon-Soloalbum ist?

Vielleicht ... Nein, das stimmt natürlich nicht. Ian war mein Partner bei dieser Sache. Ich denke nicht, dass ich es ohne ihn alleine so hinbekommen hätte. Er hatte viele Ideen, und er hat mir dabei geholfen, meine unterschiedlichen Ideen zu bündeln, indem er mir gesagt hat, worauf ich mich beschränken und wie ich was ändern sollte. Ich saß am Klavier und spielte komplizierte Teile, und er kam rein und sagte, ich solle stattdessen einfach zwei Töne spielen. Und so klang es dann viel besser. Zudem ist Ian ein großartiger Musiker und beherrscht jedes Instrument besser, als ich es jemals spielen könnte. Wir haben uns bei den Aufnahmen die Sachen aufgeteilt, und er hat großartige Sachen eingespielt. Er hat mir auch mit dem Artwork geholfen. Ian ist bei den HORRIBLE CROWES kein Nebendarsteller, er ist genauso ein Teil des Projekts wie ich. Ich habe mit der Aussage gemeint, dass ich kein Akustikalbum aufnehmen möchte. Tim Barry und Chuck Ragan haben damit angefangen, das war ihr Ding, und sie, Ben Nichols oder Dave Hause machen andere Sachen. Mittlerweile gibt es aber so viele weitere, die auf den Zug aufgesprungen sind und ihre Lieder in Akustikversionen runterspielen. Ich denke mir oft: Junge, du bist in einer Metal-Band oder auf, sagen wir mal, Fat Wreck! Wie soll das denn als Akustikversion klingen? Das gibt doch nichts Neues. Nicht dass ich damit sagen möchte, dass diese Sachen nicht gut wären. Aber mir fehlt dabei etwas Eigenes. Man könnte dabei so viele verschiedene Dinge hinzufügen und das Ganze musikalisch viel größer aufziehen, aber leider sind es oft eben nur die gleichen Songs mit Akustikgitarren. Andererseits ist das nur meine Meinung – und was weiß ich schon. Aber dann kommt eben doch dieser Gedanke ins Spiel, dass ich niemandes Zeit oder Geld verschwenden möchte, wenn ich ihnen etwas vorlege, das nach GASLIGHT ANTHEM Version 2.0 klingt. Oder so etwas wie GASLIGHT ANTHEM „light“. Das ist einfach nicht meine Art.

Du hast die HORRIBLE CROWES bereits mit einigen Künstlern verglichen. Wie siehst du das Projekt im direkten Vergleich mit GASLIGHT ANTHEM? Und was hältst du von solchen Vergleichen?

Es ist ganz normal, dass man Vergleiche heranzieht, wenn es um eine neue Band geht. Wenn mir jemand etwas über eine Band erzählt, die ich noch nicht kenne, ist meine erste Frage immer, wonach sie klingen. Dann gehst du nach Hause mit dem Wissen, dass dieses Album nach einer Mischung aus THE WHO und den BUZZCOCKS klingt und denkst dir „cool!“. Das mag den einen oder anderen abgedrehten Künstler etwas in seinem Bestreben verletzen, etwas Einmaliges zu schaffen. Ich bin aber selbst zu sehr Musikkonsument, als dass mich solche Vergleiche auch nur im Geringsten stören würden. Schließlich bin ich einfach ein Junge aus Jersey, der mit Punkrock groß geworden ist und klingt wie Bruce Springsteen. Bei den HORRIBLE CROWES hoffe ich, dass man sagen wird: „Das ist der Junge aus Jersey, der auch etwas nach Tom Waits klingt“. Das sind nun mal meine Helden. Ich möchte mich nicht hinstellen und behaupten, ich würde versuchen, etwas vollkommen Neues zu schaffen, das es vorher noch nie gegeben hat. Es ist eher so, dass ich versuche, Bruce oder Tom Waits nachzumachen.

Hast du dir schon Gedanken über mögliche Konzerte mit dem neuen Projekt gemacht?

Zunächst werden wir „Elsie“ im September veröffentlichen und schauen, wie die Leute da draußen reagieren. Wenn es ihnen gefällt und man uns live sehen will, werden wir damit auf Tour gehen und auch nach Europa rüberkommen, um kleinere Shows zu spielen. Dann können die ersten Konzertbesucher irgendwann sagen, sie haben uns live gesehen, als nur fünf Leute auf dem Konzert waren. Bei größeren Shows fehlt mir die Nähe zum Publikum. Besonders schlimm finde ich in dieser Hinsicht Festivals, bei denen du die Leute kaum noch sehen kannst. Ich sage das nicht nur, um möglichst nach Punkrock zu klingen. Ich mag die Nähe zu den Kids, schließlich machen wir das alles wegen ihnen und dank ihnen. Daher freue ich mich auch wirklich darauf, mit den HORRIBLE CROWES wieder Konzerte in kleinerem Rahmen zu spielen.

Würden nur du und Ian auftreten, oder wollt ihr eine ganze Band zusammenstellen?

Ian und ich sind zwar die ganze Band, aber live werden wir uns noch Verstärkung holen. Steve Sidelnyk, der die Drums auf dem Album eingespielt hat und mit Bands wie MASSIVE ATTACK oder PRIMAL SCREAM zusammenarbeitet, wird auch live dabei sein. Alex von GASLIGHT ANTHEM will auch mitkommen und sich um das Keyboard kümmern, während sein Cousin Bass spielen würde. Insgesamt wären wir also mindestens zu fünft. Ich würde auch gerne die Parkington Sisters, die auf dem Album zu hören sind und auch schon für die DROPKICK MURPHYS Streicher eingespielt haben, bei einigen Konzerten dabei haben, um die Instrumentierung noch dichter zu machen.