CIGAR

Foto© by Rudi Jeggle

Eine Skateboarding-Hommage

CIGAR sind eine Punkrock-Band, die 1996 Eugene, Oregon gegründet wurde und dann nach Ocean Beach, Kalifornien zog. 1997 wurden sie von Fletcher Dragge von PENNYWISE entdeckt und bei Theologian Records unter Vertrag genommen. Er produzierte auch ihr erstes Album „Speed Is Relative“, das 1999 rauskam. CIGAR-Songs erschienen zudem auf mehreren Punk-Compilations und in Surf- und Skatevideos, darunter Toy Machines „Jump Off a Building“ im Part von Chris Senn. 2019 gab Bassist Jason Torbert nach 23 Jahren seinen Ausstieg bekannt, um sich seiner Familie zu widmen. Als Ersatz kam Jonathan Hischke zu CIGAR und 2022 veröffentlichen sie mit „The Visitor“ ein neues Album auf Fat Wreck. Dieses Interview mit Jon Sortland (dr, voc), Rami Krayem (voc, gt) und Rudi Jeggle, langjähriger Roadie, Fotograf und enger Freund der Band, fand am Rande ihrer Europatour statt.

Gibt es besondere Momente aus der Anfangszeit von CIGAR, die euch in Erinnerung geblieben sind?

Rami: Der denkwürdigste Abend war für mich der allererste ... Und dann die Bandproben. Wir trafen uns im Shed 7, einem alten Lagerhaus, das zu Proberäumen umfunktioniert wurde. Wir übten drei, vier, manchmal fünf Tage die Woche. Wir hatten super viel Elan und kamen gut voran. Das war so inspirierend, die Songs sprudelten nur so aus uns heraus. Für mich war es die erste Band, also war es für mich neu, dass ich dieses Gefühl erlebte. Ich vermisse das irgendwie, dieses intensive Schreiben ... Obwohl wir das bei „The Visitor“ auch gemacht haben.

Ich habe gehört, es gibt eine interessante Geschichte, wie ihr euch in einem Kino kennen gelernt habt ...
Jon: Ich habe Rami einfach direkt gefragt: „Hey, willst du in einer Band singen?“ Und er meinte: „Darf ich mir erst den Film ansehen?“

Rami: Ja, Jon arbeitete in einem Kino und bemerkte, dass ich ein GOOD RIDDANCE-T-Shirt trug. Ich ging an ihm vorbei, nachdem er meine Eintrittskarte abgerissen hatte, und er versuchte, meine Aufmerksamkeit zu bekommen, aber ich ging einfach weiter. Also rannte er hinter mir her und fragte, ob ich in einer Band singen will. Ich sagte ihm, dass ich kein Sänger bin, aber Gitarre und Bass spiele. Und ich dachte, es könnte ja cool sein, mit jemandem zu jammen. Aber Jon erklärte, sie hätten bereits zwei Gitarristen und einen Bassisten. Sie suchten nur noch einen Sänger. Ich dachte mir, okay, das wird wohl nichts.
Jon: Aber dann habe ich gesagt, dass wir unsere Telefonnummern austauschen und später am Abend ein bisschen jammen sollten. Und nach der Vorstellung kam er rüber.

Wer war euer Lieblings-Skater, als ihr Kids wart? Hattet ihr eine enge Beziehung zur Skate-Community?
Jon: Unser Kumpel Chris Senn, mit dem wir zur Highschool gegangen sind, hat immer die Musik meiner alten Band in seinen Videos gespielt. Er war also einer unserer Helden.
Rami: Es kommt auf die Ära an, aber mir fällt sofort Matt Hensley ein.
Rudi: Ich bin ein bisschen jünger als diese Spinner. Für mich ist es definitiv Jamie Thomas. Wir sind auch eng mit Chris Cole befreundet, der auch die Hauptrolle spielt im Video zu „Legacy of the 7 plies“ unter der Regie von Jon.

Wie ist eure Tour gelaufen? Gibt es besondere Erinnerungen an Deutschland?
Rami: Man kann die Leute ausmachen, die uns schon kennen, einige singen mit und wünschen sich Lieder ... Dann gibt es die Leute, die nur da sind, weil ihre Freunde zum Konzert wollten. Die können sich gar nicht erklären, wie sie auf einem Punk-Konzert landen konnten. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht! Wir genießen es immer, hier zu spielen. Das Publikum in Deutschland ist manchmal schwer zu beurteilen. Die Leute sind sehr direkt. Sie fragen nach Songs, was uns anheizt, aber manchmal ist die Begeisterung etwas verhalten. Ein paar kannten das neue Album, viele haben auch etwas von den neuen Sachen erwartet.

Gab es andere europäische Städte, die euch auf der letzten Tour beeindruckt haben?
Rami: Ich weiß noch, dass unsere Show in Graz ziemlich abgedreht war. Es war total chaotisch, aber auf eine gute Weise. Die haben einfach meinen Mikroständer umgeschmissen beim Stagediven. Es war verrückt, aber man hat gemerkt, dass sie super drauf waren. Das war lustig zu beobachten.

Werdet ihr irgendwann wieder nach Deutschland kommen?
Rami: Wir sind nächstes Jahr auf jeden Fall wieder da.

Was denkt ihr, wie ist dieses Album im Vergleich zu „Speed Is Relative“, eurem letzten?
Rami: Als wir im Studio waren, um die Leadvocals fertigzustellen und meine Gesangsspuren durchhörten, nachdem die Tracks abgemischt waren, sah mich Jon an und sagte: „Wir haben es geschafft!“ Ich fragte: „Was meinst du?“ Er sagte, wir haben etwas geschaffen, das genauso gut oder sogar besser ist als „Speed Is Relative“. Dann haben wir uns umarmt ...
Jon: Ich denke, es ist einfach sehr befriedigend nach all den Jahren, in denen wir diese ganzen Ideen in uns herumgetragen haben. Da sind immer noch Songs, die wir bislang nicht aufgenommen haben, die perfekt dazu passen würden. Wir haben noch einen Haufen Material, an dem wir arbeiten können. Zusammen mit den Videos und der ganzen Bildsprache haben wir, glaube ich, genau das getroffen, was wir uns vorgestellt haben. Vor allem dank des Einstiegs von Hischke.

Dass Hischke in die Band kam, war also definitiv eine positive Sache?
Rami: Auf jeden Fall! Ich habe ein paar Freunden ein paar Fotos von unserer Kanadatournee 2019 gezeigt und auch ein Video von dieser Show in Gatineau – und mir wurde bewusst, dass das das erste Mal war, dass wir mit Hischke auf der Bühne standen. Und da war dieser Moment, in dem wir uns gegenseitig angeschaut haben, im Sinne von „das ziehen wir durch“, und als es dann losging, dachte ich, okay, das funktioniert wirklich!
Jon: Er ist die perfekte Besetzung dafür, denn er ist wie Torbert kein traditioneller Punkrocker. Torbert hat auch nie Punkrock gespielt. Uns verband zunächst unsere gemeinsame Liebe zu THE POLICE, er war auch ein großer Fan von RUSH. Eigentlich wollten wir ja was ganz anderes zusammen machen, bis ich sah, was er draufhatte. Also fing ich an, ihn mit Ideen zu bombardieren. Daraus wurden später CIGAR-Songs.

Hischke ist also so etwas wie ein Punk-Professor?
Jon: Er hat sich in einen verwandelt. Er hat nie Punk gehört. Hischke war immer sehr beeindruckt von Jasons Spielweise und wollte sichergehen, dass er dem gerecht wird, aber auf seine eigene Weise. Hischke und Torbert haben großen Respekt voreinander, schon lange bevor Hischke zur CIGAR kam.

Ist es für euch ein Traum oder ein Albtraum, von Fat Wreck Chords gesignt zu werden?
Jon: Das wissen wir noch nicht. Aber das war der Plan, als ich vor über zwanzig Jahren meine alte Band auflöste, um CIGAR zu gründen. Nachdem ich mit meiner alten Band CIRCUS TENTS im Vorprogramm von LAGWAGON und NOFX gespielt hatte, dachte ich mir: Das ist es, was ich will! Ich habe nur nicht geahnt, dass es fast dreißig Jahre dauern würde, haha. Jetzt fühlt es sich großartig an. Aber der Weg dahin war vielleicht ein Albtraum.
Rami: Für mich ist es ein wahr gewordener Traum. Es ist immer noch surreal, auf unserem Album das Fat Wreck-Logo zu sehen.

Und Rudi, den ihr in Ocean Beach aufgegabelt habt, ist also schon seit den Anfängen der Band dabei?
Jon: Wir haben Rudi in San Diego kennen gelernt. Wir sind dorthin gezogen, weil wir dachten, da hätten wir mehr Chancen als Band. Alle meinten immer, wir sollten nach Südkalifornien gehen, weil wir dort bei größeren Konzerten mitspielen können. Bei uns in Eugene kam einfach keiner vorbei. Also packten Rami, Jason und ich unsere Sachen und fuhren völlig planlos nach San Diego, wir wussten nicht einmal, wo wir die erste Nacht unterkommen würden. Rami meinte, wir hätten doch vor zwei Wochen diese beiden Skater Dudes getroffen, Colin und Floyd, vielleicht könnten wir bei ihnen bleiben. Ich weiß noch, dass ich zu einem Münztelefon ging, damals hatten wir ja noch keine Handys, und sie anrief. Sie haben uns für ein paar Wochen bei sich auf dem Boden pennen lassen.
Rami: Ja, wir hatten echt gar keinen Plan. Aus Erwachsenenperspektive war das ziemlich dumm, haha. Aber was die Band angeht, war es nicht dumm. Es war nur sehr unkonventionell. Meine Familie war immer sehr verantwortungsbewusst und planvoll ... aber ich war nicht so. Und es ging ja nicht nur um mich, wir waren schließlich zu dritt, meine Entscheidung hatte auch Konsequenzen für die beiden anderen, also musste ich das einfach tun.

Manche nennen das auch einfach Punkrock ...
Rami: Als wir in Fletchers Studio in Hermosa Beach waren, wo wir aufgenommen haben, waren PENNYWISE auch gerade da, und ich tauchte mit meinem Umzugswagen auf und erzählte Fletcher, was los war, und er sagte: „WTF? Du hast keinen Platz zum Wohnen?“ Er zog einen anderen Typen zur Seite, Randy oder Jim, und sagte: „Schau, das ist alles Ramis Zeug. Er hat keine Wohnung, er kann nirgendwo hin, aber er macht das für die Band.“ Der meinte nur: „Wie verdammt Punkrock ist das denn?!“ Irgendwann hatten wir alle eine Wohnung und es war Schluss mit Couchsurfing.
Jon: Ich erinnere mich an eine kleine Meinungsverschiedenheit, weil ich fand, dass wir einen Plan brauchen. Dass wir nicht ewig bei Colin und Floyd bleiben könnten. Ich bin dann nach Pac Shores in Ocean Beach gefahren, wo ich schließlich Blake Hoover kennen gelernt habe, und zum Glück konnte ich dort einziehen.

Also war Ocean Beach richtige der Ort, um mit der Band durchzustarten?
Jon: Nein, Ocean Beach hat uns eher ausgebremst. Wir wurden irgendwie faul. Wir haben uns immer bemüht, Konzerte zu spielen, aber es war schwer ranzukommen. Und Jasons Job erforderte, dass er in der Stadt blieb, also wurde es schwieriger, auf Tour zu gehen.
Rami: Kürzlich meinte jemand, wir hätten einfach in Eugene bleiben und uns auf das Touren konzentrieren sollen, anstatt nach San Diego zu ziehen.

Ihr habt den Song „Legacy of the 7 plies“ erwähnt, könnt ihr das näher erläutern?
Rami: Der kreative Prozess beinhaltet manchmal etwas, das man als „Spannung“ bezeichnen könnte, haha. Kreative Differenzen, die nicht bedeuten, dass jetzt einer recht oder unrecht hat. Es kommen einfach verschiedene Ideen zusammen, und ich hatte meine Probleme mit den Begriffen „Skatepunk“ oder „Skaterock“. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute in den frühen 2000er Jahren anfingen, ihr Interesse an dem Genre zu verlieren. Also wollte ich nichts damit zu tun haben. Beim Schreiben des Textes für „We used to“ erwähnte Jon, dass er sich auf das Skateboarden bezieht, weil es ein Teil unserer Geschichte ist und der Geschichte der Szene. Jon hatte recht. Aber ich sagte, dass ich Skateboarding in dem Song nicht erwähnen wollte. So gerieten Jon und ich in eine leidenschaftliche Diskussion. Danach ging ich nach Hause, spielte Gitarre und dachte: Okay, wenn er einen Song über Skateboarding will, dann geht es um alles oder nichts. Haha! Der Grund dafür, dass Skateboarding ein so großer Teil des Songs einnimmt, war, dass ich es nicht nur in einer Zeile erwähnen wollte. Ich habe immer noch das Thrasher Magazine abonniert, obwohl ich schon seit vielen Jahren nicht mehr wirklich Skateboard fahre. Das ist einfach ein Teil meiner Persönlichkeit. Ich wollte also zwei Dinge. Erstens wollte ich versuchen, etwas im Stil von RKL zu schreiben, nicht dass ich uns mit ihnen vergleichen würde ... aber das ist der Einfluss. Und zweitens ging es mir um eine Hommage an das Skateboarding und was es mit uns gemacht hat.

Und die Auswahl der Boards für das Textblatt?
Rami: Die entsprang einfach meinem Skaterhirn von 1985, das sich daran erinnert, wie ich durch das Thrasher geblättert habe. Du weißt schon, all die Boards, die ich immer haben wollte. Ich besaß einen Haufen der Boards, die in den Songtexten vorkommen. Ich erinnere mich, wie ich das Artwork zusammenstellte und Jon einen neueren Shape des Tony Hawk-Boards vor schlug, und ich sagte nein, es muss das Board aus den späten Achtzigern sein. Das war es, was ich im Kopf hatte ... diese spezielle Ära der späten Achtziger und frühen Neunziger.
Jon: Vor ein paar Wochen, als ich mit THE SHINS auf Tour war, habe ich mir ein komplettes Rob Roskopp-Modell gekauft, bin ein bisschen rumgeskatet und habe mir prompt den Rücken verrenkt. Ich habe zu Rami gesagt, dass wir das Roskopp-Teil unbedingt einbauen müssen.