DAVID EUGENE EDWARDS & ALEXANDER HACKE

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Die Kraft von zwei Visionen

Alexander Hacke steht für die Innovationen hinter EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, David Eugene Edwards ist der Kult-Patron aller „düsteren“ Americana-Fans. Und nun haben beide eine bahnbrechende Kooperation in Form des Albums „Risha“ abgeliefert!

Hacke und die Neubauten näher zu thematisieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Auch Edwards war stets ein Neubauten-Fan, wie er gern betonte. Der Mann aus Denver, Colorado hat sich jedoch völlig aus dem Interview-Modus zurückgezogen. Die sieben persönlichen Interviews (des Autors dieser Zeilen) datieren aus den Jahren 1996 bis 2002 zu 16 HORSEPOWER und 2003 bis 2008 zu WOVENHAND. Beim letzten Gespräch hatte Edwards mit WOVENHAND gerade das Album „Ten Stones“ eingespielt – das einzige Album der Formation, dass nicht beim deutschen Label Glitterhouse erschien. Einige der Statements von damals passen jedoch auch für „Risha“. Edwards: „Ich benötigte eine Veränderung, wollte aber nicht nur das Material auffrischen ... Wir werden immer in variierenden Versionen in Erscheinung treten ... ,Ten Stones‘ übersetzt das, was wir auf der Bühne darstellen. Daher klingt das Album so aggressiv, heavy, geht geradeaus nach vorn. Einen Großteil haben wir mit der gesamten Band live im Studio eingespielt, um den Sound der Live-Shows aufzufangen. Der rauhe Klang der Konzerte sollte kommuniziert werden.“

Rauh klingt auch „Risha“ wieder. Der Ausdruck stammt aus dem Arabischen, bedeutet so viel wie „Feder“. Edwards trug bei Konzerten gern auch Federn im Haar. Als aggressiv, heavy oder familiär kann „Risha“ ebenfalls bezeichnet werden. Ein Großteil wurde im Berliner Wedding im Studio 65 von und mit Alexander Hacke aufgenommen. Hacke: „Ich kenne David bereits seit 16 HORSEPOWER-Zeiten. Wir haben uns in den Neunzigern kennen gelernt. Ich wurde angefragt, ob ich bei 16 HORSEPOWER Bass spielen könne. Doch irgendwie wurde die Anfrage-Mail „zerschossen“, landete mit einem Uralt-Datum ganz unten in meinem Ordner. Ich wunderte mich immer, warum ich noch eine ungelesene Mail hatte, irgendwo. Die Band hat sich sicherlich gewundert, dass ich so arrogant bin, nicht einmal zu antworten. Zu WOVENHAND-Zeiten haben David und ich uns dann mehrmals zufällig getroffen. Es stellte sich heraus, dass ich seine Arbeiten ebenso verfolge wie er meine. Wir merkten, dass wir uns gut verstehen. Die Idee einer Zusammenarbeit gab es bereits seit der kurzen Reunion von CRIME & THE CITY SOLUTION, an der wir – obwohl keine Originalmitglieder – beide beteiligt waren.“

Damals, 2012, hatte Hacke auch das seinerzeit aktuelle WOVENHAND-Album „The Laughing Stock“ abgemischt. Hacke: „Wir begannen, konkreter darüber zu sprechen, als WOVENHAND-Drummer Ordy Garrison nicht auf Tour gehen konnte. Angedacht war, dass ich elektronische Backings beziehungsweise ein elektronisches Konzept erarbeite, damit David die Songs solo würde spielen können, um damit allein auf Tour zu gehen. Dazu ist es dann doch nicht gekommen, er hat andere Musiker genommen.“

Wenn man davon absieht, dass diverse Tracks in verschiedenen Versionen online über den großen Teich hin und her transferiert wurden, darf man feststellen, dass „Risha“ eigentlich in zwei Wochen in einem Raum, im Studio 65 von Alexander Hacke entstanden ist. Hacke: „Wir haben in 14 Tagen 14 Songs aufgenommen, von denen es nun zehn auf die Platte geschafft haben. Es ist also an jedem Tag ein Song entstanden und fertiggestellt worden. Das Material ist in einer altmodischen, traditionellen Arbeitsweise entstanden. Heutzutage werden viele Alben von Leuten produziert, die selten oder noch nie in einem Raum zusammengestanden haben.“ Ein Großteil des Gesangs ist jedoch in Edwards’ Studio in Denver eingesungen worden. Hacke: „Ich habe die Vocals dann später in die Mixtapes eingearbeitet, jedoch auch Stücke komplett umgeschnitten.“

Das Versenden der Tracks in Dateien per Computer vergleicht Hacke mit den klassischen Brieffreundschaften, wo ein literarischer Austausch stattfindet. Nur, dass in diesem Fall eben online Musik versendet werde. Hacke: „Die Texte stammen alle von David. Die Musik haben wir zusammen entwickelt, ohne eine Form von Ausgewogenheit oder Arbeitsteilung festgesetzt zu haben. Ich habe die Platte mit ihm gemacht, weil ich ihn gerne singen höre! Wenn ,Risha‘ ein Spielfilm wäre, wäre ich eher der Regisseur, er der Hauptdarsteller gewesen.“

Backdrop und Atmosphäre sind die Stärken von Hacke, der vor gut elf Jahren zum Beispiel auch „Das wilde Leben“ von Uschi Obermaier atmosphärisch vertonte. Der letzte Song des Soundtracks zu dem Kinoerfolg heißt „Wedding“. Eben wie jener Stadtteil in Berlin, in dem Hacke lebt und sein Studio betreibt. Auch wenn der Song thematisch die Hochzeit der Protagonisten untermalte. Hacke: „Für ,Das wilde Leben‘ war ich eher Dienstleister. Es war eine Auftragsarbeit. Ich musste die Visionen von anderen bearbeiten. Natürlich entsteht durch meinen Blickwinkel/Filter etwas komplett Eigenes, auch bei einer Auftragsarbeit. Hier, bei ,Risha‘, ist es nun meine Vision beziehungsweise eine Kombination aus zwei Visionen.“

Edwards betonte in den eingangs erwähnten Gesprächen stets seinen Glauben an Gott. „Gott steht mir bei, er ist meine Rast und meine Kraft!“ Ein „Risha“-Song heißt nun nicht überraschend denn auch „Teach us to pray“. Hat der strenge Glaube des einen den anderen beeinflusst? Hacke: „Ich glaube, es ist letztlich ein Selbstverständnis als ,kreativer Künstler‘. Damit bist du ein Kreator wie der Allmächtige. Da ist es egal, wo der exakte philosophische Background ist. Ob nun Christentum oder die Dinge, mit denen ich mich beschäftige. Es geht darum, mit letztlich göttlicher Inspiration etwas Neues zu erschaffen. Wir legen großen Wert darauf, mit unserer Kunst Kanäle zu öffnen. Die Wahrnehmung freizulegen. Um eben einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen. Ein Musikerlebnis, das dich upliftet, erhält, erfreut. Das ist mein Weltbild! Wenn man mich fragt, ob ich an Gott glaube, antworte ich gern mit einem Zitat von Carl Gustav Jung: ,Ich habe es nicht nötig, an Gott zu glauben, ich weiß es.‘ Da kann ich etwas damit anfangen. Mit dem oft dargestellten ,grauhaarigen‘ Menschen kann ich nichts anfangen. Abgesehen davon, dass ich nicht getauft bin, also niemals Kirchensteuer hätte zahlen müssen, bin ich aber in einem evangelischen Kindergarten gegangen. Als kleiner Junge war ich Kinderschauspieler für irgendwelche Fernsehrollen. Als meine Mutter gesehen hat, was ich von meinen Gagen an die Kirche abgeben muss, hat sie mich dort abgemeldet. Ich bin auf keinen Fall Teil von organisierter Religion!“

Um abschließend auf die obige Aussage zurückzukommen, bezüglich der Dinge, mit denen Hacke sich beschäftigt: Derzeit arbeitet er mit Gattin Danielle de Picciotto an der aus fünf Teilen bestehenden Reihe „Meditation Soundtrack“. Teil 1, „Unity“, sowie Teil 2, „Joy“, sind bereits erhältlich. Auf diesen Werken werden subjektiv, qualitativ ebenso hochwertig wie mit „Risha“, jedoch durch ein völlig anderes Klangbild, ebenfalls Kanäle geöffnet, um einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen!