BELAKO

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Masken Freiheit

Nach „Eurie“ (2013), „Hamen“ (2016) und „Render Me Numb Trivial Violence“ (2018) ist mit „Plastic Drama“ gerade vierte Album der aus dem baskischen Städtchen Mungia stammenden BELAKO erschienen, die nach drei in Eigenregie veröffentlichten Platten mit dieser nun den Support eines Majorlabels im Hintergrund haben und auf ein triumphales 2020 eingestellt waren, mit Shows in den USA und auf den großen europäischen Festivals. Man kann sich die grenzenlose Enttäuschung einer Band ausmalen, die sich jahrelang nach oben spielte und in Spanien, speziell aber im heimischen Baskenland, zu den Großen gehört, als eine der wenigen Bands des Landes auch international durchstarten wollte und nun durch Corona dermaßen am Boden gehalten wird. Ich fragte Sängerin Cristina Lizarraga deshalb unter anderem, wie es ihr und der Band in der aktuellen Situation geht.

Cris, 2017 sprach ich mit euch über den Song „Masken Freiheit“. Als ich jetzt wieder darauf gestoßen bin, ist mir bei dem Titel ein Schauer über den Rücken gelaufen. Ich weiß nicht, ob du die Nachrichten aus Deutschland verfolgst oder wie es in Euskadi und Spanien ist, aber seit Corona haben wir ein ernstes Problem mit Anhängern von Verschwörungsmythen, darunter viele Nazis, die sich weigern, eine Alltagsmaske zu tragen. Sie wollen ... „Masken Freiheit“. Damals hast du mir den deutschen Songtitel erklärt als „Freiheit, die einem das Tragen einer Maske verleiht“. Wie siehst du dein altes Lied nun im Lichte dieser Pandemie?

Der Titel geht ja zurück auf Kim Gordon und ihr Buch „Girl in a Band“. Mich haben der Klang und die Bedeutung des Titels fasziniert und sie tun es immer noch, Gänsehaut inklusive. Er passt perfekt zum Text dieses Liedes, in dem es um einen Schurken geht, der auf der Flucht vor der Justiz ist, und um das korrupte System. Im Zuge dieser Pandemie haben die Ungerechtigkeiten nur noch zugenommen, es gibt sogar den Fall, dass der frühere spanische König versucht, sich mit einem gestohlenen Vermögen davonzumachen, das kann man sich kaum vorstellen. Also habe ich leider das Gefühl, dass das Lied aktueller ist denn je. Diese Art unsichtbare Maske, mit der diese Charaktere operieren, verleiht ihnen eine Stärke und Immunität, mit der sie sich jetzt vielleicht gegen eine Corona-Maßnahme wie die reale Maskenpflicht wehren, während wir ausnahmsweise mal alle in der gleichen Scheiße sitzen, egal ob reich oder arm.

Wie hast du, habt ihr im Baskenland COVID-19/Corona bisher erlebt?
Einige Städte mussten nach privaten Feierlichkeiten im Sommer zu bestimmten Formen des Semi-Lockdowns zurückkehren. Es scheint, als wäre es für einige Leute noch nicht Warnung genug gewesen, und es ist eigentlich unmöglich zu kontrollieren. Aber nach dem, was ich während des eigentlichen Lockdowns erlebt habe, wo ich und meine Mitbewohner kein Tageslicht mehr gesehen haben – eine Wohnung mit Fenster nur zum Hof –, bin ich jetzt umgezogen und die Situation ist zumindest zu Hause nun viel besser. Als Band hat es definitiv alles zunichte gemacht, woran wir mit unserem letzten Album so hart gearbeitet haben. Aber wenigstens halten wir zusammen. Drei enge Freunde in genau der gleichen beschissenen Situation zu haben, hilft, denke ich. Wir müssen uns daran erinnern, wie wichtig es ist, das Beste aus allem zu machen und die eigenen Privilegien zu schätzen. Wir leben nicht in Armut und müssen auch niemanden versorgen.

Wie überlebt ihr? In Deutschland sind Rock-Konzerte bis auf ein paar winzige Ausnahmen verboten. Derzeit hat keine Band die Möglichkeit, damit Geld zu verdienen.
Wir haben gerade angefangen, uns nach anderen Jobs umzusehen, die Situation für Live-Musik, unser einziges Einkommen bis jetzt, ist dramatisch, also tun wir, was wir können, um das Album bekannt zu machen. Zwei Shows haben wir gerade gespielt und bis zum Ende des Jahres kommen wahrscheinlich noch drei oder vier dazu. Das Härteste war vielleicht, zusehen zu müssen, wie unsere sämtlichen Tourdaten, in England, Mexiko, Deutschland, Spanien, abgesagt werden, ohne eine Garantie, sie ihn nächster Zeit nachholen zu können, weil alles ungewiss ist. Bei den Konzerten, die noch stattfinden, wird sorgfältig darauf geachtet, soziale Distanz und Hygienestandards zu gewährleisten, aber das ist weit davon entfernt, für die Leute, die in dem Bereich arbeiten, auch finanziell rentabel zu sein.

„Plastic Drama“ war für Mai geplant, kam dann erste Ende August. Viele Bands haben ihre Veröffentlichungstermine nach hinten geschoben, in der Hoffnung, dass die Pandemie bald vorbei sein würde. Was sehen eure Pläne aktuell aus?
Wir müssen die Dinge nehmen, wie sie kommen, anstatt zu versuchen, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen, damit wird der Frust nur größer. Es ist erwiesen, dass das Virus nicht so schnell und problemlos verschwinden wird und wir uns vielleicht länger damit abfinden müssen als erwartet. Es war schwer auszuhalten, das Ganze langsam anzugehen, weil wir so stolz auf das neue Album sind, dass wir es kaum erwarten können, es auf der ganzen Welt live zu spielen, damit die Leute es zu hören bekommen. Aber wir werden uns nach anderen Verdienstmöglichkeiten umsehen müssen, um diese Monate zu überleben, während wir versuchen, das Album allein auf Weltreise zu schicken.

Es ist euer erstes Album auf einem internationalen Plattenlabel. Hat sich dadurch etwas geändert in Bezug auf Songwriting, Aufnahmen, Erwartungen?
Ob du es glaubst oder nicht, während der Zeit des Schreibens war uns gar nicht bewusst, was das im Kontext eines internationalen Plattenlabels bedeutet.Wir haben uns einfach darauf konzentriert, unser Bestes zu geben, um etwas zu schaffen, in das wir uns verlieben können, um damit auch die Hörer zu überzeugen. Nachdem unser drittes Album etwas experimenteller war, sollte es jetzt melodischer sein, voll von Chören, zugleich eingängiger, mit weniger Elementen. Gute Live-Nummern, die einen sofort packen.

Für mich klingt es nicht so, als hätte sich an eurem Trademark-Sound etwas geändert. Was ist anders? Und wie und wo habt ihr dieses Mal aufgenommen, welcher Produzent war daran beteiligt?
Der Aufnahmeprozess war derselbe wie beim vorherigen Album, im Atala Studio in Bera, Navarra mit Iñigo Irazoki. Eigentlich ist ja unser Gitarrist Josu der Hauptproduzent, aber er mag es nicht, wenn man ihn so nennt. Wir versuchen alle Jobs, die bei der Band anfallen, im Team zu erledigen. Aber er hat bei der Produktion das Sagen, denn wir haben alle den gleichen Geschmack, aber er weiß, wie man es auch umsetzt! Anders war nur, dass wir bei Fragen den Prozess und die Ergebnisse betreffend durchsetzungsfähiger geworden sind. Unser Trademark-Sound rührt daher, dass wir wieder analog aufgenommen haben.

„The craft“ ist wahrscheinlich mein Lieblingstitel und ein Instant-Hit. Dasselbe gilt für „Sirène“. Welche Songs sind deine Favoriten auf dem Album?
Es fällt mir schwer, mich zu entscheiden, aber ich würde auch „Sirène“ sagen. Seit wir das Video gemacht haben mit Ekain in der Hauptrolle, der unsere Muse geworden ist, gibt es eine ganze Geschichte um den Song herum, die ihn magisch macht. Er ist mit unser bestes Live-Stück und es fühlt sich an, als würden wir ihn schon ewig spielen. Ich bin sehr stolz auf den Text, weil es das erste Mal war, dass ich einen Song komplett auf Französisch geschrieben habe, und es klingt wie ein Gedicht. „Marinela2017“ ist auch sehr wichtig für mich, der Text ist schon älter und verknüpft die Erinnerung an schwierige Zeiten auf gewisse Weise mit aktuellen Umständen.

Da wir gerade vom Titel sprechen: Ein „Plastic Drama“ findet in der Tat statt – in den Ozeanen. Wobei unter Corona-Bedingungen sogar noch mehr Abfall „produziert“ wird. Erst vor wenigen Tagen wurde in Deutschland bekannt, dass durch die Hygienemaßnahmen die Menge des Plastikmülls in den letzten Monaten um einige tausend Tonnen angewachsen ist. Was muss passieren, um das „Plastikdrama“ zu stoppen?
Wir sind uns der Widersprüche angesichts der Umstände sehr wohl bewusst: Wir beschweren uns darüber, wir reduzieren, so gut es geht, den Plastikverbrauch, recyclen Materialien und verwenden sie wieder, aber zugleich produzieren und veröffentlichen wir CDs und Vinylplatten ... Das ist genau die Perspektiv, die wir in unseren Texten einnehmen. Wir sind nicht angetreten, um irgendwen zu belehren. Wir sind unterdrückt, aber wir sind auch die Unterdrücker. Wir beschweren uns, dabei stehen wir auf der Sonnenseite. Das Plastikproblem ist real, aber hier im privilegierten Teil der Welt sind wir geradezu süchtig danach, die Katastrophe immer noch schlimmer zu machen. Das ist der Konflikt, in dem sich unsere Generation, aus unserer Sicht, prinzipiell bewegt.