DIESEL BOY

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Alte Besen kehren gut

Mit dem Song „Titty Twister“ von ihrem Debütalbum „Cock Rock“ landeten DIESEL BOY aus Santa Rosa, Kalifornien 1996 einen echten Punkrock-Hit. In der Folge veröffentlichten sie bis 2001 drei weitere Alben. Doch dann war plötzlich sang- und klanglos Schluss. Völlig unerwartet haben sich die (mittlerweile nicht mehr) kalifornischen DIESEL BOY nach über zwanzig Jahren wieder zusammengetan und tatsächlich auch ein neues Album namens „Gets Old“ via Sbäm Records veröffentlicht. Was damals überhaupt zur Auflösung geführt hat und warum sie jetzt wieder da sind, erklärt uns der Kopf der Band, Gründungsmitglied und Sänger „Diesel Dave“ Lake.

Als ich in meinem Freundeskreis erzählte, dass ich ein Interview mit DIESEL BOY machen würde, sagten fast alle: Das sind doch die, die den Song „Titty Twister“ auf der „Survival Of The Fattest“-Compilation hatten. Was macht es mit euch, wenn ihr auf nur einen Song reduziert werdet?

Es ist besser, einen Song zu haben, den die Leute kennen, als keinen! „Survival Of The Fattest“ galt in den Neunzigern für viele Leute als ein Maßstab für Skatepunk und wir sind dankbar für diese Verbindung. „Titty Twister“ kommt einem Punkrock-Hit so nahe wie nur möglich. Zwar glaube ich nicht, dass wir so was sind, aber es ist keine Schande, ein One-Hit-Wonder zu sein!

Welche Rolle spielte der Song in eurer weiteren Karriere?
Es ist schwer, dieses Lied von unserer Beziehung zu Fat Wreck Chords zu trennen, weil alles eng miteinander verbunden ist. Wir spielten eine 7“ für Fat Wreck ein und wurden dann die erste Band bei Honest Don’s, einem Unterlabel. Wir waren also Teil der Fat-Familie und wurden mit offenen Armen empfangen. Einen Song auf dieser Compilation zu haben, verschaffte uns sofort Glaubwürdigkeit innerhalb der Szene, und unsere ersten Touren fanden mit Bands wie STRUNG OUT, NO USE FOR A NAME und GOOD RIDDANCE statt, so dass die Verbindung bestehen blieb.

Habt ihr nach eurer inoffiziellen Trennung Anfang der Zweitausender Jahre komplett aus der Punkrock-Szene zurückgezogen?
Größtenteils ja. Es gab mehrere Faktoren, die dazu beigetragen haben. Aber die kurze Antwort ist, dass wir uns wieder einigen von den Dingen widmen wollten, die wir aufgeben mussten, um in einer Vollzeitband zu sein: Beziehungen, Stabilität, Geld verdienen, Familien gründen. Das waren unsere Prioritäten nach unserer Unterbrechung. Natürlich ging ich immer noch zu Konzerten, wenn Freunde in der Stadt waren, und hörte mir die neuen Platten an, aber ich war kein sehr aktives Mitglied der Punk-Szene. Ich habe jedoch viel freiberuflich geschrieben und war immer froh, Bands zu covern, die ich kannte und mochte, wo immer ich konnte. Wir haben alle danach unterschiedliche Wege eingeschlagen. Einige schlossen sich schnell anderen Bands an, um weiter Musik zu machen und zu touren. Ich bekam einen Job bei einer Musik-Internetfirma, die schließlich von Microsoft übernommen wurde, und zog nach Seattle. Ich habe geheiratet, Kinder bekommen, mich scheiden lassen. Aber als meine Kinder älter wurden und ich mich der Lebensmitte näherte, wurde der Wunsch, wieder Teil der Szene zu sein, immer stärker.

Was hat euch dazu gebracht, aus dem Ruhestand zurückzukehren?
Wir hatten im Laufe der Jahre ein paar Mal versucht, ein Reunion-Album aufzunehmen, aber aufgrund der geografischen Lage und der Tatsache, dass jeder seine verschiedenen Verpflichtungen unter einen Hut bringen musste, verloren wir immer wieder den Schwung. Aber wir konnten sehen, dass es immer noch Interesse an der Band gab. Die Fans streamten immer noch die Platten und Labels fragten, ob wir uns wieder zusammentun würden. In den Jahren, seit wir aufgehört haben, entstanden überall neue große Punkrock-Festivals, und viele Bands, die dort spielten, waren unsere Freunde aus alten Zeiten. Wir entdeckten neue Modelle, wie wir wieder eine Band sein könnten. Während der Pandemie begannen Greg, unser Bassist, und ich, ernsthafter darüber zu reden, es noch einmal zu versuchen. Das Ziel bestand darin, es dieses Mal anders zu machen, es nicht hauptberuflich zu machen, kein Sklave des Erfolgs zu sein, weil die Band nicht für unseren Lebensunterhalt sorgen muss. Wir hofften, dass wir, wenn wir etwas zusammenbringen könnten, arbeiten könnten, wann und wie wir wollten, und die Möglichkeiten auswählen könnten, die wir verfolgen wollten, also war das eigentlich der Ausgangspunkt.

Ich stelle mir das sehr schwierig vor, nach so langer Zeit wieder zusammenzukommen und ein neues Album aufzunehmen.
Ich habe immer noch Kontakt zu allen Jungs von damals, aber nicht jeder wollte oder konnte es noch einmal machen. Da ich in Seattle wohne, haben wir beschlossen, uns neue Mitglieder zu suchen, die hier leben, damit zumindest der Kern von uns am selben Ort ist und wir proben und uns als Musiker kennen lernen können. Wir sind jetzt zu dritt in Seattle und Greg ist immer noch in Kalifornien. Ich schreibe immer noch den Großteil der Songs. Die moderne Technik hat uns dabei jedoch sehr geholfen. Früher mussten wir wirklich alle im selben Raum sein, um zu proben, zu singen und mit der Arbeit daran zu beginnen. Heutzutage kann ich schnell ein Demo machen und es an alle verschicken.

Außer dir ist nur noch Greg als Gründungsmitglied dabei. Wer ist neu bei euch?
Zuerst habe ich Christopher, unseren Schlagzeuger, gefunden. Dann war es Chad, Gitarre. Ich habe zunächst mit ein paar Leuten gesprochen, die ich aus alten Zeiten kannte. Aber es war mir wirklich wichtig, dass wir möglichst in derselben Stadt leben, da wir in vielerlei Hinsicht neu anfingen. Da ich nicht besonders eng mit der Szene hier verbunden war, habe ich im Internet eine Anzeige geschaltet und angefangen, die Antworten zu sortieren. Leider war Chad, der auf der Platte zu hören, nicht in der Lage, auf Tour zu gehen und Konzerte zu spielen. Für ihn ist dann Jack eingesprungen. Er ist ein echter Shredder und betreibt auch einen YouTube-Kanal namens „The Punk Historian“. Ursprünglich wollten wir Musiker finden, die eher in unserem Alter sind, aber Jack ist in seinen Zwanzigern und bringt eine jugendliche Energie mit, die wir wirklich schätzen.

Woran merkst du, dass du älter geworden bist?
Ich fühle mich einfach allgemein wohler in meiner Haut. Textlich kann es eine Herausforderung sein, Themen zu finden, die mich inspirieren, deshalb ist das schwieriger geworden. Früher sehnte ich mich immer gerade nach irgendjemandem oder hatte ein gebrochenes Herz, so dass daraus leicht Stoffe für Texte wurden. Mittlerweile plagen mich diese Dinge nicht mehr so sehr, also musste ich woanders suchen. Und natürlich entwickelt sich auch der Musikgeschmack. Ich höre heute nicht mehr viel Punkrock. Dennoch haben wir versucht, eine Platte zu machen, die unseren langjährigen Fans gefällt, die wahrscheinlich etwas Bestimmtes erwarten. Aber auch uns selbst musste sie dahingehend gefallen, dass wir uns nicht an irgendwelche Regeln oder Erwartungen gebunden fühlen, die unser Genre begrenzen.

Ehrlich gesagt klingt das neue Album überhaupt nicht altersmilde oder so, vielmehr sehr energisch und leidenschaftlich.
Danke schön! Wir verspüren auf jeden Fall eine neue Leidenschaft für die Musik und sind sehr, sehr dankbar, diese Gelegenheit zu haben. Wir haben auch Matt Bayles zu danken, der unsere Platte produziert hat. Er hat bereits Alben für viele Heavy-Bands wie MASTODON, ISIS und BOTCH gemacht, die alle großartig klingen. Also wollten wir sehen, was er aus einer schwachen Pop-Punk-Band wie uns herausholen kann. Matt hat uns geholfen, die Platte, die wir uns vorgestellt hatten, zum Leben zu erwecken und es schien ihm wirklich Spaß zu machen, neben seinen muskulösen Fähigkeiten auch seinen melodischen Spürsinn unter Beweis zu stellen.

„Gets Old“ habt ihr beim österreichischen Label Sbäm veröffentlicht. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Stefan von Sbäm hatte schon vor Jahren Kontakt zu mir aufgenommen. Er hat als grafischer Künstler angefangen und mir einige Arbeiten zur Verwendung zugeschickt. Als er das Label gründete, ließ er uns gleich wissen, dass er gerne mal etwas von uns veröffentlichen würde. Im Laufe der Jahre meldete er sich regelmäßig bei uns, um Hallo zu sagen. Während wir mit der Platte Fortschritte machten, ist Sbäm stark gewachsen. Er hatte inzwischen mehrere Bands aus unserer Zeit unter Vertrag, darunter PULLEY, SNUFF und BRACKET, aber auch viele neuere Acts. Er war immer ein begeisterter Fan und da sein Label und sein Geschäft expandierten, schien es einfach Sinn zu machen. Als es an der Zeit war zu verhandeln, erstellten wir eine ziemlich kurze Liste mit Forderungen – er stimmte ihnen zu, und das war’s. Während der Sessions für „Gets Old“ haben wir zwei weitere Songs aufgenommen, die irgendwann im nächsten Jahr als 7“ bei Sbäm rauskommen werden.