SPUNK VOLCANO AND THE ERUPTIONS

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Zyklopenträume

Spunk ist Hauptsongschreiber und Gitarrist von DIRT BOX DISCO aus den britischen Midlands, die sich zu einer regionalen Institution entwickelt haben und auf der Insel schon größere Clubs als Headliner füllen. Offenbar ist der Mann damit unterfordert, denn seit 2014 ist er außerdem als Sänger mit SPUNK VOLCANO AND THE ERUPTIONS unterwegs, die es auch schon auf drei Alben und zwei EPs gebracht haben. Unter der Oberfläche von albernen Kostümen und platten Anzüglichkeiten findet man bei Spunk ein sicheres Händchen für Hits und Texte, die persönlicher und eindringlicher sind, als man auf den ersten Blick vermutet. Gut aufgelegt beantwortete Spunk vor der Show im Essener Don’t Panic uns einige Fragen.

Du magst also den Ford Escort XR3, zumindest lässt das dein Song darüber vermuten.


Ich hatte nie selbst einen, wollte ihn aber schon seit Teenagerzeiten haben, deshalb habe ich einen Song darüber geschrieben. Als ich dann alt genug war, war das Ding schon ein Klassiker und ich konnte ihn mir nicht mehr leisten. Ein Song über den XR3 war also die einzige Möglichkeit, diesem Traum näher zu kommen, in Form einer Huldigung. Ein unerfüllter Teeniewunsch.

Den Traum von der eigenen Band hast du dir aber erfüllt. SPUNK VOLCANO AND THE ERUPTIONS haben sich zur eigenen Größe neben DIRT BOX DISCO entwickelt.

Stimmt. Die erste EP und das erste Album klangen noch nach DIRT BOX DISCO, obwohl ich die Songs anfangs für unpassend für ein Dirt Box-Album hielt und sie darum anders verarbeiten wollte. Sie waren aggressiver und inhaltlich persönlicher als die eher allgemein gehaltenen Dirt Box-Songs. Mit den ERUPTIONS kann ich mir die Lieder mehr auf den Leib schreiben. Diesen Freiraum genieße ich.

Textlich und musikalisch scheinst du von Album zu Album aggressiver und kompromissloser zu werden.

Das zweite Album „Shit Generation“ war schon aggressiver als das Debüt, und auf der „Ram Raid“-EP habe ich textlich einige Dinge aus meiner Vergangenheit verarbeitet, das brachte da diesen negativeren Grundton rein. Das Songwriting passierte dann zum Teil sehr schnell und fokussiert. Fünf Minuten von der Idee zur Umsetzung. Ich mag auch im Allgemeinen eher härtere Musik, Heavy und Thrash. Rock’n‘Roll natürlich auch. Und bei den ERUPTIONS fällt jede Limitierung weg, sie sind nicht konzeptionell angelegt wie DIRT BOX DISCO. Ist der Song gut, kommt er aufs Album, egal in welchem Stil oder Genre, laut oder leise. Auf dem neuen Album klingen manche Sachen auch nach MOTÖRHEAD.

Deine Gitarrenarbeit klingt sehr britisch, ähnlich wie bei HDQ oder SNUFF, mit der Melodie im Fokus, der Druck scheint von alleine zu kommen.

Dieses Hymnische ist wahrscheinlich ein Erbe der 77er-Phase. SHAM 69, THE CLASH und auch SNUFF und LEATHERFACE mag ich sehr und die waren ihrerseits stark von HÜSKER DÜ beeinflusst. Heraus kommt dabei eine Art 77er-England-Punk-trifft-American-Hardcore-Mix. Das beschreibt es vielleicht am treffendsten, da würde ich uns auch verorten. Ansonsten habe ich keinen großen Bezug zu amerikanischem Punkrock und höre lieber klassischen britischen Punk der zweiten Welle. Ich bin einfach vor Jahren stilistisch und geschmacklich hängenblieben und habe mich seither nicht groß weiterentwickelt. NOFX sind eine Ausnahme, die sind schön bescheuert, die gefallen mir.

„Failure is not an option“ und „I’m gonna kill myself“: zwei symptomatische Songs für den Widerspruch zwischen Optimismus und Pessimismus?

Ich glaube nicht, dass sie im Widerspruch zueinander stehen. Meistens ergibt sich eine Songidee aus einer schlechten Stimmung. Die entwickelt sich aber weiter. Dinge, die dich anpissen, können dir ja auch einen positiven Drive geben. Der Song nimmt dich einfach mit. Viele Leute ziehen aus einem negativen Song eine positive Erfahrung oder Erinnerung, weil sie eine vergleichbare Scheißsituation auch schon erlebt haben. Kennst du sicher selber.

Thema „Knuckledusters and scars“: Wer hat heutzutage einen Schlag ins Gesicht verdient?

Eigentlich niemand. In dem Song geht es um alte Gangtraditionen in den Großstädten, um Gebietsrivalitäten, krumme Geschäfte mit illegalem Glücksspiel und Drogen und diesen ganzen Oldschool-Gangsterkram aus den Sechzigern in London, als man noch mit Hämmern und Knüppeln aufeinander losgegangen ist, um seinen Ruf und seine Nachbarschaft zu verteidigen. Das Thema hat mich interessiert, als ein Stück urbaner Geschichte, wenn du so willst. Eine Mischung aus Fakten, Fiktion und Spaß.

Auf eurer Homepage steht, dass du das Denken nicht besonders magst. Wie ist das gemeint?

Ich bin meistens genervt von offiziellen Promosachen und wollte wahrscheinlich meine Ruhe haben. Ich denke aber meistens zu wenig nach. Was jedoch den Vorteil hat, dass ich meinen Gedanken nicht lange nachhänge und mich nicht darin verliere. Ich vertraue bei Entscheidungen lieber auf ein Gefühl, weniger auf eine rationale Überlegung. Wenn ich einen Song schreibe, muss ich die Stimmung in den ersten zwei Minuten umsetzen können. Ich feile nicht daran herum. Entweder er zündet sofort oder er wandert in die Tonne. Zu viel zu denken blockiert.

Bei der Maske, die du trägst, fällt auf, dass sie nur ein Augenloch hat, quasi wie bei einem Zyklopen. In der Mythologie unterscheidet man übrigens drei Zyklopen-Typen: den Dämon, den Riesen und den Baumeister. Wo würdest du dich einordnen?

Ich habe von allen dreien ein bisschen – ein riesiger Baumeisterdämon! Ehrlich gesagt ist mir das mit dem Zyklopen noch gar nicht aufgefallen. Eine Maske mit zwei Augen erschien mir zu normal. Es war auch sehr dumm, nur ein Guckloch zu nehmen. Manchmal kann ich gar nichts sehen, vor allem bei grellem Licht. Gitarrespielen ist dann die reinste Katastrophe. Und meine Lederjacke ist auch viel zu schwer und zu eng. So richtig clever durchdacht war das nicht, eingequetscht, schwitzend und blind zu performen. Aber jetzt erwarten die Leute diesen Aufzug, also muss ich wohl dabeibleiben. Der riesige Baumeisterdämon, der seine Gitarre nicht finden kann. Bemitleidenswert, haha.

In einer Textzeile heißt es, ihr hättet eure Seelen für den Rock’n’Roll an den Teufel verkauft. Wer hat dabei den besseren Deal gemacht?

Der Teufel, glaube ich. So etwas hatte er als Gegenleistung bestimmt nicht erwartet. Wer hat schon die Seele vom riesigen Zyklopenbaumeister? Die fehlte ihm noch in seiner Sammlung, darum hat er mich auch mit Rock’n’Roll gelockt. Jetzt sind wir die besten Kumpel.