CANNIBAL CORPSE

Foto© by Alex Morgan

Gipfel der Gewalt

Auch nach 16 Alben besetzen CANNIBAL CORPSE immer noch den Death-Metal-Thron. Wir sprechen mit Schlagzeuger Paul Mazurkiewicz über das Finden von Titeln und das Älterwerden im Metal-Genre.

Beginnen wir mit einer Frage eher humoristischer Natur: KREATOR haben die Gods of Violence, ihr habt die Overlords of Violence – was ist besser?

Das ist schwer zu beantworten. Ich glaube, vor zwei Jahren, als wir unserer letzten Platte den schönen Titel „Violence Unimagined“ gaben, ist mir tatsächlich erst aufgefallen, dass es ein KREATOR-Album namens „Gods Of Violence“ gibt. Und nun haben wir eben die „Overlords of violence“ als Opener von „Chaos Horrific“. Ich schätze, die werden es wohl ausfechten müssen, die Götter und die Overlords. Vielleicht werden sie eines Tages eine epische Schlacht austragen und es auf diese Weise herausfinden. Stimmt, das ist ziemlich lustig.

Die eigentliche Frage lautet doch: Wie kommt man bloß auf diese verrückten Titel? Hast du eine Ideenliste irgendwo in deinem Handy?
Los geht’s natürlich mit Brainstorming. Die meisten Einfälle haben wir natürlich, wenn wir dabei sind, neue Songs zu schreiben. Die brauchen natürlich Titel. Ab und an sitze ich einfach da, und plötzlich fällt mir etwas ein, was ich gelesen habe, ein Wort oder so, und dann denke ich: Hey, das klingt cool! Ich notiere mir das dann oder ich tippe es in mein Handy, vielleicht können wir es später mal brauchen, wer weiß. Aber wenn es dann sein muss, fällt uns auch was ein. Möglichst Titel, die wir so noch nicht hatten. Ich meine, natürlich gibt es die obligatorischen Begriffe. Die sind uns in die Wiege gelegt. Das ist bei diesem Album nicht anders. Es wird immer ein paar Wörter geben, die andauernd verwendet werden. Aber wir versuchen auch immer, uns etwas Neues einfallen zu lassen. Ein paar Wörter und Wendungen, die wir noch nicht benutzt haben. Beim letzten Album dachten wir, dass wir den Begriff „Gewalt“ bisher nicht benutzt hatten. Also fanden wir es irgendwie cool, das Wort im Albumtitel zu haben., und so kam „Violence Unimagined“ zu seinem Namen, Diesmal kam Alex an mit „Overlords of violence“ und meinte, als Songtitel hätten wir den auch noch nicht. Es ist immer gut, wenn es etwas Abwechslung gibt. Da hockt man also zusammen, denkt sich Sachen aus und versucht, seine Fantasie anzukurbeln, um schließlich auf solche kranken Ideen zu kommen.

„Chaos Horrific“ ist euer 16. Album und ihr seid seit über 35 Jahren aktiv. Das klingt nach einer Band, die ihren Zenit längst überschritten hat und der es nur noch um die Erhaltung ihres Status geht ... Oder habt ihr eher das Gefühl, das Beste kommt erst noch?
Ist schon irgendwie verrückt, dass es uns als Band schon über dreißig Jahre gibt! Wer hätte das geglaubt? Wir wären selbst nie auf die Idee gekommen, dass es so läuft. Es ist auch irgendwie verrückt, dass wir uns jetzt gerade auf unserem bisherigen Höhepunkt befinden. Es ist also ein bisschen von beidem, denke ich. Ich glaube, wir schreiben aktuell besseres Material, spielen besser und ich trommle auch besser als je zuvor. Aber ich werde natürlich jeden Tag älter, das ist unvermeidlich. Ich weiß, dass wir an diesem Punkt vermutlich weiter vom Anfang unserer Karriere entfernt sind als von deren Ende. Schon morgen könnte Schluss sein, das wissen wir. Aber man muss ja trotzdem weitermachen und sein Bestes geben. Man sollte auch nie aufhören, an sich zu arbeiten, um sich weiterzuentwickeln. Und ich finde, das haben wir getan. Wir machen das alles hier wahnsinnig gerne und niemand kann sagen, wie lange das noch so weitergeht. Aber anstatt uns treiben zu lassen und auf der Welle mit zu schwimmen, haben wir den Ehrgeiz, uns mit jedem Album weiter zu steigern. Warum machen wir es sonst? Wir sollten aufhören, wenn wir uns uninspiriert fühlen. Ich denke, es geht eben einfach darum, aus jedem Tag das Beste rauszuholen. Wir haben noch ein paar Jahre, vielleicht noch zehn. Wer kann das schon sagen? Ich denke, wir werden es herausfinden. Aber ich weiß jetzt schon, dass wir alles geben werden, damit CANNIBAL CORPSE so gut bleiben wie möglich, selbst wenn wir langsam alte Säcke sind.

Auf der anderen Seite gibt es die Fans, die das nicht so sehen, die eure ersten drei, vier Alben in den Himmel loben und euer späteres Material eher weniger schätzen. Ich möchte ja niemandem zu nahe treten, aber das ist einfach nur Blödsinn. Was sagst du solchen Leuten?
Natürlich ist jeder Mensch anders. Es gibt Leute, die hängen einfach an den alten Sachen. Ich glaube, das sind eher die älteren Fans, die mit der Band aufgewachsen sind. Das verstehe ich natürlich. Es gibt bestimmte Zeiten im Leben, in denen Musik ein bisschen wichtiger werden kann. Und das, was du vielleicht als Teenager hörst, wird für dich auf ewig unübertroffen bleiben. Aber ich glaube, wenn man sich hinsetzt und zuhört und wirklich vergleicht, ist ganz offensichtlich, dass wir jetzt einfach die bessere Band sind. Ich meine, das Gute ist, wenn du ein Dutzend Fans fragst, wirst du wahrscheinlich ein Dutzend verschiedene Antworten bekommen. Denn das heißt, dass unsere Fans jedes unserer Alben mögen. Es ist ja nicht so, dass wir irgendwann eine Flaute gehabt oder ein paar schlechte Alben veröffentlicht hätten, in einer Übergangsphase oder so. Eine Death-Metal-Band waren wir schließlich immer. Welche CANNIBAL CORPSE-Platte also zu deinen persönlichen Favoriten zählt, könnte einfach davon abhängen, wie alt du zum jeweiligen Zeitpunkt warst. Da gibt es kein richtig oder falsch. Aber klar, in unseren Augen ist natürlich das neueste Material definitiv das Beste, was wir je gemacht haben. Wir klingen tighter als jemals zuvor und sind heute auch einfach viel bessere Songwriter!