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NEGU GORRIAK

Borreroak Baditu Milaka Aurpegi

Der 1963 geborene Baske Fermin Muguruza dürfte einer der bekanntesten Musiker Spaniens sein, spätestens seit Ende der Neunziger war er mit seiner Mischung aus Rock, Pop, Reggae, Ska, HipHop und Drum&Bass im Mainstream angekommen.

Davor allerdings schon hatte er die Neunziger über mit seiner ähnlich crossovernden Band NEGU GORRIAK europaweit in der Alternativ-Szene bis hin zu Punkrockern und in linke Politkreise hinein Erfolge gefeiert – und gründete all das wiederum auf KORTATU, jener außerhalb Spaniens nie außer als in baskophilen Punkrock-Kreisen zu größerer Bekanntheit gekommenen Band, die von 1984 bis 1988 existierte.

Die Idee für die Band, so will es die Legende, hatte Fermin Muguruza schon 1980, nachdem er THE CLASH live gesehen hatte. 1984 setzte Fermin als Sänger und Gitarrist diese Vision zusammen mit seinem Bruder Iñigo (Bass) und Treku Armendariz (Drums) in die Tat um und gründete im baskischen Irún KORTATU, die lupenreinen Ska-Punk mit klarem Verweis auf THE CLASH als Hauptinspiration spielten (Song 2 auf Seite A des Debüts ist „Jimmy Jazz“).

KORTATU und dann auch zu Beginn NEGU GORRIAK, die von 1990 bis 1996 aktiv waren, wurden phänomenologisch dem „Rock Radikal Vasco“ respektive „Euskal Herriko Rock Erradikala“ zugerechnet– sie waren Vertreter einer sich klar links, antifaschistisch (die dunklen Jahre der Franco-Diktatur waren gerade erst vorbei) und unter dem Eindruck spanischer politischer wie kultureller Unterdrückung auch latent baskisch-nationalistisch gebenden Underground-Musikbewegung mit klaren Wurzeln im Punkrock.

Beide Bands veröffentlichten auf dem bandeigenen Esan Ozenki-Label, doch wo KORTATU musikalisch noch klassischen Punkrock spielten, hatten sich Fermin Muguruza und seine Mitstreiter dem geöffnet, was anderswo erst später in den Neunzigern als Crossover bezeichnet wurde: Sie mischten ihre Hardcore- und Punk-Wurzeln mit amerikanischem HipHop (speziell PUBLIC ENEMY), behielten aber auch die Ska/Reggae-Einflüsse von KORTATU bei und wurden damit zur größten Band des Baskenlandes, das damals, in den Neunzigern, noch weit entfernt war von der scheinbar befriedeten Tourismusdestination der Gegenwart – der Konflikt zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern, ETA-Terroristen und spanischer Zentralregierung war sehr präsent.

Für den (hier nicht enthaltenen) Song „Ustelkeria“ wurde die Band von der des darin des Drogenhandels beschuldigten Guardia Civil angezeigt – erst 2001 wurde die Anklage fallen gelassen. NEGU GORRIAK waren in ihren in baskischer Sprache verfassten Texten (englische und spanische Übersetzungen liegen bei) analytisch, radikal und engagiert, eine linke, politische Band in aufgewühlten Zeiten, die mehr war als nur Kommentierer des Geschehens, vielmehr selbst Akteur.

Das macht ihr 1993 erschienenes Doppel-Album „Borreroak Baditu Milaka Aurpegi“, das 2018 wohl auch angesichts absurder Sammlerpreise für das Original neu aufgelegt wurde, zwar zu einem Zeitdokument, ist aber auch nicht in Gänze so zeitlos, wie man sich das wünschen würde – speziell dieser musikalische Crossover ist eben schon sehr Neunziger.

Dennoch, ein Meilenstein der baskischen Gegenkultur.