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KONTROLLE

Zwei

Als Kind der Achtziger und aus einer Kleinstadt stammend, hatte ich nie einen „Dünkel“, was das Miteinander veschiedener Genres anbelangt. DEAD KENNEDYS, BLACK FLAG, HÜSKER DÜ, SONIC YOUTH, JOY DIVISION, SIOUXSIE AND THE BANSHEES, BAUHAUS, CHRISTIAN DEATH, SISTERS OF MERCY, Waver, Punks – alles eine Familie. Komisch nur, dass viele andere da weitaus weniger tolerant waren: Punk, Hardcore cool, aber die „Schwarzkittel“-Musik: bäh. Irgendwann, vor zehn Jahren vielleicht, begann sich das zu ändern, und plötzlich war es ok, als echter Punk auch Goth, Wave, Post-Punk zu hören, und ich vernahm das zunächst mit Verwunderung ob des Sinneswandels so mancher, aber auch mit Genugtuung und Freude. Seitdem sind zig spannende Platten aus jenem Spannungsfeld erschienen, wurde die Wave-Szene (auch ich habe Vorurteile) diverser, musikalisch spannender, denn da schien oft Kostümball über Content und musikalischer Innovation zu stehen – da war zu wenig Punk! In gewisser Weise sind KONTROLLE – ohne dem Düsseldorf-Solinger-Trio irgendwas in Richtung eben genannter Entwicklung zu unterstellen – ein Kind jener Jahre. Gerade mal seit 2017 existiert die Band, und ich erinnere mich noch gut, wie Carsten Wagner (Ex-FORCED TO DECAY, BLANK; Gitarre, Synthies) mir die ersten Songs mailte, ich begeistert war und ihn spontan überredete, die erste KONTROLLE-Show Ende September 2017 zusammen mit EA80 zu spielen. Die Anwesenden waren verblüfft und begeistert, das erste Demo gefiel, und 2019 kam mit „Egal“ das Debütalbum, das schon für einiges Aufsehen sorgte. „Baumarkt“ entwickelte sich zu einem kleinen Hit. Und nicht nur hier konnte man erkennen, dass Daniel (BLANK; Bass, Gesang) sich gefühlt aus dem Stand zu einem wortgewaltigen Texter entwickelt hatte: keine Slogans, keine Floskeln, sondern deutsche Lyrics voll auf den Punkt, absurd, politisch, analytisch. Genau das setzen KONTROLLE auf ihrem neuen Album fort: einerseits sind da die getrageneren Songs wie „Wir warten“, wo Daniel seine gesanglichen Qualitäten in Form eines dunklen „Croonens“ zeigt, aber ohne falschen Pathos und mit einem mitgedachten Kopfnicken Richtung Mönchengladbach, und dann – fast so, als sei der Sängerposten doppelt besetzt – wird er zum Wüterich, shoutet Worte, Halbsätze mit Slogan-Charakter raus, um dann zu Sprechgesang zu wechseln. Was „Baumarkt“ auf dem Debüt war, ist „Zugang zu Informationen“ auf „Zwei“: ein echter Hit, den es auch als coolen Remix auf 7“ gibt. 12 Songs, mindestens die Hälfte („Mein Platz bleibt leer“, „Warentrenner“, „Badeanstalt“, „Minibar“ ...) bleibt unmittelbar hängen – auch weil dieser wuchtige Düsterpunk erneut von Role (Tonmeisterei) so enorm wuchtig aufgenommen wurde. Nicht vergessen werden darf bei dieser Band natürlich die prägnante grafische Komponente, für die Drummer Andrew verantwortlich zeichnet.