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SO36, Berlin

Das mitten in Kreuzberg gelegene SO36 ist – neben dem Düsseldorfer Ratinger Hof – wohl der zu nennende Club, wenn es um die Geburtsstätte des Punk in Deutschland geht. Im Gegensatz zum Ratinger Hof steht das SO36 aber allen Widrigkeiten zum Trotz immer noch für lebendige Subkultur. Auch wenn das Viertel um die Oranienstraße immer mehr gentrifiziert wird: das SO36 hält sich tapfer. Als Veranstaltungshalle nahm das SO36 im Sommer 1978 mit einem zweitägigen Konzert den Betrieb auf: Im Rahmen des „Mauerbaufestivals“ – zum Spottgedenken an den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 – traten unter anderem MITTAGSPAUSE, MALE, S.Y.P.H. und DIN A TESTBILD auf. Die Betreiber des SO36 versuchten einen Brückenschlag zwischen Punk, New Wave und Avantgarde. Doch was in Düsseldorf funktionierte, scheiterte in Berlin an der beinharten Anarchopunk-Szene. 1979 überfiel ein autonomes „Kommando gegen Konsumterror“ das SO36, deren Betreibern sie vorwarfen, „Konsumscheiße“ und „Schickeria-Kunst“ zu verbreiten.

Unter wechselnder Leitung blieb das SO36 dem Punk in den Folgejahren dennoch treu und ermöglichte Bands wie SLIME und DIE TOTEN HOSEN Konzerte in der Mauerstadt, wobei auch zahlreiche internationale Gruppen ihren Weg auf die Bühne des SO36 fanden. Die DEAD KENNEDYS spielten hier 1981 ein legendäres Konzert und auch über die Szenegrenzen hinaus relevante Stars wie Iggy Pop und David Bowie verkehrten im SO36. Mark Eins von DIN A TESTBILD erinnert sich: „Bowie schwang sich wie Marlene Dietrich auf den Tresen, saß da und hielt Hof. Und plötzlich ging die Schwingtür noch einmal auf und wer kam rein? Iggy Pop.“ 1987 war dann vorerst alles vorbei: Das SO36 wurde von der Berliner Polizei gestürmt und dicht gemacht, nachdem sich immer wieder Konzerte in Straßenschlachten verwandelt hatten. Gewalt und Eskalation waren die gesamten Achtziger hindurch stetige Begleiter der Oranienstraßen-Szene, wie auch DIE ÄRZTE-Drummer Bela B bekräftigt: „Bei einem SLIME-Konzert strömten wir alle raus zu einer Straßenschlacht, allerdings wurden viele wieder in das SO36 getrieben. Vorbei an den sektschlürfenden SLIME-Musikern im Backstagebereich.“

1990 wurden die Räumlichkeiten saniert und der Sub Opus 36 e.V. übernahm die Trägerschaft des SO36. Seitdem wird das es als kollektiv organisierter Club geführt. Ein Nachbarschaftskonflikt um Lärmbelästigung führte 2009 fast zur erneuten Schließung. Durch den Einbau einer Schallschutzmauer, die durch Benefizveranstaltungen finanziert werden konnte, konnte der Streit jedoch beigelegt werden. Heute finden im SO36 neben Punk- und Hardcore-Konzerten auch Techno-Veranstaltungen und Partys statt, die sich an ein jüngeres Publikum richten. Der kritische und progressive Geist des Punk ist aber nach wie vor allgegenwärtig. Michael Beckmann von den SUURBIERS ist voll des Lobes für die überwiegend weiblichen Betreiber: „Wenn du auf einer Tour bist und ins SO36 kommst, fällt es immer positiv auf, dass es ein mehrheitlich von Frauen geführter Club ist. Das ist bundesweit fast einzigartig.“

Das SO36-Kollektiv arbeitet mit politischen, sozialen und schwul-lesbischen Organisationen zusammen, zudem wird einmal im Monat eine kostenlose Sozialberatung zum Thema Hartz IV angeboten. Bei allen Wandlungen, denen natürlich auch ein Laden wie das SO36 unterliegt, gilt für das Betreiberkollektiv also immer noch: It’s more than music! Und genau das macht das SO36 auch nach knapp vierzig Jahren zu einem ebenso liebenswerten wie auch wichtigen Anziehungspunkt der deutschen Punk-Szene.

SO36, Oranienstraße 190,10999 Berlin