FLOWERS IN CONCRETE

Foto

Ein Mittel der Psychohygiene

Hardcore in und aus Österreich ist im Grunde eine überschaubare Angelegenheit. Die Bands, die ihn mit Nachdruck betreiben oder betrieben haben sind überschaubar, wie KURORT oder FLOWERS IN CONCRETE. Letztere, ein Trio – Flax (voc, b), Tom (voc, git) und Pepe (dr) – aus Weiz in der Steiermark, 2002 aufgelöst, sind seit 2017 wieder aktiv. Ihr ursprünglich 1999 erschienenes Album „Aufrecht“ wurde aktuell wieder aufgelegt, eine Split-LP mit den Wienern DIM PROSPECTS ist in der Pipeline.

Ursprünglich gab es euch von 1993 bis 2002, stimmt das so und wie war damals der Übergang von NECROSIS zu FLOWERS IN CONCRETE?

Flax:
Ja, das kann man grob so sagen. Wobei wir unser letztes Konzert im Oktober 2002 spielten. Das war aber auch der einzige Gig in dem Jahr, da war die Luft schon draußen und wir wollten die Akte „Flowers“ abrunden oder beschließen. Was die Geschichte vor FLOWERS IN CONCRETE betrifft, sei gesagt, dass wir bereits 1987 in anderer Konstellation – Tom und ich waren bei allen Projekten beteiligt – begonnen haben zu lärmen, später dann zu musizieren ... Erste Band hieß U.S.B. und ab 1988 kam dann der Umstieg samt Besetzungswechsel zur Grindcore-Formation NECROSIS. Musikalisch sozialisiert wurden wir durch die immer schneller und brutaler werdenden Metalbands von damals. Waren es Anfang und Mitte der 80er Jahre noch Bands wie IRON MAIDEN, MOTÖRHEAD, METALLICA und SLAYER, so faszinierten uns später Bands wie BROKEN BONES, C.O.C., CRYPTIC SLAUGHTER, HERESY, CARCASS oder NAPALM DEATH, die mit Metal und dessen Klischees weniger zu tun hatten und die uns durch ihre politischen Texte und die Energie eine interessante, neue Perspektive bescherten. Da lag es dann für uns damals junge Menschen nahe, auch in diese Kerbe zu schlagen, nicht zuletzt dem musikalisch-technischen Unvermögen geschuldet. Hauptsache Lärm, Hauptsache Vollgas, Hauptsache dagegen, Hauptsache Spaß ... So entstanden NECROSIS’ Songs, die unterschiedlichste sozialkritische und politische Themen behandelten, von der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen, über den Schutz des Regenwaldes, bis hin zu Liedern gegen Tierfabriken oder Tierversuche. Unsere Auftrittsmöglichkeiten waren einst in der Steiermark auch relativ begrenzt. So spielten wir bei der sogenannten „Weizer Weihnachtsschau“ 1988, einem „Jung-MusikerInnen-Wettbewerb“, eines unserer ersten Konzerte in einem Festzelt, wo eigentlich ausschließlich MusikerInnen und BesucherInnen aus dem Genre Volksmusik oder volkstümlicher Musik auftraten und anwesend waren. Natürlich gab es dann in diesem Zelt nicht wenige verdutzte Gesichter, als wir mit unseren schulterlangen Haaren und unseren zerrissenen Hosen in NAPALM DEATH-Manier Songs gegen korrupte PolitikerInnen performt haben ... NECROSIS veröffentlichten drei Demos und 1992 waren wir im Studio, um eine CD zu produzieren, die beim Berliner Label Morbid veröffentlicht werden sollte. Diese Aufnahmen sind dann aber nie ans Tageslicht gekommen, weil das Label plötzlich keine Kohle mehr hatte und es auch zum internen Bruch von NECROSIS gekommen ist. Die individuellen Entwicklungen machten es uns dann möglich neue Wege zu gehen und so kam es 1993 zur Gründung von FLOWERS IN CONCRETE. Von nun an sollte Pepi für die Taktvorgaben verantwortlich sein.

Eure Diskographie ist recht „übersichtlich“. Habt ihr euch mehr als Liveband definiert oder hat sich das einfach nicht ergeben? Habt ihr nach den Flowers Musik gemacht und was war eigentlich der Grund für die Auflösung damals?

Flax:
Übersichtlich mag da wohl der richtige Ausdruck sein. 1993 haben wir zwei Songs für den Weiz-Sampler „Young Dudes and the big Beat“ beigesteuert, der im Frühjahr 1994 veröffentlicht wurde. 1995 dann die erste 7“ „Der gute Mensch“ mit ebenfalls zwei Nummern. 1997 begaben wir uns wieder ins Studio und nahmen für die 12“-EP „Liebe, Luxus, Anarchie“ auf und schließlich ist es dann 1999 zur Produktion von „Aufrecht“ gekommen. 1998 kam es zur Veröffentlichung von zwei Live-Mitschnitten vom „No Border Jam Festival“ in Marburg auf dem gleichnamig erschienenen Festival-Sampler. Danach spielten wir im EKH-Studio gemeinsam mit STRAHLER 80, KNALLKOPF und SUPA-SUPA-ZERO-ZERO zwei Lieder für die „Kiffer-Single“ ein, die aber leider nie erschienen ist. Und 2001 erschienen noch sechs Live-Songs auf dem sogenannten „Libertad-Sampler“. Dazu hat es halt einzelne „Auskoppelungen“ oder Liedbeiträge auf diversen Samplern und Compilations gegeben. Wenn ich das nun aber genauer betrachte, ist es gar nicht soo wenig gewesen, was da rausgekommen ist. Repräsentativ sind „Liebe, Luxus, Anarchie“ und „Aufrecht“ geblieben. Der Wille war immer vorhanden, etwas Neues aufzunehmen, das Geld war meistens knapp und durch die hohe Schlagzahl an Konzerten war aber auch weniger Zeit vorhanden, neue Songs zu schreiben. Schlussendlich hat uns das damals irgendwie auch das Genick gebrochen. Es wurde dann fad, immer die gleichen Nummern zu spielen, ohne Weiterentwicklung, ohne neue Impulse. Es fühlte sich mehr oder weniger alles lustlos an. Totgespielt. Veränderungen in familiärer, persönlicher oder beruflicher Hinsicht bestimmten dazu auch noch unsere logischen, individuellen Entwicklungen. Nach Flowers war nur mehr Tom in einer Band aktiv. Er beteiligte sich als Gitarrist und Leadsänger an einer Reggae-Formation namens JAPHET, die es in etwa bis Mitte der Nuller-Jahre gegeben hat.

Der Impuls wieder zu „flowern“ wurde von außen an euch herangetragen. Gab es Zweifel, hattet ihr drei noch Kontakt oder gab’s Vorbehalte der Art – wenn es nicht „rockt“, lassen wir es? Und wie war der erste Gig after all these years?

Flax:
In den 15 Jahren, wo es FIC nicht gegeben hat, haben wir uns nur zweimal zu dritt getroffen ... Es gab immer wieder zufälligen Kontakt zwischen zumindest zwei von uns dreien, aber zu dritt, wie gesagt, nur zweimal. Einmal davon auf einer Geburtstagsfeier und ein anderes Mal, circa 2009, haben wir uns bewusst getroffen, um zu besprechen, ob das mit FIC noch mal was werden sollte ... Einstimmig wurde der Entschluss gefasst, es bleiben zu lassen. FIC war damit endgültig zu Grabe getragen, dieses Kapitel geschlossen. Auch in den folgenden Jahren wurden wir immer wieder von Freunden oder KonzertbesucherInnen darauf angesprochen, dass wir doch wieder mal das eine oder andere Konzert spielen sollten. Das war zwar immer wieder nett zu hören, dass andere Leute „schöne Zeiten“ mit uns assoziieren, aber unsere Antworten waren immer die gleichen. Tja ... wie das Leben halt so spielt. Sag niemals nie. Auch auf das immerwährende Drängen von Romeo und Rene vom Jugend- und Kulturzentrum Explosiv, uns wieder auf der Bühne sehen zu wollen, reagierten wir mit Vorsicht. Wir mussten zuerst einmal „hineinspüren“, wie es sich anfühlt, nach so langer Zeit wieder eine Probe zu absolvieren, ob die Energie überhaupt noch da ist. Und siehe da, es hat gleich von Anfang an wieder Spaß gemacht, gemeinsam zu musizieren. Alle Songs waren irgendwo auf der zerebralen Festplatte abgespeichert. Wir mussten nur die richtigen Türen in unseren Gehirnwindungen aufstoßen, um Zugang zu unseren verstaubten Songs zu finden. Das war dann wirklich nicht schwer, aber gleichzeitig hätten wir uns nicht vorstellen können, dass das so funktioniert. Schließlich sagten wir zu, im Mai 2018 bei der 30-Jahr-Feier vom Explosiv in Graz zu spielen. Gleichzeitig haben einige Leute in unserer Herkunftsstadt Weiz davon Wind bekommen, dass wir uns für ein Konzert wieder zusammentun. Somit sagten wir zu, beim „Music-Hall-Revival – Legends of the Hall“ in Weiz zu spielen, im Oktober 2017. Das Weizer Volxhaus war schon eine Woche vor dem Termin mit fast 700 Personen restlos ausverkauft – ca. 300 standen noch vor der Tür – und dementsprechend nervös waren wir im Vorfeld. Schlaflose Nächte schon zwei, drei Tage vorm Gig. Anspannung positiver Natur, aber auch Stress, viele Gedanken, wie das alles werden wird, Versagensängste und eine richtige Achterbahnfahrt der Gefühle waren da sehr stark zu spüren. Aber es war auch wunderschön, all diese vielen alten und neuen Bekannten wieder auf einem Fleck zu treffen! Die Aufregung davor war riesig, ähnlich wie beim Zahnarztbesuch. Das Warten hat kein Ende genommen, aber als der erste Ton gespielt wurde, sind dann altbekannte Mechanismen aktiviert worden. Und das erste Konzert nach so vielen Jahren haben wir dann wirklich in vollen Zügen genießen können.

Der Rerelease von „Aufrecht“ ist eine schöne Sache, auch durch das Label Numavi, wo Mensch ja eine Kontinuität festmachen kann – kleine, geile Labels, die geile Sachen machen, wie schon bei der Erstauflage 1999. Wie geht’s euch damit, eine Platte, die ihr vor zwei Jahrzehnten gemacht und gelebt habt, neu zu hören, sie jetzt wieder in Händen zu halten?

Flax:
Da müssen wir uns wirklich noch einmal herzlichst bei den lieben Menschen von Numavi Records bedanken! Wir waren sehr gerührt, als wir gefragt wurden, ob wir uns vorstellen könnten, bei einem Rerelease dabei zu sein. Zumal wir natürlich nicht wussten, was diese Platte für manche in ihrer Punk-Sozialisation bedeutete. Wir waren da echt positiv überrascht, dass es Menschen gibt, die mit den Liedern von „Aufrecht“ aufgewachsen sind und die das immer noch hochhalten. Und genau von diesem DIY-Spirit der Labels wie Numavi oder Noise Appeal lebt die Szene und im Grunde auch Bands wie wir. Natürlich wird es da aber auch immer ein paar kritische Stimmen geben, die wir auch total verstehen und akzeptieren. Für Puristen zählt halt der erste, „originale“ Release und die damit verbundene Zeit. Wir haben da auch so unsere „all time favorites“, wo der Sound halt so ist, wie er damals entstand und das soll auch so bleiben. In unserem Fall ist der Sound eigentlich gleichgeblieben. Es gab zwar im Vorfeld sogar die Überlegung, die Nummern der Platte komplett neu abzumischen, aber dieser Gedanke währte nicht lange. Wir wollten dann doch den Charakter des Originals beibehalten und somit sind durch das Remaster die groben Untiefen und „Fehler“ etwas ausgebügelt worden, damit das Ganze ein wenig druckvoller ist. Die Patina ist geblieben und das ist gut so. Die Sache mit dem „wieder in den Händen halten“ ist dann aber trotzdem was sehr Emotionales und Schönes! Nicht nur für die Ohren, sondern auch für die Augen, die Finger und die Nase. Frisch ausgepacktes Vinyl wird natürlich auch einer Geruchskontrolle unterzogen. Die riechen sooo gut! Ich glaube, da gibt nur ganz wenige MusikerInnen, denen es nicht so geht, wenn sie das erste, oder das wiederholte Mal, die eigene Scheibe begutachten.

Welchen Stellenwert kann aktuell die Band in euren Leben haben, von wegen familiärer und berufliche Verpflichtungen? Gibt es definierte Ambitionen, die Flowers aktuell umsetzen wollen oder gar „müssen“?

Tom:
Die Band hat wieder einen durchaus großen und wichtigen Stellenwert in unserem Leben eingenommen. Das heißt, wir proben regelmäßig und wir sind im regen Austausch mit der Szene. Wir treffen alte und neue WeggefährtInnen, darunter sind auch einige neue und aufregende Bands, bei denen wir echt dankbar sind, dass wir es jetzt wieder gemeinsam krachen lassen dürfen. Es ist ein gutes Gefühl, gemeinsam stark zu sein und die Fackel des kreativen Widerstands hoch zu halten. Unsere Familien sind da eine wunderbare Unterstützung und natürlich die Homebase unserer Herzen. So oft wie möglich sind die Kids auf Konzerten auch dabei und es ist natürlich ein Hammer das zu sehen. Beruflich sind wir sowieso ziemlich flexibel. Flax und ich sind schon fast ewig im Sozialbereich unterwegs, wo man sich alles besser einteilen kann. Und Pepi ist schon seit genauso langer Zeit der Soundmaster im Weizer Kunsthaus, wo er sich, trotz vollem Terminkalender, auch alles gut einteilen kann. Von seinem Know-how profitiert die Band natürlich sehr, da Flax und ich, was die Technik anbelangt, noch immer auf dem Level der späten 80er sind, und wir schon froh sind, wenn wir wissen wo das Gitarrenkabel anzustecken ist. Was unsere Ambitionen anbelangt, kann ich nur sagen, dass wir da nahtlos an die alten Tage anknüpfen. Das heißt, Lieder schreiben, Konzerte spielen, Platten aufnehmen und uns so oft wie möglich face to face mit Menschen austauschen.

Es steht eine Split-LP mit DIM PROSPECTS an. Was erwartet uns da, war es schwierig, eine stilistische Kontinuität zu finden?

Tom:
Da sind wir dem Dominik von Noise Appeal Records extrem dankbar, dass er uns da unterstützt und an dieses Projekt glaubt. Zu unserer größten Überraschung und Freude sind letztes Jahr auf Noise Appeal zwei Lieder rausgekommen, welche wir früher nicht aufgenommen hatten, und die am Schluss der ersten Flowers-Phase entstanden sind. Wir sind von Dominik gefragt worden, ob wir bei seinem „15-Anniversary-Singleclub“ mitmachen wollen, was wir natürlich dankend angenommen haben. Und jetzt eben das für uns geilste Ding sowieso, die Split-LP. Die von uns überaus geschätzten DIM PROSPECTS haben sich bereit erklärt, sich mit uns eine Platte zu teilen, was uns mit Stolz und Freude erfüllt. Ich denke, das Ding wird einfach supergeil, und für uns ist es eine wunderbare Gelegenheit, die neuen Songs rauszudonnern. Außerdem wird ein Coversong von unserer Lieblingsband aus alten Tagen drauf sein. „Auf ein Neues“ von der Linzer Punk Legende STRAHLER 80. Was das Schreiben neuer Lieder anbelangt, sind wir da sowieso in unserem Flowers Kosmos zuhause. Wenn wir drei gemeinsam Musik machen, dann kommt einfach F.I.C. raus. Etwas anderes oder stilistisch völlig Neues wird da gar nicht geboren. Natürlich spiegelt die Musik stets unseren aktuellen emotionalen Stand als Einzelne und Kollektiv wider. Wir stecken an und lassen es fließen, quasi. Grenzen setzen wir uns nicht. Alles darf sein.“

Im Info zu „Aufrecht“ ist etwas von „politischem Unmut“ und „unbeugsamer Hoffnung“ zu lesen. Treiben euch die noch immer um oder macht sich Resignation breit auf diesem merkwürdigen Planeten?

Tom:
Unmut immer wieder. Resignation nie, weil unsere Erwartungshaltung in Bezug auf das politische und gesellschaftliche Bewusstsein in diesem Land gleich Null ist. Was wir sehen, ist eine große Mehrheit, die rechtskonservativ und/oder rechtsextrem bis klar neonazistisch eingestellt ist. Da muss man realistisch sein. Dass sich diese Einstellung immer wieder auf die Wahlergebnisse auswirkt, liegt auf der Hand. Diese Welt und diese Menschenbilder sind in Österreich historisch gewachsen und politisch wie auch medial, mit wenigen Ausnahmen, durchaus gefördert. Die Sehnsucht nach dem starken Mann, der endlich aufräumt und bestimmt, wo es lang gehen soll, ist ja leider kein rein österreichisches Phänomen, aber die gehätschelte Kaiserromantik und die unsägliche „Unterm Führer woa net olles schlecht“-Scheiße ist dann doch vor allem auf hiesigem Mist gewachsen. Die unbeugsame Hoffnung bezieht sich in allererster Linie auf die vielen anderen, die es ja auch noch gibt. Was sich dann in vielfältigen Widerstands- und Aufklärungsinitiativen, sei es politisch aktivistisch und/oder künstlerisch kreativ, bis hin zum zivilgesellschaftlichen Spektrum links der Mitte manifestiert. Auf jeden Fall ist die Wiederaufnahme unseres musikalischen Schaffens, das sich stets als links oder anarchistisch inspiriert verstand, zu einem absolut stimmigen Zeitpunkt geschehen. Nämlich als sich die neoliberalen, großbürgerlichen Finanz-Faschisten mit den geistigen Vertretern des dumpf braunen Kellernazi-Sumpfes ins gemeinsame Regierungsbett legten. Das gemeinsame ideologische Bett, mit erzkatholischem Bettbezug verhübscht, wurde ja eh nie verlassen. Somit war die Band auch wieder zu unserem Megafon geworden und dient als inspirierendes Mittel der eigenen Psychohygiene.