EMIL BULLS

Foto© by Jasmin Lauinger

Momentaufnahmen

Im Interview mit den EMIL BULLS-Gründungsmitgliedern Sänger Christoph „Christ“ von Freydorf und Gitarrist Stephan Karl „Moik“ sprechen wir nicht nur über ihr neues Album „Love Will Fix It“, sondern werfen auch einen Blick auf die Bedeutung physischer Tonträger in einer digitalen Ära.

Der Aufnahmeprozess für ‚Love Will Fix It‘ war sehr spannend, da wir den Großteil in unserem eigenen Studio gemacht haben, das wir uns während Corona so nach und nach zusammengebastelt haben. Dort haben wir bis auf die Drums alles aufgenommen und es hat glücklicherweise auch alles geklappt“, fängt Sänger Christ an zu erzählen. EMIL BULLS haben für das neue Album also direkt aus der Not eine Tugend gemacht und sich so einer neuen Herausforderung gestellt: „Es ist eine spannende Sache, wenn du das erste Mal eine größere Produktion im eigenen Studio fährst. Hält der Computer durch? Laufen die Programme stabil? Klappt alles so, wie man es sich vorstellt? Glücklicherweise lief hier alles glatt. Und da wir die Erfahrung gemacht haben, dass das auch alles gut funktioniert, können wir zukünftig total entspannt die nächsten Alben im eigenen Studio aufnehmen. Es ist ein gutes Gefühl, nicht so unter Zeit- und auch Gelddruck zu stehen.“

Moik hakt ein: „Für uns Gitarristen war es ein absoluter Luxus dieses Mal und ich freue mich auch schon sehr auf das nächste Mal. Man hat einfach nicht diesen Druck, bis dann und dann muss alles fertig sein. Es war kein Problem, mal zwei, drei Tage länger daran arbeiten und wenn man nach einem Monat gemerkt hat, hey, dieses Overdub sollten wir noch mal anders spielen, dann konnte man easy nachlegen, ohne einen großen Aufriss zu machen. Das war wirklich eine coole Erfahrung und ich bin froh, dass wir die Corona-Zeit in dieser Weise genutzt haben.“

Dabei hatte die neue Situation keinen Einfluss auf den Schreibprozess des Albums. Christ erzählt: „Geschrieben war eigentlich vorher schon alles. An und für sich wollten wir das Album schon 2020 rausbringen und hatten den Großteil bereits als Demos fertig und wollten schon ins Studio, um aufzunehmen, und dann kam Corona. Wir haben dann beschlossen, die Arbeit am Album erst mal auf Eis zu legen, da sich abgezeichnet hat, dass wir nicht auf Tour gehen können damit. Für eine Band von unserer Größenordnung ist es absolut tödlich, wenn du ein Album veröffentlichst und dann nicht touren kannst. Wir haben uns dann entschieden zu warten. Dass alles so lange dauert, damit konnte keiner rechnen.“ Moik ergänzt: „Also auch wenn es uns jetzt für das aktuelle Album noch nicht beeinflusst hat, denke ich schon, dass es einen Einfluss auf den Schreibprozess von zukünftigen Alben hat.“

Auch beim Schreibprozess wissen die Münchner immer genauer, worauf es ihnen ankommt. Christ erzählt, wie die Band von anfänglichem Jammen im Proberaum zu einem immer geordneteren Schreibprozess kam. „Für den Startschuss zur aktuellen Platte sind wir zum Schreiben in die Toskana gefahren und haben uns da im Nirgendwo einen alten Bauernhof gemietet und dort tagein, tagaus geschrieben. Und das alles in Ruhe, ohne lautes Jammen. Jeder hatte Ideen und dann haben wir Riffs aufgenommen und geschaut, was man daraus machen kann. Alles war sehr viel stressfreier. Wir haben da gelernt, entspannter ranzugehen, aber der Stress kommt dann natürlich im Laufe des Entstehungsprozesses von alleine dazu. Ein Album ohne Stress kann wahrscheinlich auch gar nicht gut werden.“

Dabei entwickelt sich immer ganz natürlich ein neuer und ganz eigener Sound für das jeweilige Album, wie Moik erörtert: „Selbst wenn wir wollen würden, wir würden es nicht schaffen, zweimal das gleiche Album zu machen, weil wir Musik aus der jeweiligen Situation heraus betrachten und schreiben. Wir schreiben immer aus dem Bauch heraus und da darf man auch immer mit allem ankommen, ob das jetzt ein Pop-Song oder ein Metal-Brett ist, ist egal. Natürlich entwickelt sich ja auch der eigene Geschmack immer weiter und so ist jedes Album eine Momentaufnahme unserer Selbst.“ Christ ergänzt: „Wir planen nicht, wir lassen es einfach geschehen. Wir wollen auch nicht altbacken klingen oder uns wiederholen. Wir schaffen es immer ganz gut, unseren Stil beizubehalten und auch wenn wir uns am Geist der Zeit bedienen, finde ich das nie zu anbiedernd.“

Gibt es etwas, das EMIL BULLS gerne mal machen würden? Christ überlegt: „Ich hätte mal Bock auf ein richtig geiles Feature, aber da kann ich dir kein konkretes nennen, denn wenn ich das könnte, hätten wir es vielleicht schon gemacht. Es gibt da eine Idee, aber die ist noch nicht spruchreif. Vielleicht passiert aber nächstes Jahr etwas, womit kein Mensch gerechnet hätte.“ Wichtig wäre Christ allerdings, dass man sich wirklich zusammensetzt und den Song gemeinsam schreibt, anstatt einen fertigen Track einer Band vorgesetzt zu bekommen und dann im C-Teil kurz seinen Part einzufädeln. „Ich habe mich zum Beispiel mit Christoph von ­ANNISOKAY hingesetzt und wir haben den gemeinsamen Song wirklich von Grund auf zusammen geschrieben und das finde ich, hat man der Nummer auch angemerkt. So stelle ich mir ein gutes Feature vor.“

Und was wollen EMIL BULLS uns noch mit auf den Weg geben? Christ hat ein letztes Anliegen: „Für Bands wie uns ist es unfassbar wichtig, dass Fans noch physische Tonträger kaufen. Für Streamingportale muss man als Band dauernd irgendwas rausbringen, um dem Algorithmus zu gefallen und die Chance zu haben, in irgendwelche Playlisten zu kommen. Aber ich finde es wichtig, von Bands, die man mag, die physischen Tonträger zu kaufen. Es ist einfach auch ein ganz anderes Erlebnis, am ersten Tag die Platte wirklich zu kaufen und sich hinzusetzen, um mit Booklet und einer guten Flasche Wein das Album zu genießen. Auch finanziell ist das für Bands notwendig. Streaming-Auswertungen sind eine komplette Farce. Band wie wir verdienen fast nichts an diesen Ausschüttungen. Auch an physischen Platten verdienen wir kaum etwas, aber dadurch können zum Beispiel unsere Plattenfirmen weitermachen, was uns erlaubt, weitere Alben aufzunehmen und auf Tour zu gehen. Und wenn das wegfällt, wird es scheiße, denn so ein Konzert kann man sich nicht per Mausklick ins Wohnzimmer holen.“ Moik ergänzt „Wir sind einfach eine Albumband und da geht es auch um die Wertschätzung dem Produkt gegenüber, das wir kreiert haben. Wir machen uns super viele Gedanken für unsere Alben und auch für das Artwork und Booklet.“ Christ hakt wieder ein: „So eine Platte in der Hand zu halten ist doch das Geilste.“ Da kann ich selbst nur ergänzen: Das gilt auch für Print-Magazine!