BOUNCING SOULS

Foto© by Jesse Korman

Gekommen, um zu bleiben

Seit 1989 begeistern THE BOUNCING SOULS aus New Brunswick, New Jersey nun schon mit ihren eingängigen Punkrock-Hymnen und sind einfach nicht mehr aus der Szene wegzudenken. Doch mit Beginn der Pandemie war plötzlich alles anders: Geplagt von einem kreativen Durchhänger stand die gesamte Existenz der Band infrage, wie uns Sänger Greg Attonito verrät. Zum Glück schaffte es das Quartett, die Leere zu füllen, und schrieb gemeinsam mit seinen Fans das nagelneue Album „Ten Stories High“ – ein gewagtes Experiment, das sich aber definitiv ausgezahlt hat.

Greg, ihr habt die Zeit während der Pandemie offensichtlich gut genutzt und wart sehr produktiv. Wie habt ihr diese Phase als Band erlebt?

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Es gab für uns alle plötzlich so viele Dinge und Herausforderungen, auf die wir uns einstellen mussten. Gerade in den ersten Monaten des Lockdowns hatte ich mit einer ziemlich heftigen kreativen Blockade zu kämpfen. Dazu kamen dann auch noch finanzielle Sorgen und Nöte, was mich letztlich komplett runtergezogen hat. Wir wussten damals nicht mehr, wie wir als Band weitermachen sollten. Als wir schließlich irgendwann auf Patreon aufmerksam wurden und die Idee hatten, dieses Tool für uns zu nutzen, bekamen wir endlich wieder unseren positiven Fokus zurück. Dadurch haben wir glücklicherweise einen Weg gefunden, um endlich wieder voranzukommen. Das hat meiner mentalen Gesundheit sehr geholfen und war ein guter Weg, um über diese beschissene Zeit hinwegzukommen.

Nun sprichst du ja bereits an, dass das neue Album ein Konzeptalbum ist, dessen Songs von den Geschichten und Erfahrungen eurer Fans inspiriert wurden.
Ja, genau. Allerdings haben wir erst relativ spät gemerkt, dass es ein ganzes Album werden würde und keine EP, wie zuerst angedacht. Der Prozess des Songschreibens, den wir dieses Mal im direkten Kontakt mit unseren Fans vollzogen haben, entstand aus dem dringenden Bedürfnis heraus, die Band während der Pandemie irgendwie am Leben zu halten und dabei gleichzeitig auch mit unseren Fans in Verbindung zu bleiben. Denn gerade dieser Kontakt war und ist uns extrem wichtig. Das Ganze war anfangs echt nicht einfach, es war eine völlig neue Situation für uns. Aber ich bin wirklich froh, dass wir drangeblieben sind, denn es hat sich gelohnt.

Wie habt ihr letztendlich entschieden, welche Geschichten es auf das Album schaffen werden, und gibt es ein bestimmtes Motiv, das sich durch die Songs zieht?
Wir wählten zehn Menschen aus unseren Patrons aus, die Interesse hatten, ihren eigenen Song auf Basis ihrer Geschichte geschrieben zu bekommen. Mit diesen Fans trafen wir uns dann per Videokonferenz. Das war sehr erfrischend und wir freuten uns, immer wieder neue Gesichter kennen zu lernen. Und gerade weil wir während des Lockdowns ja alle total isoliert waren, fühlte sich das gut an. Aus diesen Gesprächen entstanden dann die Songs zu „Ten Stories High“. Ein ganz konkretes Thema, das sich durch alle Lieder des Albums zieht und immer wiederkehrt, ist definitiv Beharrlichkeit. Die letzten Jahre waren für uns alle eine verdammt harte Zeit, und somit tauchte dieser Aspekt auch bei allen unseren Fans in den unterschiedlichsten Lebenssituationen auf.

War es eine große Herausforderung, sich zuerst in die Geschichten der Leute zu vertiefen, um diese dann später in Songs zu übersetzen?
Nun, wir haben in unserer Karriere ja schon so viele Lieder aus unserer eigenen Perspektive geschrieben, so dass wir diesmal wirklich völlig aus der Komfortzone herausgehen wollten. Und das war tatsächlich sehr inspirierend. Wir merkten schnell, dass unsere alltäglichen Kämpfe und Probleme als Menschen eigentlich gar nicht so verschieden sind. Daher ist es doch recht einfach, sich mit anderen zu identifizieren und mitzufühlen, wenn wir es nur zulassen. Es fühlte sich in gewisser Weise wie eine Ehre an, dass uns die Leute ihre Geschichten zur Verfügung stellten. Und dass wir daraus etwas Neues schaffen konnten, mit dem wir uns alle identifizieren. Das war wie eine Kettenreaktion, denn im Vorfeld der Gespräche hatten wir praktisch noch gar keine konkreten Ideen für Musik und Text. Während des Schaffensprozesses kam das dann alles wie von selbst.

Ihr lebt ja mittlerweile alle an ganz unterschiedlichen Orten des Landes – wie lief das also mit den Songs und deren Aufnahme weiter?
Wir begannen stets mit einem dreißigminütigen Zoom-Chat mit einem unserer Patrons, wobei ich mir Teile der Gespräche notierte, die auf den ersten Blick ein Ausgangspunkt oder Thema für einen Song sein konnten. Am nächsten Morgen trafen sich dann Pete und Bryan in Petes Studio, um gemeinsam ein paar Musikideen zu entwickeln. Sobald sie einige Riffs fertig hatten, hielten wir eine weitere vierzigminütige Videokonferenz ab – diesmal jedoch nur bandintern. Dabei besprachen wir die Songstruktur und machten ein schnelles Arrangement. Pete und Bryan nahmen daraufhin ein Demo auf und schickten es an alle. George tüftelte bei sich zu Hause am Schlagzeug, während ich mir ein paar Tage Zeit nahm, um Text und Melodie auszuarbeiten. Insgesamt sind wir eigentlich nie allzu sehr von diesem Prozess abgewichen. Das war einerseits natürlich ein sehr straffes Korsett und in gewisser Weise auch etwas einschränkend, aber andererseits empfanden wir dieses Vorgehen auch als etwas Positives und wir mussten uns dadurch nicht so viele Gedanken machen oder Entscheidungen treffen. Es fühlte sich gut an und war eine völlig neue, großartige Erfahrung, unter diesen Rahmenbedingungen zu schreiben und aufzunehmen. Ich glaube, dass wir bei dieser Aufgabe noch einmal viel dazu gelernt haben und als Band weiter wachsen konnten.

Für die Produktion habt ihr euch erneut mit Will Yip zusammengetan, der eurem Sound eine ganz eigene Note verliehen hat. Wie bei vielen seiner bisherigen Arbeiten klingen vor allem die Drums sehr präsent und die Vocals auffallend vielschichtig.
Ja, genau. Wir lieben Will sowohl als Produzent als auch als guten Freund. Im Studio hatten wir einfach Spaß daran, neue Dinge zu entdecken und auszuprobieren. Es war aber nicht so, dass wir mit einem ganz speziellen Plan bezüglich der Art der Produktion zu Will gingen. Das hat sich einfach so entwickelt und fühlte sich ganz organisch an, worüber wir natürlich sehr glücklich sind.

„Ten Stories High“ beginnt mit dem gleichnamigen Track, der die Entstehung des neuen Albums und den kollektiven Ansatz dahinter zusammenfasst.
Die Grundidee stammte ursprünglich von Pete. Irgendwann kam er in die Studiosession und meinte, wir sollten unbedingt versuchen, einen Song zu schreiben, der die Idee des Projekts auf den Punkt bringt. Das fanden wir alle gut, ließen den Vorschlag jedoch erst einmal ein paar Tage lang sacken. Eines Morgens fingen wir wieder an, darüber zu plaudern und der Begriff „ten stories high“ fiel im Gespräch – das war der Anfang des Songs. Pete und Bryan erinnerten sich plötzlich an ein paar ganz bestimmte Riffs, die sie einmal per Handy aufgenommen hatten und die perfekt dazu passten. Und am Ende des Tages war der Song fertig geschrieben.

Das Artwork im Comic-Stil sieht wieder mal sehr ansprechend und bandtypisch aus. Wer ist dafür verantwortlich?
Vielen Dank! Das Artwork eines Albums ist für uns auch wirklich wichtig. Unser Bassist Bryan Kienlen hat schon immer die visuelle Gestaltung für THE BOUNCING SOULS übernommen. Sein Stil und seine Vision haben sich im Laufe der Jahre entwickelt und sind somit zum visuellen Look der Band geworden. Ich liebe es, es ist wieder einmal großartig geworden.

Wenn man bedenkt, dass ihr unter anderem bereits zwölf Alben und sieben EPs veröffentlicht habt, muss es eine ziemliche Herausforderung sein, jeden Abend Songs für eine Setlist auszuwählen. Müsst ihr da würfeln oder lost ihr das aus?
Oh Mann, da sprichst du ein echt schräges Thema an! Es ist tatsächlich so eine Art Comedy-Routine für uns. Manchmal dauert das wirklich ewig, weil wir dabei einfach viel herumalbern und immer die gleichen dummen Argumente kommen. Aber es stimmt, wir haben wirklich zu viele Songs, haha.

Ihr werdet in diesem Frühjahr und Herbst mit unzähligen alten Bekannten wie SAMIAN oder ANTI-FLAG auf eine große US-Tour gehen. Gibt es auch schon Pläne für Europa?
Ja, aber leider nicht mehr in diesem Jahr, denn das ist angesichts der vielen Shows in den USA terminlich nicht machbar. Aber wir genießen es wirklich sehr, in Europa zu spielen. Unser grober Plan ist es daher, irgendwann im kommenden Jahr eine ausgedehnte Clubtour bei euch zu spielen und die neuen Songs live zu präsentieren. Ich hoffe, dass wir euch dann alle sehen werden.