DONOTS

Foto© by Danny Kötter / thezitterman

Keine Kompromisse, keine Wiederholungen

„Heut ist ein guter Tag“ ist ein programmatischer Plattentitel in diesen Zeiten, er ist motivierend und anmaßend zugleich. Und auf jeden Fall ein Anlass Fragen dazu zu stellen. An Ingo Donot, der nicht erst seit gestern „das Gesicht“ der DONOTS ist, denn auch abseits der Bühne ist er der Vorturner der Band, der sozialmedial und im realen Leben – zumindest was die von mir besuchten Konzerte betrifft – präsent ist. Dass das letzte Album „Lauter als Bomben“ auch schon wieder fünf Jahre her ist, hatte ich darüber fast verdrängt, denn es gab auch zwischendurch immer wieder mal Gründe, sich zu unterhalten, etwa 2021 Ingos Nebenprojekt DUCHAMP. In diesem Interview aber ging es um die DONOTS. Aus Ibbenbüren.

Wer in Köln auf Konzerte geht, weiß, dass du nicht in Ibbenbüren wohnst. Im Info zu eurer neuen Platte steht aber mal wieder: „Die DONOTS aus Ibbenbüren.“ Warum dieses Ibbenbüren als Anker, immer noch, auch nach 28 Jahren?

Ach, ich finde das ganz romantisch, dass man so ein bisschen konterkariert, dass Bands immer so auf dicke Hose machen, von wegen „Wir kommen aus New York“, „Wir kommen aus Berlin“, und so weiter. Ich finde es charmant zu sagen, wir kommen aus Ibbenbüren, weil das eben nicht cool klingt, ich finde das lustig. Und ich verbinde nach wie vor die allerbesten Dinge mit Ibbenbüren. Da kommen unsere Eltern her, das ist der Ort, wo wir uns gegründet haben, wo wir die ersten Proben hatten, und wir haben immer noch eine total gute Verbindung zur Scheune, dem Jugendzentrum da. Das ist unser Dank an eine Stadt, die uns von Anfang an unterstützt und auf Händen getragen hat.

Ach, come on, dann wart ihr aber nie richtige Punks, wenn die Stadt euch damals schon gemocht hat. Als Provinzpunk ist man „at war“ mit seiner Stadt, weil alles scheiße ist, und die blöden CDU-Wichser machen einem auch noch das Jugendzentrum zu.
Das war ja so damals! Ich habe ja das Rockbüro, so hieß das damals, in der Scheune gemacht und alle möglichen Konzerte veranstaltet. Wir lagen immer im Clinch mit der Stadt und vornehmlich den CDU-Leuten, die immer die Scheune dichtmachen wollten, so dass wir jede Woche antanzen durften beim Stadtrat und sagen mussten, warum wir ein Konzert der TERRORGRUPPE veranstaltet haben, wo auf dem Plakat stand: „Live Pogo & Fick Party in der Scheune“. Oder wir mussten erklären, warum die KASSIERER Kunst sind. Du warst die ganze Zeit in so einem Erklärungszwang. Aber das war nur der eine Teil der Stadt. Auf der anderen Seite hast du eben diese Jugend-Subkultur gehabt, die Scheune, die immer ihr eigenes Ding gemacht und den Leuten DIY beigebracht hat. Die Shows waren günstig, denn wir hatten einen Kulturtopf von der Stadt, aus dem konnten wir uns bedienen und so unsere Lieblingsbands einfach dahin buchen. Und dadurch hatten wir eben auch GREEN DAY in der Scheune.

Und genau das ist auch wichtig, bis heute, auch in einer Stadt wie Solingen. Kulturförderung kann ruhig auch mal in Punk-Konzerte fließen, das muss nicht immer nur an Schützenvereine gehen. Vor diesem DIY-Jugendzentrums-Background ist das, was die DONOTS heutzutage an Konzerten spielen, allerdings weit entfernt. Du kannst natürlich jetzt sagen, finde mal ein Juze, wo an die 7.000 Leute reinpassen – um mal auf die doppelt ausverkaufte Halle Münsterland im November 2022 anzuspielen. Alternative Strukturen fördern wird also schwer bei der Art der Locations, die ihr heute bespielt. Was kann man da an Ideen noch umsetzen?
Man hat schon eine ganze Menge in der Hand als Band, und alle, die einem irgendwas anderes erzählen, das sind Leute, die sich nicht wirklich Gedanken gemacht haben oder nicht mal aufs Papier geguckt haben, an welchen Stellschrauben man was drehen kann. Ich feuere da jetzt in Richtung BLINK-182, die ich eigentlich mag, aber die haben jetzt Ticketpreise, da schnallst du ab ...

Da werden die Tickets nach Gebot versteigert. Wer am meisten zahlt, bekommt die besten Tickets. Für über 200 Euro.
Genau. Und das ist für meinen Punk-Anspruch eben nicht cool. Und dann hinzugehen und wie Mark Hoppus nur einen Tweet loszulassen, in dem es sinngemäß heißt, man freue sich, dass die ganze Tour ausverkauft sei, an den Ticketpreisen könne man nichts machen, daran sei der Schwarzhandel schuld. Man entschuldigt sich, aber man macht nichts, das finde ich doof. Wir versuchen, eine gute Balance hinzubekommen. Na klar spielen wir jetzt in den mittelgroßen Hallen, das haben wir uns über 29 Jahre aufgebaut. Aber wir machen zwischendurch auch so Sachen, dass wir noch mal in der Scheune spielen und der komplette Erlös fließt da in Proberäume. Oder wir bringen eine 7“ raus und der Gewinn daraus geht an das Jamel rockt den Förster, damit das Festival weiterbestehen kann.

Man muss sich als jemand, der in einer Band ist, eben dafür interessieren, und nicht immer alles auf das Management schieben und sagen, man könne sich ja nicht immer selbst um alles kümmern.
Wir können das ja gar nicht machen: Wir sind unser eigenes Label, wir sind unser eigenes Management, wir machen alles komplett DIY. Wir sind einfach nur wir fünf plus Tessa, die uns im Alltagsgeschäft labelmäßig hilft, und dann holen wir uns für die Releases Leute dazu, die Promo machen.

Wenn man sich deine Social-Media-Präsenz anschaut, man hat schon das Gefühl, dass du 90% des Tages nichts anderes macht, als dich um irgendwelchen „Bandkram“ zu kümmern.
Es ist echt schwer, Leuten zu erklären, die nur so von außen draufschauen und eigentlich nur das mitkriegen, was über Social Media, in Videos oder in Interviews stattfindet, was es bedeutet, eine Band zu haben. Das ist mehr als nur Fun & Games. Du mit deinem Heft weißt, wie viel Arbeit es ist, von der Pike auf etwas selbst zu machen. Und du weißt auch, wie belohnend das ist, wenn man es hinbekommt, so ein Magazin wie das Ox über so viele Jahre aufrechtzuerhalten. Aber das ist eben Fluch und Segen gleichermaßen. Wir können uns nicht nur nine-to-five um diese Band kümmern. Wenn ich den Computer ausmache, bin ich immer noch der Typ aus der Band und dann rattern trotzdem die ganze Zeit die Rädchen in meinem Kopf und wir überlegen alle gemeinsam, was können wir noch alles tun. Man muss nur irgendwann eine gute Balance hinbekommen, wie man das Bandzeug auf der einen Seite händelt und auf der anderen das Privatleben. Mittlerweile haben wir elf „Bandkinder“. Und ich kann dir sagen, es ist haarig, da eine Terminplanung zum Proben hinzubekommen. Weil natürlich das andere im Leben mindestens genauso wichtig ist, wenn nicht sogar wichtiger. Das Schöne ist, dass wir mit der Musik ein 24-Stunden-Hobby haben, mit dem wir unseren Lebensunterhalt bestreiten und den unserer Familien mitfinanzieren. Das ist eine ganz, ganz glückliche Fügung. Und ich weiß, dass heute immer der wichtigste Tag ist und jetzt der wichtigste Moment und alles, was ich jetzt mache, den Weg ebnet für das, was in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten kommt. Und ich kann diese Band ja auch nur eine gewisse Anzahl an Jahren machen. Ich sehe mich ehrlicherweise nicht mit siebzig Jahren noch auf einer Bühne stehen.

Ach, rede mal mit Campino darüber. Oder mit Iggy.
Wenn du das so machst, dann ist das auch okay. Aber wie viele haben diesen ikonischen Status, denen man auch abkauft, dass das cool ist? Da gibt es nicht so viele. Vielleicht werde ich das mit siebzig anders bewerten. Weißt du, eine Band ist etwas so Delikates. Also diese Mikrochemie von uns fünfen, die ganzen Ideen, die man hat, all das, was man umsetzen möchte ... Das ist so sehr auf Sand gebaut, und egal, wie gut das gerade läuft für unsere Band, kann das von jetzt auf gleich einfach vorbei sein. Und dann bin ich an dem Punkt, wo ich sagen muss, ich habe nichts gelernt, ich habe mal Englisch und Deutsch studiert.

Wenn man aber quasi so „zum Erfolg verdammt ist“, wie sehr muss man sich dann disziplinieren und motivieren, damit diese Band jeden Tag und jede Woche das Geilste ist?
Das ist lustigerweise etwas, das ich mich niemals gefragt habe. Weil ich wirklich ganz kitschig, klebrig, romantisch und pathetisch sagen kann, es ist mir einfach immer noch genauso wichtig wie früher. Oder es wird mir jeden Tag noch wichtiger, weil ich weiß, auf was für einer „Reiseflughöhe“ wir uns heute bewegen und ich niemals damit gerechnet hatte. Dass wir im 29./30. Bandjahr zweimal die Halle Münsterland ausverkauft haben mit insgesamt 13.000 Leuten, das kann ich immer noch kaum fassen. Ich denke jeden Tag, ich habe das tollste Leben, ich kann mich nicht beschweren. Um nun also deine Frage zu beantworten: Wir müssen uns nicht motivieren. Wir haben immer noch die geilsten schlechtesten Ideen, setzen die um und kommen damit durch.

Zum Beispiel?
Den Opening Slot bei Rock am Ring zu spielen 2022, vor 90.000 Leuten. Was kannst du machen, um das zu einer richtigen Party werden zu lassen? Man könnte ja mal DIE TOTEN HOSEN fragen, ob sie nicht als Secret Special Guests bei uns auf die Bühne kommen ... Dann haben wir angerufen und irgendwann kam ein Rückruf, erst von Andi, dann von Kuddel, dann war Campi dran. Der meinte: „Ach, Ingo, eigentlich eine total geile Idee, aber da sind wir gerade mitten in unseren Tourproben, wir haben die ganze Crew am Start da im Ruhrgebiet, das sind ziemliche Kosten. Aber ... weißt du was, wir machen das!“

Irgendwo las ich was von 28 Jahren DONOTS. Du hast gerade 29 gesagt, aber auch 30 ... Wann wird nun offiziell der 30. Geburtstag gefeiert werden?
Also der 30. Geburtstag ist im April 2024. Planerisch habe ich 2022 schon abgehakt, da waren wir bei 28, 29 als offizielle Zahl passt also gerade.

Dann hätte man das neue Album auch gleich auf den 30. Geburtstag schieben können. Das letzte war 2018, verdammt lange her, da wäre es auf ein Jahr mehr doch auch nicht angekommen, oder? Ist das jetzt das In-between-Album, bevor 2024 die Triple-Vinyl Best-Of-Compilation kommt?
Wir haben schon so ein paar Ideen, was wir zum Dreißigsten machen wollen. Das neue Album ist jetzt aber erst mal das zentrale Ding. Wir freuen uns so sehr, dass es jetzt endlich wieder weitergeht, denn wir hatten Ende Dezember 2019 auf der Bühne gesagt, wir machen jetzt mal Pause, es gibt keine weiteren Pläne, wir kommen wieder, aber wollen erst mal bei unseren Familien sein und dann irgendwann ganz in Ruhe anfangen, ein neues Album zu schreiben. Dann haben wir aber natürlich schon früh angefangen, wieder rumzuwerkeln, denn als Selbständiger macht man ja immer weiter. Wegen der Pandemie hat dann hier eine Studiosession nicht geklappt, da mussten wir was verschieben, und so weiter. Da haben wir uns hingesetzt und überlegt, wie lange wollen wir uns eigentlich Zeit geben, nichts zu machen. Irgendjemand hat das so gesagt: Lasst uns doch quasi auflösen, in zwei Jahren wieder treffen und dann machen wir weiter. Da sagten die anderen, dann ist das letzte Album fünf Jahre her, bist du bescheuert? Tja, jetzt stehen wir da und das letzte Album ist wirklich fünf Jahre her, weil allen die Hände gebunden waren. Das war so nicht geplant.

Es gibt Bands, die einfach zusammen ins Studio gehen, jeder hat drei neue Songs dabei und dann ist in einer Woche das Album fertig. Warum dauert das aber bei euch, mal ganz realistisch betrachtet, so endlos lange, und wird das nicht jedes Mal länger? Meine Theorie ist, dass manche Bands recht unbefangen ein paar Stücke raushauen. Bei eurem Album aber fiel mir auf, dass alle Songs gewissermaßen einem Konzept entsprechen. Ich finde, da sind typische „Abgeh-Songs“ dabei, denen man die Live-Umsetzung direkt anhört. Oder ein Song wie „Es tut nur weh, wenn ich lache“ für den wüsten Circle Pit, einer mit Ska-Elementen ... Ich bilde mir ein, dass da immer mitgedacht wurde, wie das live funktioniert – so wie ein Comedian seine Gags strategisch in seinem Programm platziert, um die Stimmung zu halten.
Ja, das könnte man so verstehen und so sehen. Es ist aber ganz anders, viel ungeplanter. Seit 2008, seit unserem „Reset“, arbeiten wir mit Kurt Ebelhäuser zusammen, und diesmal auch mit Michel Wern. Seit damals haben wir rausgefunden, dass es viel geiler ist, gar nicht mit fertigen Songs ins Studio zu gehen, weil du im Grunde genommen nur noch nach dem Prinzip „Malen nach Zahlen“ die „Reinschrift“ machst von einer fertigen Vorproduktion. Das kannst du innerhalb von einer Woche gewuppt kriegen, wenn du komplett fertige Stücke hast. Aber die Songs klingen dann meistens auch genauso. Die klingen sehr durchdacht, nicht spontan, die haben keinen Rotz. Bei uns dauert das deshalb so lange mit einem Album, weil wir Sessions machen von fünf bis sieben Tagen, und wir wissen an keinem Tag morgens, was wir abends auf Band haben werden. Wir hören dann zusammen sehr viel Musik, ganz verschiedenes Zeug, von Death Metal bis zu irgendwelcher Achtziger-Mucke. Dann gehst du deine Demos durch: Scheiße. Scheiße. Schockt nicht. Schockt nicht, ganz geiles Riff. Weiter, weiter, ganz geiler Beat. Lass uns mal probieren, mit dem Beat dieses Riff zu spielen. Und dann fangen wir an zu jammen und das Grundgerüst vor einem Song herzustellen. Die Idee, wie ein Refrain dafür sein könnte, kommt dazu, und so weiter. Dann wird quasi Open Mike gemacht, man legt ein Mikro hin, es heißt: Okay, wer hat Gesangsideen? Und dann kann jeder seine Idee reinhusten mit einem Fantasietext. Und wenn wir uns schließlich geeinigt haben am Ende des Tages, schaue ich mir an, was ich so in meinem Portfolio an Texten gesammelt habe und was passen könnte. Was macht der Song mit mir gefühlsmäßig, was passt textmäßig am besten? Und dann fange ich an, Text-Sudoku zu spielen. Also eigentlich probieren wir heutzutage mehr denn je, immer den Moment regieren zu lassen und wirklich sehr „frisch“ zu schreiben, damit nichts „ausgedacht“ ist. Aber klar ist, dass wir jeden Song. separiert von den anderen betrachten: Ein guter Song ist ein guter Song. Früher haben wir viel mehr darauf geachtet, dass alles den gleichen Beat hat, die gleiche Geschwindigkeit, damit das „Punk“ ist. Heute ist alles, was wir machen, zunächst DONOTS und zugelassen. Auf diese Weise haben wir irgendwann 15 bis 18 Tracks aufgenommen, und dann kommt die Arbeit, wo du dir überlegst, was für ein Album du haben möchtest: Einen Überhang an poppigen Nummern? Vornehmlich harte Sachen? So fügen wir das dann zusammen. Wenn alle ein Grinsen im Gesicht haben bei der Songauswahl, dann ist es richtig. Meistens sind immer so neun Titel unstrittig, wo alle wissen, die kommen auf jeden Fall aufs Album, und bei den restlichen, da muss man dann schauen.

Und was nun meine Frage betrifft ...?
Ja, du hast natürlich schon recht. Mehr denn je achten wir heute darauf, dass Songs live funktionieren. Gar nicht so sehr kalkuliert im Sinne von „Wir brauchen jetzt noch einen Song zum Hüpfen“ oder so. Die Idee ist eher, wenn es einen Song gibt, der das Potenzial dazu hat, das Gefühl zu maximieren.

Der Unterschied zwischen „kleinen“ Bands und einer wie eurer ist definitiv der „Luxus“, sich so eine aufwändige Albumproduktion leisten zu können, finanziell wie zeitlich. Andererseits entstanden viele Punk-Klassiker aus der Not heraus in wenigen Tagen und Stunden.
Bei uns ist diese Arbeitsweise dem Luxus geschuldet, dass wir unser eigenes Studio besitzen. Bei unserem Proberaum haben wir irgendwann den Pachtvertrag übernommen, das Ding ist in so einem Zweiter-Weltkriegs-Bunker in Münster. Da war schon ein Studio drin, das war super alt, Asbest hinter jeder Wand, keine Klimaanlage, kein Tageslicht. Das haben wir alles mit einem Kumpel zusammen entkernt und professionell ausgebaut. Das ist ein Studio, das wir auch anderen Bands anbieten, zuletzt haben da SMILE AND BURN und BLOODSTRINGS aufgenommen, und auch SAMIAM haben da für die neue Platte ein paar Demos aufgenommen auf ihrer Tour vor Corona. Und ja, das eigene Studio ist ein großer Luxus, aber du darfst trotzdem nicht METALLICA werden. Da gehst du nicht neun Monate am Stück hin und legst alles so lange auf Wiedervorlage, bis auch der Letzte verstanden hat, wie das Riff funktioniert. Deswegen sagen wir, lass uns bitte jetzt auf Record drücken und schauen, was abends da ist. Wenn es Shit ist, wegschmeißen. Wenn’s geil ist, nehmen wir’s.

Was denkst du, interessieren solche Aspekte jemanden außer uns beiden jetzt im Moment? Oder sagen die Leute, egal, Hauptsache, die Platte ist geil.
Also ich betrachte unsere Band immer auch aus der Fanperspektive. Ich finde, man muss Fan von seiner eigenen Band sein, sonst ist das ja alles nichts. Solche Sachen sind für mich also relevant. So Tech Talk, das ist absolut nicht für jeden, all diese Studiodetails und so, aber ich weiß selbst aus Fanperspektive bei Bands, die ich mag, dass ich solche Details aufsauge. Wenn eine JAWBREAKER-Doku erscheint, dann muss ich die sehen, weil ich wissen will, wie „Dear You“ entstanden ist. Das ist für mich super relevant. Du musst also immer auch der größte Fan deiner eigenen Band sein, gerade auch wenn du ein eigenes Label hast. Du musst dir überlegen, was könnten noch gute Dinge sein, die man da raushaut an die Menschheit. Was könnte die Leute interessieren?

Kurt Ebelhäuser hat auch wieder das neue PASCOW-Album produziert. Was macht diesen Kurt Ebelhäuser aus, dass man sich den als „Bundestrainer“ mit ins Studio nimmt?
Zunächst ist Kurt einer der nettesten und sympathischsten und herzlichsten Menschen, die du dir vorstellen kannst. Der hat so ein großes Herz, der ist so empathisch, hat so offene Ohren für alle Ideen. Und er ist gleichwohl jemand, der dir ungeschönt sagt, wenn er etwas richtig scheiße findet. Aber auch nicht so, dass du das als eine Beleidigung auffasst, sondern eher dass du dich herausgefordert fühlst. Er ist ein sehr guter „Schleifer“, wenn du so willst. Unser Erstkontakt mit Kurt war, als wir damals mit den DONOTS mit seiner Band BLACKMAIL zusammen gespielt haben. In Sachen Studio war es so, dass er irgendwann auf einem Festival zu uns gekommen ist, Zigarette im Mund, sich etwas nach vorne gelehnt hat und dann sagte: „Ihr seid so eine geile Band, aber alle eure Platten sind komplette Scheiße.“ Wahrscheinlich hätten eitle Bands in dem Moment gesagt „Ja, dann fick dich doch!“ und wären gegangen. Wir fanden das aber cool. Wir waren damals noch in diesem Kosmos mit Majorlabel und so weiter, wo alle dir die ganze Zeit sagen, wie super alles ist. Wir fanden Kurts Aussage deshalb auf eine gute Art sehr ehrlich. Und er hat dann einfach gesagt, kommt zu mir, ich will für die erste Demosession gar nix haben an Kohle. Ich will euch einfach nur zeigen, das geht besser. Und dann sind wir wirklich da hingefahren für drei oder vier Tage und konnten hinterher nicht glauben, wie unsere Band klingen kann. Der Rest ist Geschichte. Der Typ ist ein komplettes musikalisches Genie. Der hat immer genau diese eine entscheidende Idee mehr. Das ist nicht einfach Pflichterfüllung, was der macht. Der macht sich Gedanken, der versucht, das Ganze aufs nächste Level zu heben, der probiert aus, der hat keine Presets. Der sagt: Ein guter Song ist ein guter Song und lass mal gucken, was passiert. Und dann kann das Pendel in beide Richtungen ausschlagen. Entweder hast du am Abend etwas aufgenommen und denkst am nächsten Tag: Holy fuck, wie geil ist das bitte, was für einen tollen Moment haben wir da eingefangen? Oder du merkst, dass es so war, als ob du einen Berg runter rennst und deine Beine immer schneller werden und du glücklich sein kannst, wenn du auf den Füßen unten ankommst. Aber meistens fliegst du auf die Schnauze. Dann war der Ritt ganz gut, aber du musst letztlich sagen: Okay, das war nichts. Diese Spontanität macht das Arbeiten mit Kurt aus.

Gibt es einen Aspekt des neuen Albums, zu dem du unbedingt etwas erzählen willst, wo es aber vielleicht eher unwahrscheinlich ist, dass dir jemals jemand eine Frage dazu stellt?
Ich hoffe, das Album transportiert, dass es uns musikalisch wichtig war, dass wir uns nicht wiederholen. Wir hatten sogar einen Zettel im Studio aufgehängt, auf dem stand: Keine Kompromisse, keine Wiederholungen. Wenn wir etwas auf einer anderen Platte schon besser gesagt haben oder pointierter oder ähnlich gemacht haben, dann sollte das nicht stattfinden auf dieser Platte. Was mir aber ganz wichtig ist, und ich hoffe, dass das transportiert wird, ist, wie viel Gedanken wir uns darum gemacht haben, dass diese Platte eine gewisse Leichtigkeit hat bei all dem, was da draußen in der Welt gerade passiert. Wir haben also überlegt: Okay, machen wir eine Platte, die sehr politische Texte hat? Oder machen wir eine, die voll aufs Maul haut? Und dann sind wir an den Punkt gekommen, in der ersten oder zweiten Session, wo wir gesagt haben, noch mehr schweren Stoff kann momentan wirklich keiner gebrauchen. Das sind so beschissene Zeiten! Und dann stand schnell dieser Albumtitel „Heut ist ein guter Tag“. Das ist eine Textzeile, die in zwei Songs vorkommt. Eigentlich wäre es am schönsten, wenn Leute dieses Album hören und denken: Ja, das kann ich genau zu dieser Zeit gut gebrauchen, weil mich das gut unterhält. Nicht zahnlos, nicht haltungslos, aber nicht mit so einer Schwere beladen, nicht mit einer belehrenden Haltung. Na klar hätten wir noch einen Song gegen rechts schreiben können, es kann nie genug Statements gegen rechts geben. Aber es gibt da schon genug Songs, die eigentlich nur Pflichterfüllung sind, um das mal gemacht zu haben. Wenn, dann kommen solche Statements auf der neuen Platte eher im Subtext, weil wir nicht wollten, dass das so plakativ wird und weil das Ganze eben eine gewisse Leichtigkeit behalten sollte. Erhobene Zeigefinger, Belehrung und noch mehr Grabenkämpfe kann momentan auch echt keiner gebrauchen.

Der Blumenstrauß auf dem Cover – ist der vom Floristen oder frisch von der Wiese? Und ist es dein Unterarm?
Es ist mein Unterarm und der Blumenstrauß ist von der Tanke. Wir hatten eine Fotosession und ich fand es irgendwie ganz nett, ein paar Blumen auf dem Bild zu haben. Und dann ist unser Bassist Purgen losgegangen und hat an der Tanke einen besorgt. Ich witzelte dann mit unserem Fotograf Danny „Zitterman“ Kötter, dass da jetzt doch sicher gleich das Albumcover dabei herauskommen werde, und siehe da, es war wirklich so einfach.

Du erwähntest gerade schon „Grabenkämpfe“ und beziehst dich damit auf diverse Diskussionen im Umfeld der Punk- und Hardcore-Szene, die in den letzten Jahren vornehmlich sozialmedial sehr vehement und bisweilen verletzend geführt wurden und werden. Immer wieder schaltest du dich da ein, mäßigend und moderierend. Warum willst du dich an dieser Stelle einbringen? Warum nimmst du das in so einem vergifteten Kontext wie Facebook überhaupt noch auf dich?
Ich mache das mittlerweile gar nicht mehr so oft. ich habe das früher öfter getan. Ich halte es mittlerweile für vertane Lebenszeit und vergeudete Lebensenergie, mich mit Leuten im Internet zu fetzen. Darauf habe ich eigentlich gar keinen Bock. Aber nimm solche Sachen wie die mit Armand von SICK OF IT ALL ...

Der postete mitten in der Pandemie dumme Schwurbelscheiße in Sachen Impfung, „medical tyranny“ war sein Schlagwort. Du hast ausführlich widersprochen.
Bei solchen Leuten kann ich in der Tat meine Schnauze nicht halten. Der war einer von den Leuten, die mich mit SICK OF IT ALL musikalisch wie textlich sozialisiert haben und mich zu dem gemacht haben, was ich heutzutage bin. Und das trifft mich auf eine ganz traurige Art mitten ins Herz, wenn meine Helden von damals auf einmal solchen Bullshit posten. Und wenn dazu noch ein Video von einer Seite namens „Cops for Freedom“ gepostet wird von einer Schwurbler-Demo, wo eine ältere Frau und ein anderer Demonstrant unsanft von den Bullen angegangen werden. Und daraufhin habe ich geschrieben: Pass mal auf, mein Lieber, das bricht mir gerade das Herz. Da posteten dann viele Leute was dazu, viele aus Europa und gerade auch aus Deutschland, auch ein einstiger SOIA-Tourmanager. Da war Konsens, Bullengewalt ist absolute Scheiße, aber dieses „Cops for Freedom“-Video zu nehmen, aus dem Kontext gerissen, und damit im Grunde genommen Schwurblern zu applaudieren und dann noch von „the big turnover is in the making“ zu reden, nee, das geht gar nicht.

Ich stelle mir da aber auch die grundsätzliche Frage, ob manche Leute in der Szene, auch aus New York, vielleicht schon immer totale Schwachmaten waren. Nur wir haben es verdrängt, Unity und so, oder die haben es gut verbergen können. Manches an Differenzen ließ sich auch übertünchen, doch seit der Pandemie merkt man an verschiedenen Stellen, dass es in dieser Szene eine ganze Menge dummer Arschlöcher gibt, egal, in welcher Form sich das äußert. Und dass es progressive Leute gibt, die sich ein bisschen mehr Gedanken machen.
Ich bleibe da hoffnungsvoll. SICK OF IT ALL sind eine tolle Band mit richtig tollen Ansätzen und und die haben mir wirklich den Weg geebnet. Am Ende des Tages schützt das aber trotzdem nicht davor, dass man es Leuten aufs Brot schmieren muss, wenn sie Scheiße reden. Ich glaube nicht, dass das immer schon Arschgeigen waren und es auf der anderen Seite jene gab, die es schon immer besser gemacht haben. Jeder macht Fehler und ich hänge ganz bestimmt nicht Leute an einer einzigen Sache auf, die sie mal von sich gegeben haben. Wer weiß, vielleicht hat Armand an dem Tag einfach einen Furz quer sitzen gehabt. Ich habe mir abgewöhnt, mit Leuten Grabenkämpfe im Internet zu betreiben oder überhaupt mit Nazis zu reden. Das bringt niemand was. Wenn ich Statements raushaue, wie zum Beispiel bei Armand, dann mache ich das, weil ich Hände reichen möchte, weil ich sagen möchte, pass mal auf, so sieht das bigger picture aus, an dieser Stelle liegst du falsch. Am Ende des Tages geht es doch darum: Wir haben diese Subkultur, weil uns gewisse Dinge einen. Und sollte man dieses Gemeinsame nicht eher stärken, statt Grabenkämpfe zu führen? Uns allen wohnt ein Kulturpessimismus inne, und das ist unsere größte Chance. Es ist ganz wichtig, dass man sich das behält und Fragen stellt. Das war doch immer der Hintergedanke dieser Subkultur.

Du hast da einen ganz schön sozialpädagogischen Ansatz: Leute, lasst uns doch alle mal zusammen im Stuhlkreis über alles reden. Andere Kräfte betreiben ganz entgegengesetzte Spielchen, die proklamieren: Ihr seid nicht mehr Punk! Nicht bezogen auf die DONOTS, sondern auf eine andere bekannte Band. Da wird eine Deutungshoheit beansprucht, die mich mit sehr vielen Fragezeichen über dem Kopf zurücklässt. Man denkt: Wow, was ist da passiert?
Das kann ich absolut unterschreiben, das ist eine ganz traurige Sache. Gleichwohl finde ich es gut, wenn Traditionen auf den Prüfstand gestellt werden, und das macht auch vor einer Szene nicht halt. Auch eine Szene kann full of bullshit sein an dieser und jener Stelle. Ich halte es für absolut unterstützenswert, dass etwas passiert für die Sichtbarkeit von Frauen auf Festivals, auf Konzerten, in Magazinen. Das finde ich super. Ich habe aber ein Problem damit, wenn die Überschriften größer werden als die Inhalte. Und das kann ich auf alles anwenden. Wenn also ein Thema zum Selbstzweck wird, um sich selbst zu highfiven und viele „Daumen hoch“ in den Social Networks unter dem Posting zu bekommen für das, was man da selbst abgeliefert hat, da wird es immer traurig. Bei Punk hat sowieso jeder seine eigene Definition von dem ganzen Bullshit, deshalb sage ich dazu nur so viel: Ich freue mich immer noch, dass man keinen Punk-Führerschein machen muss, um dazuzugehören.

Müsste man für die Punk-Führerscheinprüfung zwingend nüchtern sein, das wäre die nächste Frage ...
Ja, und müssen alte Leute den Führerschein noch mal neu machen, damit sie im hohen Alter noch fahren dürfen? Vielleicht ist das auch das Problem mit diesen alten Bands, die auf einmal so abschwurbeln: dass sie vielleicht den Punk-Führerschein mal erneuern müssten.