Bela B. - Extrem erfolgreiche Comix

Den meisten Leuten ist Dirk Felsenheimer alias Bela B. als trommelndes Mitglied der Rotzpopband DIE ÄRZTE bekannt. Insider wissen aber schon lange, daß der bekennende BATMAN-Fan auch ein großer Comicliebhaber ist, der sich in den letzten Jahren heimlich, still und leise ein kleines Verlagsimperium aufgebaut hat, das den nicht gerade zurückhaltenden Namen EXTREM ERFOLGREICH ENTERPRISES trägt. Bei der hier erscheinenden Funny-Serie SCHWEINEVOGEL tritt Bela nicht nur als Verleger, sondern auch als Co-Autor auf. Nachdem bei EEE lange Zeit nur einheimischer Talente veröffentlicht wurden, startete der Verlag auf dem Comicsalon in Erlangen mit FAUST und GOTHIC NIGHTS seine ersten US-Lizenzprodukte, die durch eine Signingtour von Tim Vigil (Zeichner) und David Quinn (Texter) medienwirksam unterstützt wurden. Doch was steckt eigentlich hinter dieser dubiosen Mischung aus deutschen Funnies und amerikanischem Splatterhorror?

In einer Hamburger Kneipe legte Bela seine Pläne zur angestrebten Weltherrschaft ausführlich dar.

Wie hat das mit dir und den Comics angefangen?

Ich war schon immer ein großer Comicfan und bereits sehr früh an hochwertigen Heften interessiert. Ich hatte relativ früh meine Marvel-Phase und habe von obskuren Sachen wie KOBRA bis zu U-Comix alles gelesen. Als wir dann bei den ÄRZTEN gespielt haben, war es von Anfang an mein Traum, daß es mal einen Comic über die Band geben würde. Es gab bei uns auch viele Zeichnungen im Comicstil, unsere allererste Single hat z.B. eine Coverzeichnung von Jan (aka Farin Urlaub). Ich habe aber relativ schnell eingesehen, daß ich entweder richtig zeichnen üben muß oder die Sache besser aufgebe. Mir ist es einfach nicht gegeben. Dann lösten sich DIE ÄRZTE 1988 auf und ich gründete 1990 die Band DEPP JONES. Da hatte ich dann wieder die Idee, einen Comic über die Band herauszubringen. Bei den ÄRZTEN hatte es nicht geklappt, daß einzige Ergebnis, das wir hatten, war unser GWENDOLIN-Logo. Bei DEPP JONES war es ähnlich: es mangelte einfach an Kontakten zur Zeichnerszene.

Wie bist du dann auf Schwarwel aufmerksam geworden?

DEPP JONES hat 1990 zusammen mit einer ostdeutschen Death Metal-Band in Ostberlin gespielt. Der Sänger dieser Band drückte mir einen Comic in die Hand, der hieß DIE SCHWEINEVOGEL-SHOW. Er sagte mir, ich solle mir das mal anschauen, das sei von einem Zeichner aus dem Osten und der hieße Schwarwel. Das waren dann halt so lauter Schweinevogel-Strips, die ich total lustig fand und wo ich mir dachte: das ist ein Zeichner, mit dem ich etwas zusammen machen möchte. Ich versuchte dann Kontakt aufzunehmen, aber irgendwie klappte das nie. Bis mich ein Freund anrief und mir erzählte, daß dieser Schwarwel nach Westberlin gezogen sei und jetzt nur zwei Straßen von mir entfernt wohne. Dann trafen wir uns in einer Kneipe und haben uns besoffen. So sind Schwarwel und ich dicke Freunde geworden. Er hat einen DEPP JON--ES-Comic und auch die Graphik für die Band gemacht. Und als sich die ÄRZTE wiedervereinigt haben, hat er für uns ebenfalls den Job des Graphikers übernommen. Er macht alle unsere Cover seit 1993. Irgendwann habe ich dann vorgeschlagen, daß ich seinen Comic herausgebe. Ich muß sagen, daß ich mich in ihm sehe, denn er hat seinen Traum, ein Comiczeichner zu werden, wahr gemacht, was ich nie konnte. Das ist der Grund, warum ich ihn unterstütze und sein Heft herausbringe, an dem ich, ehrlich gesagt, noch keinen Pfennig verdient habe. Obwohl wir von den Auflagen über 50% verkaufen, was sehr gut ist. Aber die Auflagen sind halt sehr klein, deshalb ist das eher ein teures Hobby. Auf der anderen Seite ist diese Verlagsgeschichte für mich ein großer Spielplatz, auf dem ich mich austoben kann. Ich bin in der glücklichen Lage, daß ich damit kein Geld verdienen muß. Das will ich auch gar nicht. Ich bin einfach nur stolz, daß ich jetzt einen kleinen Verlag habe, in dem ich die Sachen herausbringen kann, die mir gefallen. Und wenn nur die Hälfte von den Sachen klappt, die ich mir vorgenommen habe, dann wäre das schon richtig geil.

Hast du denn die Hoffnung, daß du mit den Horrorsachen demnächst Gewinn machst?

Das ist eine andere Geschichte, denn wir werden jetzt größer und expandieren. Als das Gerücht umging, daß wir FAUST herausbringen, hat das in der ganzen Comicszene eine große Resonanz hervorgerufen, weil FAUST als US-Ausgabe schon eine ganze Weile relativ vergriffen ist.

Du bekommst die Original-Hefte auch schwer in Deutschland.

Du kriegst sie kaum, und viele Läden stellen sie sich auch nicht mehr hin, weil vor zwei Jahren, aufgrund dieses Thüringer Staatsanwalts, ganze Bullentrupps in die Läden gegangen sind und alles beschlagnahmt haben. Ich weiß, daß du FAUST im Berliner Comicladen GROBEN UNFUG nur noch auf Anfrage und Vorbestellung bekommst, wenn überhaupt. Ich hoffe halt, daß wir im ersten Jahr plus/minus null fahren und daß es dann funktioniert, wenn wir größer werden. Ich bin auch bereit zu investieren. Letztendlich haben wir uns eine kleine Marktnische der Ami-Comics gesucht, da wir a) nur original S/W-Sachen veröffentlichen und uns insofern selbst limitieren, und b) Sachen bringen, die doch recht hart sind und an die sich größere Verlage nicht herantrauen werden. Modern Graphics wagt es gerade mit EVIL ERNIE, aber ich glaube, daß wir noch ein Stück härter sind. Es ist also so, daß wir Comics nehmen, die anderen Verlagen zu klein sind oder vor denen sie auch Angst hätten, weil kommerzielle Verlage ihre Comics nach ganz anderen Gesichtspunkten auswählen müßen. Das ist gar nicht böse gemeint und ich werfe das auch niemanden vor. Ich bin schließlich auch gar nicht in der Position, anderen Leuten Kommerzialität vorzuwerfen, haha.

Im Moment hat sich das Blatt für Horrorsachen etwas zum besseren gewendet, ich nenne nur mal den ganzen Mysterytrend mit Akte X, und im deutschen Kino laufen wieder teuer produzierte Phantastikfilme völlig ungeschnitten. Glaubst du, daß es gerade eine gute Gelegenheit ist, um mit Serien wie FAUST zu starten, oder spielen solche Überlegungen für euch keine Rolle?

Nein, die Comics wären so oder so gekommen. Eigentlich kam die Sache so ins Rollen, daß Martin vom GROBEN UNFUG gesagt hat, er könnte die Rechte an HORNY BIKER SLUT für ein paar hundert Dollar bekommen. Da habe ich gesagt, "Das ist ein Megaangebot, laß uns das machen. Ich habe einen Verlag, das ist eine eingetragene Firma." Damit hatte ich also die notwendigen Strukturen, die Martin erst hätte schaffen müssen, wenn er den Comic selber herausgebracht hätte. Also wollte ich die BIKER SLUT-Sache lizenzieren, aber das ist leider schief gegangen, weil die Amis plötzlich das große Geld gewittert haben. Wir sind jedoch keine Phantasten und wissen, daß die Verkaufschancen auf dem deutschen Markt nicht so riesig sind. Dementsprechend kannst du den Amis auch nicht soviel zahlen, wie die sich das teilweise vorstellen. Für den amerikanischen Markt mögen deren Vorstellungen ja gerechtfertigt sein, aber hierzulande kannst du bei solch extremen Comics diese Beträge nicht realisieren. Obwohl das mit HORNY BIKER SLUT nicht geklappt hat, war das aber der Ausschlag, US-Material zu lizenzieren. Die Überlegung war aber eigentlich nicht, einem Trend zu folgen. Im Gegenteil, dieser Michael Brenner und der Thüringer Staatsanwalt haben sich ja sehr auf Comics eingeschossen.

Gut, aber die Sache hat sich inzwischen wieder etwas abgekühlt. Und abgesehen von den beiden, beschäftigen sich die meisten Jugendschützer eher mit Computerspielen und Internetgeschichten.

Stimmt schon. Auf der anderen Seite ist es weniger so, daß die Leute offener werden, sondern eher eine Ermüdungserscheinung. Wenn du dir SPAWN ansiehst, der mal als eine Art Undergroundcomic begonnen hat, und das ist nun der meistverkaufte Comic der Welt. SPAWN ist schon sehr hart, auch der Film ist recht hart, und die Zeichentrickserie ist noch viel härter. Das ist schon ein Trend - die Leute erwarten wirklich extreme Sachen. Ich finde das auch sehr gut. Es gab sicher bei jedem von uns Comicfans den Moment, wo mit Frank Millers DARK KNIGHT RETURNS und Alan Moores WATCHMAN das Comicgenre revolutioniert wurde. Und seitdem geht man in den Comicladen und will eine gute Story. Da muß eine Pointe sein, da muß irgend etwas ungewöhnliches sein. Und viele Undergroundcomix schaffen dieses Ungewöhnliche, mangels Story, durch Tabubrechen und extreme Gewaltdarstellung. Womit wir schon beim nächsten Thema wären.

Ich dachte, ich müßte dich da erst langsam hinführen, aber du machst es mir sehr leicht.

Neenee, das ist schon so. Ich finde das gut, ich bin ja auch großer Splattermoviefan und sowas. Wobei das auch irgendwann ausgereizt war, aber dann kam das Hongkong-Actionkino usw. Du veränderst natürlich auch deine Interessen und plötzlich findet jemand wieder ein paar neue Aspekte, die dich begeistern. Das Superheldengenre ist inzwischen ziemlich abgegrast, da kannst du im Moment wenig finden. Deshalb sind, meiner Meinung nach, diese extremen Comics im Moment am interessantesten. Entweder die, die eine extrem gute Story haben, oder diejenigen, die extrem tabubrechende Gewalt, Sex oder was weiß ich bieten.

Findest du das überhaupt noch interessant, bzw. reicht bloßes Tabubrechen heutzutage für dich noch aus? Gerade, weil die ganzen Mainstreamcomics auch schon so gewalttätig sind.

Das ist die Frage. Wenn die Story stimmt, ist auch die Gewaltdarstellung in Ordnung. Es gibt da Ausnahmen, und dazu gehört, meiner Meinung nach, auch FAUST.

Du bist bei FAUST also nicht nur von der Graphik, sondern auch von der Story überzeugt.

Bei FAUST muß ich sagen, daß mich die Story erst nicht so umgehauen hat, aber ich habe die Story gelesen und es hat mich gestört. Du fühlst dich unbehaglich. Es passiert etwas, wenn du FAUST liest, gleichzeitig willst du das nächste Kapitel lesen. Es gibt andere Beispiele, wo du nur denkst: Ja, cool, da sind jede Menge Zombies, Splatter und so´n Zeug, wie man es aus vielen anderen Heften kennt.

Ich bin auch an dem Punkt, daß ich über die reinen Splattersachen eigentlich hinweg bin. Klar, als Sahnehäubchen obenauf, immer, gerne. Aber dem Ganzen muß schon eine gute Story zugrunde liegen, oder es muß witzig bzw. auf ungewöhnliche Weise aufgezogen sein. Pures Gemetzel ist einfach öde.

Das ist der Grund warum ich immer alles von BONEYARD PRESS gekauft habe. Weil ich deren Einstellung gut fand. Deren Verleger hat nur so disturbing Zeug herausgebracht. Sachen, die einfach unbequem oder fies waren. Sachen, die in mir eine Leere zurückgelassen haben. Leider hatte Boneyard kaum gute Zeichner. Das genaue Gegenteil davon ist natürlich VEROTIK, der Verlag von Glenn Danzig. Das ist z.B. ein Verlag der sich nur zum Ziel gesetzt hat, Tabus zu brechen, nur.

Aber das ist doch langweilig, oder nicht?

Ja, richtig, aber da ist das Artwork wieder sehr gut. (Gelächter) Glen Danzig hat nun Mal ein extrem sicheres Händchen für gute Zeichner. Daß er sich selber einbringen muß und eigene Stories schreibt, ist vielleicht weniger gut. Andererseits gibt es einfach zuwenig gute Schreiber für all die begabten Zeichner. Darum ist Garth Ennis auch so ein Megastar und schreibt so irre viel in tausend verschiedenen Verlagen - eben weil es kaum andere gute Autoren gibt.

Das Problem besteht auf jeden Fall. Gutes Artwork haben sie alle, aber wirklich bahnbrechend neue Geschichten zu erzählen ist auch schwierig.

Und wenn sie kommen, dann in zu großen Abständen, wie bei Michael Linsner, der leider sehr faul ist. Der macht diese CRYPT OF DAWN-Sachen. Der zeichnet wirklich exzellente S/W-Comics und schreibt tolle Stories, aber er schreibt leider nur alle drei Jahre etwas. Er hat mal sein persönliches Statement zu der Vampirwelle in Comicform verpackt und das ist wirklich grandios geworden, besser als die Sachen, die Garth Ennis zu diesem Thema gemacht hat, wie z.B. über diese Zeit mit Cassidy in PREACHER.

Wollt ihr mit den Horrorcomics irgendwelche Grenzen austesten?

Ja, aber nicht die Grenzen der Bundesprüfstelle, das ist nicht unser Begehr.

Nein, ich meine eher die Grenzen dessen, was machbar ist.

Wir wollen uns schon zu dem abgrenzen, was du normalerweise an Comics kaufen kannst. Wenn die Leute sich ein EEE-Produkt kaufen, sollen sie sicher sein, daß sie etwas ungewöhnliches erhalten. Wobei die Auswahl von unserem Geschmack bestimmt wird. Also von uns dreien: Armin, Schwarwel und mir. Zuerst werden wir vor allem Ami-Zeichner herausbringen. Mit der Zeit wollen wir aber auch Leute aus dem deutschen Sprachraum veröffentlichen, das können dann auch Schweizer oder Österreicher sein. Auf lange Sicht wollen wir da das Gleichgewicht halten, wobei wir mit Kreuzfeld & Jakob schon einen weiteren deutschen Zeichner am Start haben. Das Heft wird von P.M. Hoffmann gemacht, das ist ein Talent, das Schwarwel innerhalb von EEE fördert. Und innerhalb des SCHWEINEVOGELS sind auch immer zwei Seiten für andere Zeichner reserviert, um die Leser darauf aufmerksam zu machen, daß es eine deutsche Zeichnerszene gibt. Wir überlegen auch, ob wir nicht vier- bis fünfseitige Kurzgeschichten an neue Zeichner vergeben, die dann im Anschluß an die reguläre Story veröffentlicht werden. So wie früher bei den Marvelheften.

Wir müssen halt abwarten, wie es mit FAUST und GOTHIC NIGHTS läuft. Wir machen uns aber keine großen Sorgen, daß wir die Sachen loswerden. Vor allem nicht, weil wir zwei Variant-Cover haben, die exklusiv für den deutschen Markt gezeichnet wurden. Da haben sich sogar schon ein paar Amis gemeldet, die das unbedingt haben wollen. Dazu muß ich aber sagen, daß ich kein großer Sammlerfreund bin. Ich finde, Comics sind Trivialliteratur und die Hefte sind zum zerknicken geboren. Daß da irgendwann mal Eselsohren reinkommen, ist gewollt. Genauso sehen wir das mit der Werbung. Die wollen wir mit drinne haben, denn zum einen finanziert das die Auflage und zum anderen gehört das für uns mit dazu. Ich bin mit diesem billigen Marvelpapier und diesen ganzen Werbeseiten aufgewachsen.

Seit ihr darauf vorbereitet, daß es mit FAUST Ärger gibt?

Wir sind darauf vorbereitet und wir haben uns auch schon Konzepte überlegt. Aber wir sind nicht scharf darauf, indiziert zu werden. Bei den ÄRZTEN wird uns ja öfter vorgeworfen, wie hätten die Indizierung provoziert, um die Verkäufe hochzutreiben. Das ist aber albern, denn ich weiß, daß eine Indizierung genau das Gegenteil bewirkt. Bei den ÄRZTEN ist das inzwischen ein bunter Fleck in der Vergangenheit, der sich ganz gut macht: "Oh, gefährlich, ganz verrucht" und so. Aber bei Comics ist das ganz was anderes, das bricht dir vertriebstechnisch das Genick. Deshalb wollen wir natürlich nicht indiziert werden. Aber falls es doch passiert, werde ich die Sache vor Gericht durchfechten, dafür stelle ich dann meine Finanzen zur Verfügung.

Es gibt auch Comics, wo du von vornherein sagst, eine deutsche Veröffentlichung hat keinen Zweck, wie z.B. bei EO von Tim Vigil.

Naja, EO ist ja auch nie zu Ende geführt worden, die Story bricht einfach mittendrin ab. Schon allein deshalb wäre eine deutsche Veröffentlichung ungünstig. Aber du hast schon recht, das Teil besteht wirklich nur aus einer Aneinanderreihung von derben Splattersexszenen und die kannst du hierzulande einfach nicht bringen. Die Story ist hohl und superhart, aber wieder mal ein Artwork vom feinsten, deshalb habe ich es auch in meiner Sammlung. Weil es einfach sehr extrem ist. Es gab bei uns in der Band auch das geflügelte Wort: wollen wir nicht noch eine Story im Ärztecomic machen, wo einer dem anderen seinen Schwanz durchs Auge ins Gehirn jagt? Der Arbeitstitel der letzten Platte war ja auch: Penis im Hirn.

Bernd Frenz