BEARTOOTH

Foto© by Karo Schäfer

Keine Verschnaufpause

Für BEARTOOTH geht es weiter hoch hinaus: Mit ihrem neuen Album „Below“ beweisen die Jungs aus Columbus, Ohio, dass sie zu wahren Metalcore-Giganten herangewachsen sind. Wir sprechen mit Frontmann Caleb Shomo über das neue Album, Tourneen und die im Lockdown aufgestaute Energie. Außerdem verrät er, wie es um ein weiteres Album steht.

In der Metalcore-Szene gibt es viele erfolgreiche Bands, die ihre Musik hin zu weniger aggressiven Sounds verändern oder mehr mit elektronischen Elementen herumspielen, wie BRING ME THE HORIZON­ oder ARCHITECTS, aber auf „Below“ hat man das Gefühl, dass du bei BEARTOOTH deinen Wurzeln treu geblieben bist und mit härteren, aggressiveren Klängen experimentiert hast. Fühlst du dich im Metalcore einfach zu Hause?

Ich denke, es ist einfach das, was ich am besten kann und was ich vermitteln will, wenn ich BEARTOOTH-Songs mache. Ich bin schon in sehr viele verschiedene Richtungen gegangen. Ich habe Songs herausgebracht, die sehr sanft sind, ich habe Songs, die heavier sind, aber ich denke, in der Phase, in der ich mich zuletzt befand, in meinem persönlichen Leben und in meiner Karriere, wollte ich einfach ein hartes Album machen und mich auf viel Energie live konzentrieren. Das war sozusagen die Hauptsache. Vielleicht wird es eines Tages wieder seichter und ruhiger, aber im Moment mag ich es wirklich, die harten Sachen zu spielen, das macht mir live am meisten Spaß.

Du könntest dir also vorstellen, in Zukunft mit mehr elektronischen Elementen zu arbeiten, wie andere Bands?
Ich weiß nicht so recht. Ich denke, dass ich gerne mehr mit Gitarrensounds experimentiere und es bei den fünf Mitgliedern unserer Band belassen möchte. Wir haben zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang. Wir sind sehr einfach gestrickt, aber ich denke, man kann damit unglaublich kreativ sein. Ich habe schon viel elektronische Musik gemacht, und das ist großartig und macht mir viel Spaß, aber mit BEARTOOTH versuche ich wirklich, mich selbst herauszufordern: Was kann ich ohne Computer machen, ohne eine Menge Tracks zu spielen, wenn wir live sind? Ich möchte, dass jeder Sound, den man hört, von jemandem aus der Band auf der Bühne erzeugt wird. Nichts gegen Leute, die Tracks benutzen, das ist alles toll. Für das, was ich machen will, ist es einfach eine kleine persönliche Herausforderung zu sehen, wie weit ich es auf die altmodische Art und Weise bringen kann.

Du hast erwähnt, dass das Album sehr energiegeladen ist, und ich denke, dass man als Hörer bei dem neuen Album kaum die Möglichkeit hat zu verschnaufen. Liegt das an der während des Lockdowns aufgestauten Energie? Oder woher nimmst du das her?
Im Lockdown konnte die Energie nirgendwo hin, also ging sie einfach weiter in die Songs und in die Musik. Ich wollte nicht, dass die Platte nachlässt. Ich wollte, dass sie irgendwie das widerspiegelt, was ich in dieser Zeit der Abriegelung gefühlt habe, also habe ich versucht, alles in dieses Album zu packen.

Euer neues Album scheint etwas ganz Besonderes zu sein, denn ihr bringt im November ein Graphic Novel heraus, das die Geschichte dahinter erzählen soll. Wie kam es zu dazu?
Ehrlich gesagt war es einfach nur so zum Spaß. Mit all den neuen Bildern, die wir haben, mit der Einführung des Charakters – wir nennen ihn „Beary“ –, der auf dem Cover ist ... Das fühlte es sich so an, als ob es uns ein paar zusätzliche Türen öffnete, um noch nerdiger zu werden und einfach Sachen zu machen, die wir noch nie zuvor gemacht haben, wie ein Graphic Novel oder sie in Musikvideos zu verwenden, um einen zusätzlichen Teil der Geschichte zu haben. Es hat sich einfach so ergeben. Wir werden sehen, wie es läuft, aber ich denke, es ist ziemlich interessant.

Wird sich die Geschichte über mehrere Alben erstrecken?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, das ist eine gute Frage. Bis jetzt waren die Alben alle irgendwie eigenständig. Sie kommen alle auf die eine oder andere Weise zusammen, aber das kann ich dir wirklich nicht sagen! Ich denke, wir werden es sehen, wenn das nächste Album herauskommt.

Es gab auch ein Release-Event für das neue Album, ihr habt die Highlights auf eurem YouTube-Kanal hochgeladen, und dort spielt ihr auch eine Akustikversion des Songs „Skin“. Könntest du dir vorstellen, das Stück auch in dieser Version zu veröffentlichen?
Wahrscheinlich. Das ist etwas, worüber wir gesprochen haben, und ich denke, dass sich dieser Song von allen Songs, die ich je geschrieben habe, sehr gut akustisch umsetzen lässt. Unsere Band ist nicht gerade an Akustik gewöhnt – wir spielen verdammt laut und schnell. Auf der letzten Tour haben wir eine Art VIP-Event gemacht, bei dem wir jeden Abend eine Akustikshow für die VIP-Gäste gespielt haben, bevor die eigentliche Show begann, das werden wir auch auf der Europatour machen. Wir haben diesen Song im Set gespielt, und die Leute schienen ihn wirklich zu mögen, und ich habe ihn wirklich gerne gesungen, also würde ich sagen, die Chancen stehen gut.

Es gab nicht viel Platz für etwas Langsames oder gar Akustisches auf eurem Album, abgesehen vielleicht vom letzten Song „The last riff“. Warum hast du ein Instrumentalstück mit auf das Album genommen?
Ich denke, nachdem ich so lange geschrieben und alles zusammengefügt hatte und alles fertig war, hatte ich das Gefühl, dass die Texte in den ersten elf Liedern genug Emotionen enthielten. Ich fand, ich hätte alles abgedeckt, was ich abdecken wollte, und dachte, es wäre an der Zeit, eine Art Pause einzulegen und etwas anderes zu machen. Normalerweise ist bei BEARTOOTH-Platten der letzte Song immer der textlich intensivste, und ich hatte es einfach nicht mehr in mir. Ich hatte einfach nichts mehr im Tank. Ich hatte das Gefühl, dass ich dieses instrumentale Stück, an dem ich schon eine ganze Weile gearbeitet hatte, ans Ende setzen sollte. Ehrlich gesagt hat dieses Stück für mich viel mehr Emotionen in sich als fast jeder andere Song auf dem Album. Es bedeutet mir wirklich viel, also war es eine persönliche Sache. Es fühlte sich einfach wie etwas an, das ich machen wollte. Für die Art des Albums musste es auf einer wirklich intensiven Note enden, und ich denke, ein großes instrumentales Stück war das Richtige dafür.

Wenn du so viel in ein Album steckst und alle Instrumente selbst aufnimmst, hast du dann manchmal Lust, ein Nickerchen zu machen, nachdem du ein Album fertiggestellt hast, anstatt dich um die Promotion und so weiter kümmern zu müssen?
Ja, das tue ich definitiv. Nach der Fertigstellung eines Albums schalte ich einfach eine Weile ab. Es ist ein wirklich intensiver Prozess, der eine Menge Arbeit erfordert, aber gleichzeitig schreibe ich in der Regel innerhalb eines Monats nach Fertigstellung des Albums neues Material. Es fällt mir einfach schwer, nicht an irgendetwas zu arbeiten. Eine kleine Pause ist alles, was ich mir wirklich gönne.

Ihr habt auch eine Albumfarbe, bei eurem letzten Album „Disease“ war alles von Orange dominiert, in eurer neuen Album-Ära ist alles in Lila gehalten. Haben die Farben eine tiefere Bedeutung oder sind es einfach nur deine Lieblingsfarben?
Ich denke, sie sind ein einfacher Weg, den Sound eines Albums zu repräsentieren. Musik und visuelle Konzepte gehen Hand in Hand, und bei „Disease“ hatte ich das Gefühl, dass es im Rock’n’Roll verwurzelt ist und ... ich weiß nicht, die Farbe Orange schien einfach zu passen. Es war ein bisschen heller, es war sehr direkt. Für dieses Album, das von Doom Metal, Stoner Metal, Heavy Metal aus den Siebzigern und so inspiriert wurde – ich hatte einfach das Gefühl, dass Lila der richtige Weg ist, um das darzustellen. Es ist eine Art Hommage an viele dieser Bands aus den Siebzigern.

Auf Instagram hast du kürzlich gepostet, dass du bereits an neuem Material für das fünfte BEARTOOTH-­Album arbeitest. Macht ihr denn nie eine Pause?
Nicht wirklich. Es kommt darauf an, was du mit „Pause“ meinst. Für mich ist es nicht so, dass Schreiben stressig ist. Es ist mehr ein Spaß, es ist nicht so, dass ich in mein Studio gehe und sage: „Ich brauche heute einen Song, wir müssen dieses Album fertigstellen!“ So ist es ganz und gar nicht. Ehrlich gesagt schreibe ich am liebsten direkt nach der Veröffentlichung eines Albums, denn dann gibt es keinen Druck. Es gibt keinen Zeitplan, es gibt kein ... nichts. Ich kann einfach herumspielen und tun, was ich will, und einfach ein paar Ideen sammeln, bis ich mich richtig darauf konzentrieren muss, was wahrscheinlich in einem Jahr der Fall sein wird. Im Moment habe ich einfach nur Spaß daran und spiele ein bisschen herum. Ehrlich gesagt habe ich viel mehr, als ich dachte, aber es ist schön zu wissen, dass ich im Hinterkopf schon ein paar Dinge habe. Wenn wir auf Tour sind, kann ich mich wirklich auf „Below“ konzentrieren und wenn es dann ans Schrei­ben des neuen Albums geht, werde ich schon die Hälfte davon parat haben.

Du warst während der Pandemie auch auf Twitch aktiv – wird es dort in Zukunft mehr zu sehen geben oder liegt das auf Eis, jetzt, da das Live-Geschäft wieder möglich ist?
Ich denke, ich werde dort wieder aktiv werden. Ich habe es wirklich genossen. Es war etwas, das ich tun wollte, um weiterhin eine Art Interaktion mit anderen Leuten in der Musikwelt oder mit Fans unserer Band oder was auch immer zu haben, mit Leuten, die mir einfach nur eine Weile beim Spielen von Videospielen zusehen wollten. Ich war mir nicht sicher, wie ich mich dabei fühlen würde, aber ich hatte eine gute Zeit dabei, und wir haben noch ein bisschen Zeit bis zu unserer nächsten Tournee, also denke ich darüber nach, wieder damit anzufangen.