BOXHAMSTERS

Aquarianer unter sich

Wenn der Begriff „Kultband“ nicht so ausgelutscht wäre, würde ich ihn auf die Gießener BOXHAMSTERS anwenden. Die haben seit ihrem ’88er Debüt „Wir Kinder aus Bullerbü“ alle paar Jahre mal eine neue Platte gemacht, werden von alten Punks und kleinen Mädchen gleichermaßen geliebt – und haben uns vier Jahre auf ihr neues Album warten lassen. Jetzt ist „Saugschmerle“ raus, im Herbst gibt’s mal wieder eine längere Tour und Philipp, Niels, Ulf und Co beantworteten die drängendsten Fragen.

Etwa die, warum seit der letzten Scheibe vier Jahre verstreichen mussten – eine lange Zeit, in der man als Band auch schnell in Vergessenheit geraten kann. „Ich denke, wir sind eine Band, von der man auch ohne neue Platte mal irgendwie erfährt“, meint dazu Sänger und Songwriter Co. „In den ganzen Fanzines taucht immer wieder unser Name auf, auch ohne neue Platte, und in Mailorder-Katalogen werden wir oft als Vergleich genannt. Selbst wer nicht auf solche Musik steht, wird den Namen also mal mitbekommen haben. Ich denke, wir sind in gewissem Rahmen schon ein Klassiker. Das ist wie wenn du heute Emo-Kids fragst, ob sie HÜSKER DÜ kennen. Dann sagt denen der Name was, aber sie haben keine Platte im Schrank. Oder nimm eine Band wie SAMIAM, die ungefähr so lange zusammen Musik machen wie wir, die kennt heute jeder, die sind doch Gevatter Gefühl. Oder JAWBREAKER: die waren nie richtig groß, trotzdem sind die für viele richtige Helden.“
Obwohl die BOXHAMSTERS bis heute fast in der Originalbesetzung spielen, war und ist die Rollenverteilung bis heute klar: Co ist der große Steuermann, der die Songs und auch die Texte schreibt, sich um das Booking kümmert und auf dessen Label Bad Moon Records die Platten erschienen sind. Klar auch, dass dessen Nachwuchs sich auf die Produktivität der ’86 gegründeten Band auswirkte. Co: „Als meine Freundin Julia schwanger war, wohnten wir noch in meiner alten kleinen Wohnung, da war es für mich blöd, Gitarre zu üben, das war einfach eine Zeit, wo ich gar kein Verlangen hatte, für mich Musik zu machen. Es war o.k., ab und zu mal ein Konzert zu spielen, aber ich habe mir in der Zeit keine neuen Lieder ausgedacht. Insgesamt hatten wir über eineinhalb Jahre unseren gebuchten Studiotermin immer wieder verschoben. Zuerst wollten wir Sommer ’98 ins Studio gehen, dann kam die Kleine, und so wurde es immer später.“
Erwartungsdruck kills Kreativität, ein Problem, mit dem wohl jede Band irgendwann konfrontiert wird, dem der Gießener Vierer aber konsequent aus dem Weg ging. Co: „Wir waren noch nie so drauf, dass wir eine Platte machen, weil wir sie machen müssen, sondern dann, wenn’s passt. Jetzt aber war’s auch höchste Zeit, es wird allmählich kritisch. Die wenigsten Leute haben realisiert, dass seit „Tupperparty“ vier Jahre vergangen sind, die denken, das wäre zwei oder so her. Aber an sich finde ich es o.k., dass es so lange gedauert hat. Uns gibt’s ja auch schon so lange, und ich kann mit dem „Projekt“ BOXHAMSTERS alt werden, so blöd das klingen mag. Da ist es wichtig, dass kein Zwang dahinter steckt. Und wir haben jetzt sogar schon wieder neue Lieder, ich habe ein paar im Kopf. Wenn ich mich zusammenreißen und mich hinsetzen würde, könnten wir nächstes Jahr im Sommer wieder ins Studio gehen.“
„Saugschmerle“, das ist das sechste BOXHAMSTERS-Album und es zeigt die Band trotz langer Vorgeschichte, trotz vieler Veränderungen, in altgewohnter Form und Klasse – einerseits Weiterentwicklung, andererseits Festhalten am Bewährten. Co als Fan einer gewissen Stuttgarter Sportwagenschmiede fällt dazu nur ein Vergleich ein: „Also der neue Porsche 996 ist eben nicht mehr luftgekühlt, der ist jetzt wassergekühlt. Im Gegensatz zum 911er klingt der nicht mehr wie ein frisierter Käfer und die ganzen Porsche-Puristen haben gejault, aber es ist eben ein Porsche und das bessere Auto.“ Kinderlieder, um einen naheliegenden Einfluss der letzten Jahre ins Spiel zu bringen, haben freilich beim neuen Album keine Spuren hinterlassen. Co: „Wenn die Lieder, die ich Rieke vorsinge, sich als Einfluss bei den BOXHAMSTERS bemerkbar machen würden, wäre es komplett vorbei. Das glaubt nämlich kein Mensch, was bei uns hier für Musik läuft: nur noch Kinderlieder, Musik für Erwachsene läuft eher selten.“
Bleibt noch die Frage nach den drei seltsamen „T-Titeln“ auf dem neuen Album: „T-34“, „T-61“ und „T-800“ finden sich da. „Der T-34 war DER Russenpanzer, der seinerzeit die Wehrmacht das Füchten lehrte“, erklärt Co. „Jedenfalls stand so ein T-34 zu DDR-Zeiten immer auf so einem Betonsockel am Grenzübergang Dreilinden, und jetzt habe ich mir halt gedacht, dem armen vergessenen Panzer, dem kannst du mal ein Lied widmen. Was die anderen Titel anbelangt, so ist T-61 das Mittel beim Tierarzt, mit dem man Tiere einschläfert. Irgendwie geht’s da um jemanden, der zu blöd ist, sich umzubringen. T-800 schließlich handelt textlich von so jugendlichen Amokläufern, und T-800 ist eben der Terminator, Baureihe T-800.“