CULT OF LUNA

Foto© by Chad Michael Ward

Ordo ab chao

CULT OF LUNA sind produktiv. Seit vielen Jahren veröffentlichen die Schweden stetig Musik, entwickeln sich sich stetig weiter. Gleichzeitig bleiben sie ihrem Stil und dem Geist ihrer Musik dabei treu. Wir sprechen mit Gitarrist und Sänger Johannes Persson über das kommende Album „The Long Road North“, seine Verbindung zu den beiden Vorgängeren und die vielen beteiligten Gäste.

Wie sehr beeinflussen euch und eure Musik Stimmen von außen, seien es Kritiker oder Fans?

Darauf gibt es keine klare Antwort. Ich würde gerne sagen, dass es mich nicht interessiert. Doch irgendwie tut das doch jeder, der etwas veröffentlicht, auf das Menschen reagieren können. Du bist nicht immun gegenüber der Meinung anderer. Auch wenn du nicht von diesen abhängig bist, zumindest denke ich, dass wir das nicht sind. Aber natürlich ist es schön, gute Dinge zu hören. Aber es ist auch nicht immer unangenehm, etwas Negatives zu hören. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass es mir egal ist. Mich interessiert es schon, aber ich lasse es nicht so nah an mich heran, es beeinflusst mich nicht.

War das früher anders?
Nein, eigentlich nicht. In den ersten Jahren haben wir einfach gemacht, worauf wir Lust hatten. Und meistens haben wir darauf positive Reaktionen bekommen. Ich erinnere mich aber, das wir einen Preis für „Somewhere Along The Highway“ bekommen haben. Das war damals eine große Sache für uns. Als wir die Bühne aber verlassen haben, war das Erste, was wir zueinander gesagt haben, dass wir nun etwas komplett anderes machen werden. Wir wollten ein echtes Metal-Album machen.

Ich frage deshalb, weil ich das Gefühl habe, dass euch die Außenwelt nicht interessiert. Ihr macht immer gerade das, was ihr wollt. Es gibt keinerlei Strategie, keinen erkennbaren Marketing-Plan.
Absolut. Ich sehe, wie andere Bands laufend Studio-Updates veröffentlichen. Das nimmt der Musik für mich alles Magische. Marketingtechnisch ist das sicher hilfreich, aber davon waren wir nie getrieben. Wir tun das, nicht nur Musik, sondern Kunst im Allgemeinen, weil es Magie am nächsten kommt. Kunst, die größer ist als ihre Form. Mir gefällt es zum Beispiel auch nicht, wenn meine Lieblingsband menschlich erscheint, wenn du verstehst, was ich meine. Ich möchte sie zum Beispiel nicht beim Schreiben von Musik sehen. Am Ende bin ich auch nur ein Fan und es gibt Leute, zu denen ich aufschaue und deren Werke ich schätze.

Wie ist es nun, ein Album zu veröffentlichen und die Vorgänger kaum live gespielt zu haben? Ich weiß, dass es zum letzten, „A Dawn To Fear“, noch ein paar Konzerte gegeben hat, aber auch schon die „The Raging River“-EP wurde live gar nicht präsentiert.
Es fühlt sich gar nicht komisch an. Wir entschieden uns, die EP inmitten in einer wütenden Pandemie zu veröffentlichen. Erwartet haben wir dabei nichts. Im Vorfeld wurde ein Tour für den Februar 2020 geplant. Ich hatte unserem Manager schon gesagt, dass diese nicht stattfinden wird. Ich habe ihm gesagt, dass alle, die Festivals oder Shows gebucht haben, offenbar nicht verstanden haben, was eine Pandemie ist. Diese wird nicht im Winter beendet sein, wahrscheinlich nicht einmal in einem Jahr. Ich habe ihm gesagt, dass ich es okay finde, dass er eine Tour plant, aber er doch bitte niemand im Vorfeld bezahlen solle. Am Ende hatte ich damit recht. Wir haben nun zwei Jahre lange keine Show gespielt. Gerade im Sommer, wenn du normal dauernd auf Festivals unterwegs bist, war die freie Zeit aber mal ganz gut. Ich konnte sie mit den Kindern verbringen und mal in den Urlaub fahren. Ich vermisse Konzerte, aber habe nicht darunter gelitten, dass keine stattfanden.

Bildet das Fundament für „The Long Road North“ immer noch die Session, die ihr damals für „A Dawn To Fear“ abgehalten habt? Ich weiß, dass ihr auch für „The Raging River“ aus diesem Material geschöpft habt.
Ja und nein. Die Session, aus der sich später „A Dawn To Fear“ entwickelt hat, wurde aus meiner Sicht schlicht fortgesetzt. Die Musik, die damals während er Session entstanden ist, reichte bis zur EP. Danach haben wir für die EP und nun das Album weitergeschrieben. Auf dem neuen Album gibt es auch wieder Tracks, die wir schon für „A Dawn To Fear“ aufgenommen hatten. Die letzten drei Werke beruhen quasi aus der gleichen kreativen Explosion.

Fühlen sie sich auch für euch wie Geschwister an?
Ich liebe es, die drei Werke hintereinander weg zu hören. Ich glaube aber, dass dieses Album eine andere Atmosphäre besitzt, die es bei uns so zuvor nicht gab. Das Album fühlt sich größer und fast schon wie ein Film an. Beinahe wie ein Soundtrack. Aber das Gefühl ist bei den drei Werken ähnlich.

Für mich klingt „A Dawn To Fear“ wesentlich fins­terer als das neue Album. Das erscheint mir im Gegenzug viel größer und weiter.
Ja, absolut. Es wird interessant sein, in der Zukunft auf diese Phase zurückzublicken. Ich würde sie auch noch nicht als beendet erklären. Wir haben immer noch Material übrig. Mal sehen, wofür wir es noch verwenden oder ob überhaupt. Ob es gut genug ist. Ich meine, es gibt ja einen Grund, warum wir es noch nicht benutzt haben.

Kurz vor Abgabe des Materials habt ihr noch mal stark an der Struktur des Albums geschraubt, konnte ich dem Pressetext entnehmen. Was kannst du mir dazu erzählen?
Wie schon gesagt, wir hatten sehr viel Material. Wir haben sowohl jetzt als auch in der Vergangenheit sehr viel Zeit darauf verwendet, die Dynamik auf unseren Alben auszuarbeiten. Wir schreiben ja lange und eher monotone Lieder. Es ist daher sehr wichtig, wie du das Narrativ eines Albums spinnst. Es ist also immer sehr schwierig zu entscheiden, welche Titel man aufs Album nimmt. Aber auch innerhalb einiger Lieder haben wir kurz vor Schluss noch einige große Änderungen vorgenommen. Wir hatten dann eine Version des Albums, auf die wir uns geeinigt hatten. Diese haben wir alle mit nach Hause genommen und für uns alleine angehört. Sie hat irgendwie nicht funktioniert. Einen Tag vor dem Master, oder sogar am gleichen Tag haben wir die Struktur noch mal geändert. Heute weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, wie diese Variante genau war. Ich weiß aber, dass es sie gegeben hat.

Im Pressetext habe ich auch gelesen, dass ihr, obwohl ihr mittlerweile wieder sehr nahe beieinander wohnt, häufig alleine geschrieben habt. Warum war das so, warum habt ihr euch nicht getroffen?
Hier in Umeå sind wir zu viert, unser Keyboards Kristian Karlsson lebt in einer anderen Stadt weit im Süden. Eigentlich in der Mitte Schwedens, aber die Strecke ist sehr weit. Wir vier hier sind aber sehr umtriebig. Alle haben wir kleine Kinder und Jobs. Das Leben kam also irgendwie dazwischen. Eigentlich war der Plan, das gleiche Aufnahmestudio aufzusuchen, in dem wir auch an „A Dawn To Fear“ gearbeitet haben, und dort zehn Tage lang zu schreiben. Aber die Grenzen waren geschlossen. So haben wir eben dann geschrieben, wenn es unser Leben zugelassen hat. Das war vielleicht nicht ideal, aber mal ehrlich, war irgendetwas ideal in den letzten beiden Jahren?

Auf „The Long Road North“ habt ihr sehr viele Gäste. Schon in der Vergangenheit hattet ihr immer mal welche, mit „The Mariner“ habt ihr sogar ein komplettes Album mit Julie Christmas aufgenommen, aber so prominent wie dieses Mal waren die Gastbeiträge noch nie.
Das stimmt. Ich glaube, wir hatten auf allen unseren Alben irgendwelche Gäste, außer bei „Vertikal“, glaube ich. Aber nicht so viele und nicht so offensichtlich. Mariam Wallentin, Colin Stetson, Christian und Laurent von PHOENIX – und das sind nur die, die man auch hören kann. Es gab noch mehr, aber das steckt aktuell noch in der Pipeline. Es gibt noch viel mehr Interpretationen von „Beyond“, sehr viele sogar. Mal sehen, was mit ihnen passiert.

Im Hintergrund von „An offering to the wind“ ist ein Saxofon zu hören, im Titeltrack ein Akkordeon. Wie entscheidet ihr, dass ein außergewöhnliches Instrument benötigt wird, um einem Lied noch etwas hinzuzufügen?
Das kann wirklich alles sein. Eine klare Idee, dass man ein vorhandenes Instrument im Studio wie eine Orgel oder eine Percussion-Instrument nutzen möchte. Andere kommen aus dem Nichts. Wir denken Ideen nicht tot, sondern probieren sie einfach aus.

Warum ist es gerade dieses Album, auf dem ihr so viele Gäste versammelt habt? Liegt das an der Pandemie? Wolltet ihr wenigstens auf einem Album viele Menschen auf einmal um euch haben?
Nein, ich glaube wirklich, dass das Zufall ist. Die Jungs von PHOENIX kennen wir zum Beispiel schon seit vielen Jahren. In dieser einen Passage von „Blood upon stone“ kamen wir einfach nicht weiter. Ich habe gedacht, dass Christian und Branco hier vielleicht etwas beisteuern können. Oft waren das keine konkreten Ideen, eher Impulse. Auch bei Colin war das so. Wenn du über die Jahre so viele talentierte Menschen kennen gelernt hast, dann kannst du sie ohne Risiko fragen, ob sie etwas beitragen möchten. Du kannst sicher sein, dass sie dich mit ihrem Talent weiterbringen. Wie schon gesagt, wir kauen auf vielen Dingen nicht groß herum, sie passieren einfach.