DEVIL MAY CARE

Foto© by Georg Hoos

Müllsammeln vor dem Konzert

Was ihre Entwicklung als Band betrifft, haben DEVIL MAY CARE Siebenmeilenstiefel an. Das Quartett aus Würzburg hat vor neun Jahren im kleinen Jugendzentrum Bechtolsheimer Hof vor dreißig Freunden sein allererstes Konzert gespielt. Am 28. Dezember spielt die Band ein Releasekonzert für ihr neues Album „Divine Tragedy“ in der Posthalle vor 500 Leuten, der zweitgrößten Konzerthalle in der Stadt. Der Post-Hardcore von DEVIL MAY CARE findet immer mehr Freunde. Darüber hinaus engagiert sich die Band auch gerne für soziale Projekte wie Sea Shepherd oder „Pfand gehört daneben“. In ihrer Heimatstadt Würzburg, aber auch an Tour-Nachmittagen organisiert die Band etwa Fluss- und Beach-Cleanups, wie uns Sänger Tim Heberlein und Bassist Moritz Hillenbrand erzählen.

Divine Tragedy“ heißt euer neues Album. Da denkt man als Geisteswissenschaftler sofort an die „Göttliche Komödie“ des italienischen Philosophen Dante Alighieri aus dem 14. Jahrhundert. Gibt es da einen Bezug?

Tim: In Dantes Hauptwerk „Göttliche Komödie“ haben wir einen roten Faden gefunden, an dem wir uns entlang hangeln. Das passte perfekt zu unserem Hauptthema und ließ sich bestens in die Neuzeit übertragen. Deshalb haben wir uns entschieden, diese Geschichte neu zu schreiben. Ich kannte das Werk noch entfernt aus der Schule. Den Impuls dafür hat unser Gitarrist Lukas gegeben, der den Roman „Inferno“ von Dan Brown gelesen hat, in dem der Abstieg in die Hölle in neun Kreise unterteilt ist, wie eben in „Göttliche Komödie“ von Dante. Das ist bei ihm dann im Kopf hängengeblieben, deshalb hat er den Bezug vorgeschlagen. Dann haben wir alle das Buch gelesen und das inhaltliche Konzept für „Divine Tragedy“ entwickelt.

Eure dritte Platte ist also eine Art Konzeptalbum?
Tim: Genau, zentrales Thema ist die Selbstzerstörung des Menschen und die haben wir angesichts unterschiedlicher Themen in elf Kapitel eingeteilt. Also Zerstörung auf persönlicher Ebene durch Drogen, toxische Liebe oder übermäßigen Konsum oder eben auch Zerstörung auf gesellschaftlicher Ebene durch Umweltverschmutzung oder Kriege.

Woher kommt diese düstere Zukunftsprognose? Hat das mit der Dauerkrise zu tun, in der wir uns befinden? Durch Klimakatastrophe, Corona-Pandemie und Artensterben?
Moritz: Während der Pandemie haben wir uns so wie alle anderen sehr viel mit uns selbst beschäftigt. Da sind uns natürlich auch ganz andere Gedanken durch den Kopf geschossen. Da denkt man über Dinge nach wie: Mache ich eigentlich alles richtig? Will ich so sein, wie ich bin? Läuft in unserer Gesellschaft irgendwas grundlegend falsch? Denn wir zerstören uns ja gerade selbst. Wir machen unsere Erde kaputt. Wir sind der Parasit hier auf dem Planeten. Und jeder Einzelne macht natürlich Unmengen individueller Fehler. Durch Drogen- oder Alkoholkonsum, im Umgang mit anderen Menschen oder bei der persönlichen CO2-Bilanz. Damit wollten wir uns einfach beschäftigen. Vielleicht auch um uns selbst die Frage zu beantworten, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind.

Wollt ihr der Menschheit damit eine Quittung für ihr Verhalten hinknallen? Oder gibt es am Ende noch einen positiven Spin, dass man was ändern kann?
Tim: Wir wollen erst mal alles verarbeiten, was wir so um uns herum wahrnehmen. Und natürlich wollen wir auch darauf aufmerksam machen, denn das ist der erste Schritt, um etwas zu verändern. Dann versuchen wir aber auf jeden Fall, die meisten Songs mit einem hoffnungsvollen Ton zu beschließen. Am Ende wollen wir mit unseren Texten immer auch einen kleinen Hoffnungsschimmer mitliefern. Das ist zumindest unser Anspruch. Aber oft ist es aussichtslos, denn in vielen Situationen weiß man gar nicht, was man da noch an positiven Ratschlägen geben soll.

In zwei Songs, nämlich „Calm waters“ und „Dead in the water“, dreht es sich vor allem um Wasser. Ist das ein Element, das euch sehr wichtig ist?
Tim: Wasser ist ein zentrales Thema beim Klimawandel. Die Pole schmelzen, Starkregen überflutet komplette Regionen. Wie wir von der Natur buchstäblich überrannt werden, haben wir deshalb im Song „Dead in the water“ thematisiert. Im Gegensatz dazu geht es im Song „Calm waters“ um Alkoholkonsum. Da steht das Wasser also sinnbildlich für die Flüssigkeit, die wir herunterkippen.

Ihr habt aber auch als Band eine besondere Beziehung zu Wasser und zum Meer, oder?
Moritz: Wir unterstützen schon seit Jahren die Organisation Sea Shepherd. Das kommt durch unseren Gitarristen Lukas, der dort Volunteer ist. Er war schon Kapitän bei verschiedenen Kampagnen, erst kürzlich war er auf der Ostsee unterwegs und hat sich für Schweinswale eingesetzt. Wir unterstützen die Aktivitäten dieses Vereins, weil uns das einfach am Herzen liegt. Lukas und ich sind außerdem passionierte Taucher und haben eine innige Verbindung zum Meer aufgebaut. In unseren Augen wird das Leben im Wasser gerne ignoriert, aber für uns ist es einfach die Grundlage für alles Leben. Deshalb unterstützen wir als Band das Engagement von Lukas und haben mit dem Single-Release von „Into the abyss“ eine Spendenaktion für Sea Shepherd verknüpft. Außerdem machen wir in regelmäßigen Abständen bei uns in Würzburg oder zum Beispiel auch in Hamburg so genannte Beach-Cleanups.

Wie läuft so eine Aktion ab?
Moritz: Wir starten einen Aufruf, dann treffen wir uns vor oder nach Konzerten mit Handschuhen und Müllsäcken. Das letzte Mal kamen vierzig oder fünfzig Leute, um uns zu unterstützen. Früher wurde das nur an Stränden gemacht, aber mittlerweile gibt es das auch an Flüssen. Denn der Dreck, der in die Flüsse gerät, landet früher oder später auch im Meer. Wir wollen also die Natur, die vor unserer Nase liegt, von Schmutz zu befreien. So können wir zumindest einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Es ist wirklich verrückt, was man da so findet. Das fängt mit Bierdeckeln und Zigarettenstummeln an und hört auf bei Fahrrädern oder Kühlschränken. Auch bei uns in Würzburg gibt es offenbar Menschen, die den städtischen Wertstoffhof nicht kennen. Die fahren lieber an den Main und entsorgen dort ihren Müll. Während Corona war es natürlich schwierig, solche Aktionen durchzuziehen. Der letzte Cleanup war am Würzburger Mainufer im September 2019. Da haben wir auf dem Stadtfest gespielt und unsere Fans aufgefordert, am nächsten Vormittag zum Aufräumen zu kommen. Dann haben wir vier Stunden lang gemeinsam Müll am Ufer gesammelt und abends dann zusammen gefeiert.

Sprechen wir über die Musik auf dem neuen Album. Im Vergleich zum Vorgänger „Echoes“ wirken die Songs auf mich ausgereifter. Woher kommt das?
Moritz: Unser Songwriting hat sich auf jeden Fall verändert. Wir haben inzwischen noch mehr unsere Richtung gefunden. Auf „Echoes“ waren noch sehr viele punkige Einflüsse zu hören. Die sind auf „Divine Tragedy“ nicht mehr so präsent. Das heißt der Anteil an modernem Metalcore ist gewachsen. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass wir unsere Produktionsweise verändert haben. „Echoes“ haben wir bei Flo Nowak in Berlin aufgenommen, diesmal haben wir alles selbst gemacht. Wir haben im Spiral Music Studio in Höchberg bei Würzburg aufgenommen und das Album zu 100% selbst produziert. Nur mit Hilfe von Nico Gwozdz, der uns auch live mischt. Dadurch ist eben ein anderer Sound entstanden. Es klingt alles ein bisschen druckvoller, würde ich sagen. Und vielleicht sind auch die Refrains poppiger geworden.
Tim: Ich finde, die Songs sind viel runder geworden, dadurch passt das ganze Album in eine Schublade. Vorher hatten unsere Songs wildere Strukturen, weil wir vieles ausprobiert haben. Nach inzwischen zehn Jahren haben wir so zueinander gefunden, dass die experimentelle Phase vorbei ist.

Empfindet ihr euer zweites Album bei Uncle M Music als deutlichen Schritt nach vorne? Angefangen habt ihr ja bei einem kleinen Label aus Kitzingen.
Moritz: Für uns ist es auf jeden Fall eine Weiterentwicklung. Weil wir von der Initiative Musik gefördert wurden, konnten wir mehr Zeit und Geld in die Albumproduktion investieren. Wir sind aber auch als Band gewachsen, weil wir extrem viel in Eigenregie gemacht haben. Diesen Reifeprozess merkt man im Songwriting auch ganz deutlich, finde ich. Die Songs klingen besser, wir haben ein schlüssiges Konzept und auch der Sound hat sich spürbar verbessert.