KLOTZS

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Reduziert aufs Wesentliche

Seit 1996 gibt es das Siegener Duo KLOTZS. In den zwölf Jahren ihres Bestehens, brachten sie es auf neun Eigenveröffentlichungen und mehrere Samplerbeiträge. Ursprünglich als englischsprachiges Noise-Trio gestartet, entwickeln Schlagzeuger Sascha und Gitarrist/Sänger Ingo ab 1998 ihre Version von deutschsprachigem Punk. Das Schreiben und Komponieren teilen sie sich, „so wie es halt kommt“. KLOTZS haben D.I.Y. seit jeher als Prozess aufgefasst, der sich nicht an gängige Regeln hält. Kollaborationen mit dem 2010 verstorbenen Martin Büsser, EA80 oder GRAF ZAHL ergänzen den eigenen Backkatalog um begehrte Jäger-und-Sammler-Devotionalien, deren Preisentwicklung in den bekannten Auktionshäusern gelegentlich astronomische Dimensionen annimmt. KLOTZS profitieren von diesem Umstand kaum, sondern komponieren stets weitaus mehr, als sie jemals veröffentlichen respektive finanzieren könnten. Die Jahre 2003 bis 2008 haken sie im Nachhinein als „vertrödelt“ ab. Dennoch veröffentlichen sie gerade in diesen Jahren ihre vielleicht zugänglichste Punkplatte „.com“, die sich textlich um den Begriff der Kommerzialität dreht. Bis 2011 haben sie wechselnde Bassisten und entziehen sich weitestgehend der Web-2.0-Öffentlichkeit. Die neue Platte „Schwarzer Planet“ wurde aufgenommen in den Werner Wiese Studios und gemastert von Guido Lucas.

Eure letzte Veröffentlichung liegt sieben Jahre zurück. Was ist seitdem geschehen?

Ingo:
Viel! Abgesehen von der Tatsache, dass wir häufiger den Proberaum wechseln mussten, haben wir auch einen Mitmusiker verloren. Das heißt, wir haben keinen Bassisten mehr. Das heißt, wir spielen zu zweit weiter. Wir verfolgen das alte Fußballprinzip, dass die Mannschaft nach der roten Karte mit einem Mann weniger auf einmal leidenschaftlicher und konzentrierter spielt als vorher.

Sascha: Vor allem sind wir aber älter geworden.

Ingo, du spielst seitdem Baritongitarre und ersetzt dadurch den dritten Mann. Wie funktioniert das?

Ingo:
Die Baritongitarre ist ein absolutes Sparteninstrument. Das ist wie eine Gitarre auf dem Weg zum Bass, was die Saitenlänge, Saitendicke und die Stimmung des Instruments betrifft. Über den Verteiler steuere ich gleichzeitig eine Gitarren- und eine Bassanlage an und siehe da: es funktioniert. Und es funktioniert besser denn je. Im Grunde genommen sind wir seitdem Opfer unserer eigenen Geschwindigkeit, da wir neue Songs immer sehr, sehr schnell umsetzen und meistens nur ein, zwei Anläufe brauchen, bis der Song steht.

Sascha: Im Idealfall bedeutet das: einmal anspielen, einmal durchspielen, fertig.

Ist „deutschsprachiger Noisepunk“ eine brauchbare Kategorie, um die Musik von KLOTZS zu beschreiben?

Ingo:
Schwierig ... Also, noisig und krachig ist es auch als Duo immer noch, aber der Schwerpunkt hat sich verlagert. Ich würde schon sagen, dass es in der neuen Konstellation nicht mehr so möglich ist, diese Noise-Ausbrüche wie in einem Trio auszuleben, denn zu zweit müssen wir einfach noch enger und dichter zusammen spielen. Das klassische Liedgut, der Song an sich steht dadurch jetzt mehr im Vordergrund.

Sascha: Es ist gebändigt und hat zwangsweise mehr Struktur als früher, ist minimalistischer, reduziert aufs Wesentliche. Besonders wichtig ist uns aber der Umgang mit Dynamik.

Ingo: Wir hatten zu Beginn von KLOTZS einen ziemlich langen musikalischen Findungsprozess. Es hat lange gedauert, quasi bis zur ersten 7“ 1996, bis wir unseren Sound gefunden haben.

Ihr seid ziemliche D.I.Y.-Frickler und quasi jede eurer Veröffentlichungen liegt in einem anderen individuellen Format vor: 7“, LP, MCD und jetzt eine 10“. Seid ihr nerdige Formatjunkies?

Sascha:
Also, ich sag da ganz klar: ja. Das ist schon schöner so und wir haben das ja schon immer so praktiziert. Am tollsten fände ich eine 7“-Box mit vier Singles, aber dafür brauchst du natürlich ein Label, das das stemmen kann.

Ingo: Ich finde, es gibt nerdigere Formatjunkies. Aber ich muss gestehen: eine 10“ war das, was ich immer schon mal gemacht haben wollte. Unsere 2003er MCD „.com“ war eigentlich prädestiniert für eine 10“, aber damals haben die finanziellen Möglichkeiten einfach nicht gereicht, um das Format zu realisieren. Und ich habe über die Jahre natürlich festgestellt, dass die Leute, die unsere Platten bei Konzerten kaufen, diese D.I.Y.-Individualität durchaus zu schätzen wissen, diesen Unikatcharakter. Die „Schnür“-Single von 1999 wurde zum Beispiel gerne direkt im Triple mit schwarzen, braunen und roten Schnürsenkeln gekauft, haha ...

Ingo, die neue Platte heißt „Schwarzer Planet“ – ich hoffe, du meinst nicht unseren kleinen, tapferen Heimatplaneten?

Ingo:
Nee, nicht wirklich. Der „Schwarze Planet“ ist eher eine Metapher für düstere Befindlichkeiten, unter anderem.

Sascha: Ein Text ist immer ein innerer Monolog, kein Dialog, zur Interpretation freigegeben, für jedermann.

Bringt ihr die Platte wieder unter dem Eigenlabel Kill Me Records raus?

Ingo:
Nein, die Platte erscheint bei Licht(u)ng und Tumbleweed als reguläre CD und als 10“ auf 180-g-Vinyl mit der CD als Beilage integriert auf dem Textblatt. Wir haben uns bewusst gegen eine Download-Codecard entschieden.

Sascha: Ich finde, es gibt nichts Unpersönlicheres als einen Download-Code. Leider haben wir in den letzten Jahren nicht so viele Konzerte spielen können, weswegen wir uns jetzt mit der neuen Platte im Gepäck gerne überall vorstellen würden.

Im Song „Drehtür“ geht es um geplatzte Träume und verhasste Automatismen innerhalb der Arbeitswelt.

Ingo:
„Drehtür“ haben wir uns seit 2006 warmgehalten. Der Text hatte mal was zu tun mit prekären Arbeitsverhältnissen und der „Generation Praktikum“. Dieses Ding, dass man eigentlich nie den Fuß in die Tür bekommt und in einem permanenten Durchlauferhitzersystem arbeitet. Also dass man so, wie man zur Tür reinkommt, auch wieder rausgesetzt wird – deswegen „Drehtür“.

Sascha: Für mich ist das anders gelagert, man könnte den Song auch anders interpretieren. Es gibt ja durchaus auch andere Dinge, die einen stören, die aber immer wiederkehren im Alltag. Dinge, denen du dich nicht entziehen kannst – die Einleitung zum Amoklauf. Wenn du nicht wirklich einen klar strukturierten und nominell aufgeputschten Text hast, bei dem ganz klar ist, worum es geht, wird es sowieso schwierig, weil jeder den ja anders deuten wird beziehungsweise kann und soll.

Ingo: Genau, das ist ja auch das, was wir wollen. Keine Schlachtrufe-Texte, mit einer eindeutigen Botschaft, die skandiert werden kann, sondern der Hörer kann, darf und soll seine eigene Empfindung und Sichtweise entwickeln.