BUSTER SHUFFLE

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Wer Ska mit einer Prise Pop sucht, der findet ihn in England natürlich bei MADNESS. Aber in den vergangenen Jahren hat sich auch eine etwas jüngere Band in den Fokus all jener gespielt, deren Liebe dem Skanken zum Offbeat gehört: BUSTER SHUFFLE aus London. Ihre Live-Shows sind jeden Cent wert und rasant bis zum Anschlag. Jetzt haben sie ein neues Album, das mit dem Titel „Go Steady“ wie eine Aufforderung klingt, nach zwei Jahren Pandemie – und im Angesicht der Irren dort draußen, die meinen, diese Welt immer weiter gen Untergang treiben zu müssen – standhaft und optimistisch zu bleiben. Ermöglicht wurde „Go Steady“ durch Crowdfunding. Darüber sprach Frontmann Jet unter anderem mit uns.

Jet, der erste Song auf eurem neuen Album heißt „Deadline“. Ich als Journalist habe ein spezielles Verhältnis zu Deadlines. Wie sieht es bei dir aus: Sind Deadlines Freunde oder Feinde?

Das kommt darauf an, ob es eine gute oder schlechte Deadline ist, haha.

Der Song dreht sich – im weiten Sinne – um schlechte Deadlines.
Ja. Er ist eine Beobachtung der Dinge, die hierzulande geschehen und die aus dem Ruder laufen – und wie wir als Band sie sehen. Hier geht es derzeit vielen Menschen sehr schlecht. Es mag in der Vergangenheit einmal dieses Klischee „Du bist faul, weil du nicht arbeitest!“ gegeben haben. Aber heutzutage sind die Menschen nicht faul. Im Gegenteil: Sie arbeiten wie verrückt – und sie haben trotzdem nichts. Und wir haben eine schlimme Regierung, die dafür verantwortlich ist, aber nichts tut, um irgendetwas zu ändern. Wir sind auf einem wirklich schlechten Weg. Um noch mal auf deine Anfangsfrage zurückzukommen: Du musst dich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Flieger einchecken, der dich in den Urlaub bringt – das ist eine gute Deadline. Aber wenn du dein Leben lang umsonst arbeitest, arbeitest, arbeitest ...

... und am Ende steht nur diese „Dead-Line“ im Wortsinne, nach der nichts mehr kommt als der Tod.
Genau. In dem Text heißt es ja auch: „The government gave me a number to simplify my life and death“. Diese Zeile liebe ich! Denn sie drückt sehr gut aus, was der Staat mit einem macht, wie er mit einem umgeht. Man ist bloß noch eine Nummer und macht am besten so wenige Umstände wie möglich.

In eine ähnliche Kerbe schlägt das Stück „New badge for my uniform“.
Ja. Als die Pandemie voll durchschlug, war es hier in England wie überall: Viele Leute im Kultursektor – nicht nur Künstlerinnen und Künstler, sondern auch alle drumherum – waren plötzlich arbeitslos. Und mitten in diese Verzweiflung hinein gab es von der Regierung anstatt Hilfe nur die Ansage: Sucht euch am besten einen neuen Job! Und das in einer Zeit, in der Kultur besonders wichtig gewesen wäre, um die Menschen aufzurichten. In der ihr Wert erst recht offenbar wurde. Da standen dann von jetzt auf gleich Leute auf der Straße, die studiert hatten, die Masterabschlüsse als Toningenieur besitzen, die ausgebildete Balletttänzerinnen und -tänzer sind – und dann das? Geht zu Tesco an die Kasse! Oder zu McDonald’s, dort könnt ihr Mitarbeiterin oder Mitarbeiter des Monats werden! Die Leute wurden behandelt, als hätten sie ihr Leben lang nur auf der faulen Haut gelegen, und sollten etwas Neues anfangen, was sie nie gelernt haben, was sie hassen, was sie nicht erfüllt. Sich neue „Bagdes“ abholen eben! Gegenüber Kunst und Kultur eine solche „Fuck off!“-Einstellung zu zeigen, überstieg bis dato meine Vorstellungskraft.

Sind die Mitglieder von BUSTER SHUFFLE nebenbei noch anderweitig beruflich tätig?
Einige von uns arbeiten als Musiklehrerinnen oder Musiklehrer – was ja naheliegend ist. Ich produziere ein bisschen Musik. Aber ansonsten kümmere ich mich quasi rund um die Uhr um BUSTER SHUFFLE. Was ja zuletzt aufgrund des neuen Albums, das wir per Crowdfunding finanziert haben, verdammt viel Arbeit war und immer noch ist. Denn jetzt, wo wir das Crowdfunding-Ziel erreicht haben, müssen wir schließlich zusehen, dass die Platte produziert wird, die Fans ihre Gegenleistung bekommen und wir mit dem Album auf Tour gehen können – was aktuell ja nicht so leicht ist. Die Pandemie wirkt sich nach wie vor auf alle möglichen Bereiche des Lebens aus, vom Konzert bis zum Plattenpresswerk. Es steht so vieles in Frage. Wird alles rechtzeitig fertig sein? Werden wir Konzerte geben können? Lohnt es sich, Werbung zu machen und Anzeigen in Magazinen zu schalten, ohne zu wissen, ob unsere Tour überhaupt stattfinden kann?

Und dann ist da noch der Brexit.
So ist es. Ein Desaster für Bands! Die größten Probleme diesbezüglich haben wir in Sachen Merchandise. Es ist verrückt, aber wir können unsere T-Shirts oder LPs nicht mehr einfach so mit auf Tour nehmen und rüber aufs Festland bringen. Es gibt so viel Papierkram, der da erledigt werden muss. Zollgebühren, Dokumente – das frisst Zeit, zermürbt einen und ist den Aufwand manchmal nicht wert.

Du erwähntest es bereits, ihr habt euer Album diesmal per Crowdfunding finanziert.
Ja, wir haben lange darüber nachgedacht und diskutiert, ehe wir uns dazu entschlossen haben. Aber am Ende ist das Ganze ein Erfolg geworden. Das Crowdfunding hat uns sehr geholfen. Wir haben die angepeilte Finanzierungssumme sehr schnell erreicht und konnten zumindest in dieser Sache sicher planen. Das hat uns den Druck genommen.

Nicht alle sehen Crowdfunding so positiv. Manche meinen, der Künstler oder die Künstlerin wären in der Bringschuld. Schließlich sind sie es, die etwas wollen. Die Kunst produzieren und veröffentlichen wollen. Ergo wären sie es auch, die in Vorleistung treten müssten – und nicht die andere Seite.
Ich weiß, was du meinst. Aber letztlich ist Crowdfunding ja nichts anderes als ein Preorder. Nur eines mit vielen besonderen Facetten eben: Du kannst ja im Falle von „Go Steady“ nicht nur das Vinyl vorbestellen – wir bieten ja auch ausgefallene Artikel wie Skateboarddecks an, oder eine Unterrichtsstunde mit mir am Klavier. Und für uns hat es einen entscheidenden Vorteil, denn: Normalerweise ist es ja so, dass du beim Presswerk die Platten abholst, die Kreditkarte hinlegst, zahlst, ins Dispo rutschst, weil du ja in Vorleistung gehst – und dann auf Tour gehen und zusehen musst, wie du die Kohle schnellstmöglich wieder reinbekommst. Jetzt können wir zum Presswerk gehen und ihnen das Geld direkt auf den Tisch legen. Das ist für eine Band in diesen Zeiten wichtig, denn so sind wir erst einmal nicht auf Einnahmen angewiesen aus Konzerten, die vielleicht gar nicht stattfinden. Touren bedeutet ja Cashflow. Ergo: Keine Tour – kein Cashflow. Kein Cashflow – kein Geld für die Proberaummiete, für die Herstellung von CDs und Platten, für PR, für Videos. Das Crowdfunding hat uns also gerettet.

Ja. Aber es hat euch gerettet, weil eure Fans in Vorleistung getreten sind.
Es muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Und wenn jemand Musik herausbringen kann, ohne auf Crowdfunding angewiesen zu sein: Soll er oder sie reinhauen! Aber wenn du Musik herausbringen willst und das nicht mal eben so kannst – zumal in einer Situation wie derzeit –, dann musst du auch so einen Weg in Betracht ziehen. Zudem hat das ja noch einen anderen, entscheidenden Vorteil: Wenn du ein Crowdfunding startest und kein Label dazwischengeschaltet ist, bist du viel enger mit deinen Fans verbunden! Du kommunizierst viel intensiver mit ihnen – per Video, über Social Media, über Mails. Du bist viel engagierter bei der Sache. Die Beziehung zu den Fans generell ist viel stärker. Und das ist eine Chance. Ich würde das in Zukunft jedenfalls wieder genauso machen. Zumal man ja nicht vergessen darf, dass die Fans selbst gerne nah an der Band sein wollen. Sie möchten ihrer Lieblingsband helfen – und zwar nicht, indem sie deren Platten über Amazon kaufen. Heutzutage geht der Trend meiner Meinung nach wieder in Richtung DIY. Es ist wieder reizvoll, in Nischen zu agieren. Die Leute sind immer mehr von den Majorlabels angepisst. Bands wie Fans. Von Majorlabels, die Gewinne auf Kosten der Künstlerinnen und Künstlern machen.

Crowdfunding also als Instrument der Subkultur?
Absolut! Was könnte denn mehr Punk sein als ein lautes „Fuck off!“ an ein Majorlabel, das dich ohnehin nur bescheißt und mit deinen Songs macht, was es will? Wir haben diesbezüglich ja selber schlechte Erfahrungen gemacht.

Nämlich?
Wir haben unsere ersten drei Alben ja bei People Like You herausgebracht.

Die gehören zu Century Media.
Ja. Und die wurden von Sony geschluckt, diesem riesigen, elenden Multikonzern. Und mit People Like You auch unsere Songs, für die wir nie großartig Geld gesehen haben. Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt! Und auf so was habe ich keinen Bock mehr. Wenn wir es so machen wie jetzt, mit Crowdfunding, liegt alles bei uns. Das ist der Do-It-Yourself-Spirit.

Dafür musst du nun aber auch Klavierunterricht geben, für den Fans bezahlt haben. Das ist kein Pappenstiel, oder?
Nein, haha. Ich bin nämlich tatsächlich kein guter Musiklehrer. Aber es sind ja nur ein paar Stunden. Zudem dürfte es eher auf ein bisschen Unterricht und einige Gläser Guinness hinauslaufen, haha. Das ist okay.