GUERRILLA URBANA

Foto© by Band

Die Punkrock-Legende von den Kanaren

GUERRILLA URBANA? Ja, Guerrilla mit zwei R und zwei L. Seit 1983 rotzen sie ins Mikro und sind bis heute kein bisschen leiser. Sozialkritische Texte und volle Energie auf der Bühne. Punkt! Aus! Fertig! Aufdrehen! Reinhören, besonders ihr neues Album „Destrípate“, und dazu Live-Acts, wie du sie noch nie gesehen oder gehört hast. So, jetzt wäre mein Artikel fertig, aber da war doch noch was? Sie sind bald zum ersten Mal in Deutschland on Tour: Die Stadtguerrilla, wie sie Leipzig schon getauft hat, kommt nach Leipzig, Hamburg und Berlin.

So, mal nachdenken, an welchem Punkt diese Legende von den Kanaren in mein Leben trat. Ich war zufällig Anfang der Achtziger Jahre auf Teneriffa, als GUERRILLA URBANA ihre erste Scheibe „Razón De Estado“ (Staatsräson) veröffentlichten, und nahm die LP mit, die heute ein Sammlerstück ist. In diesen Jahren war es mir total egal, die heavieste oder die punkigste Band zu hören. Es war einfach nur Schicksal, damals auf die nunmehr am längsten aktive Band der Kanaren zu stoßen. Heute sind es zwölf veröffentlichte LPs und eine EP, die den Namen der Band trägt: „Guerrillaurbana / Escorbutocrónico“.

Auf jeder LP haben sie all die Wut, die Sänger La Zurda mit seinen Texten ausgedrückt hat, beeindruckend rausgerotzt. Und genau das ist der Grund, warum José Maria de Páiz, der Regisseur von „Zurda – Die Geschichte von Escorbuto Crónico und Guerrilla Urbana“, ihn für den wichtigsten Texter des Punkrock hält und ihn auf dieselbe Ebene wie Evaristo Paramos (La Polla Records, GATILLAZO, THE KAGAS, TROPA DO CARALLO ...) stellt. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist, dass der aus Salvatierra eine scherzhafte Art hat, und der aus La Laguna seine Texte dank seinem Intellekt und Temperament aus einem sozialen und historischen Kontext heraus schreibt. Dies reizte den Regisseur so sehr, dass er Zurda persönlich kennen lernen musste.

Eine Arbeit, bei der er sich mit vielen alten und neuen Mitgliedern der Band GUERRILLA URBANA getroffen hat, um herauszufinden, woher diese Wut kommt. Von den Kanaren stammend, vor der Küste Afrikas gelegen, Inseln, die man kaum auf der Karte findet, beschimpfen diese Typen in ihren Texten die katholischen Pfaffen und die Welt im Ganzen. All das wäre typisch für Nordspanien, das in diesen Jahren, den frühen Achtzigern, schon in einer ganz anderen und den Kanaren fernen Realität lebte, aber nein, sie tun es auch.

Der Schlüssel dafür findet sich in der Studentenstadt La Laguna auf Teneriffa. Dort, wo sich Ende der Siebziger Jahre eine starke Studentenbewegung entwickelte, kollektive Streiks stattfanden, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und niemand voraussehen konnte, dass diese Streiks sogar für einen Studenten tödlich enden würden. „Guerrilla Urbana“ bezeichnet an sich taktische Stadtkrieger, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auftauchten. Militärisch koordiniert und sehr oft antiimperialistischer und/oder antikolonialer Natur, revolutionär, asymmetrisch und improvisiert. Und es ist kein Zufall, dass GUERRILLA URBANA anstatt Waffen dafür ihre Musikinstrumente benutzen.

Nach der Auflösung von ESCORBUTO CRÓNICO Anfang der Achtziger, gründeten die Bandmitglieder zwei neue Bands. Zurda und Chiru machen Punkrock bei GUERRILLA URBANA, und Jordi und Cuervo sind bei CONEMRAD. In diesem Moment beginnt die vierzigjährige Bandgeschichte, bei der der Motor immer noch ungebremst aufheult, sowohl bei Live-Acts auf den Kanaren als auch im Baskenland und Mexiko, wo sie unzählige Fans haben.

Ich hatte das Glück, GUERRILLA URBANA bei verschiedenen Gelegenheiten zu interviewen. Das coolste Gespräch war das zur Veröffentlichung ihrer dritten LP „Palabra De Dios ...“ (Das Wort Gottes), erschienen auf dem Label Discos Suicidas im Jahr 1994. Das war in der Sendung „El Lado Oscuro“ (Die dunkle Seite) bei Radio Lanzarote.

Ich war echt so naiv, sie übers Telefon zu fragen, was sie von denen hielten, die immer noch den großen Fehler machten und sie nicht ernst nähmen, obwohl sie schon zwei Platten rausgebracht hätten. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Das Interview ist über uns, nicht über sie!“ In ihren Texten ebenso wie in Interviews haben sie immer klar und ohne Umschweife geredet. An diesem Tag haben sie klargestellt, wer sie waren und immer noch sind: GUERRILLA URBANA.

„Vielleicht wird man uns anerkennen, weil wir die sind, die am längsten am Start sind oder weil wir puren Einsatz zeigen, aber wir sind halt so. Ich verstehe die Musik als ein Vehikel, das transportiert, was ich über die Welt denke, die mich umgibt. Ich empfinde mich als Person, die sich halbwegs einsetzt, und der bewusst ist, was passiert, und die die Realität unserer Inseln gut kennt. Wir sind ein Land mit vielen Problemen und die soziale Problematik spiegelt sich in all unseren LPs“ (Fanzine Sancocho Metallico Nr. 13).

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Film „La Zurda“ und Konzert GUERRILLA URBANA
1.9.22 Leipzig, Kinobar Prager Frühling + Ilses Erika
2.9.22 Hamburg, Stellwerk
3.9.22 Berlin, Clash
Seit über vierzig Jahren hält Miguel Diaz „Zurda“ die Fahne des Punkrock auf dem kanarischen Archipel hoch – sei es mit seiner legendären Band ESCORBUTO CRÓNICO oder aktuell mit GUERRILLA URBANA. Sein Beitrag für den Punkrock in La Laguna, Teneriffa macht ihn zu der Schlüsselfigur des Punkrock für alle weiteren kanarischen Inseln und zum Auslöser der Explosion des Punkrock auf den Kanaren in den Siebziger Jahren. Die Dokumentation „La Zurda“ zeigt die Geschichte dieser Galionsfigur ungeschminkt, nah und authentisch, mit all dem Rotz und der Wut des Punkrock in La Laguna.
Die Band entstand im Jahr 1983 in La Laguna, Teneriffa und teilte sich einen Proberaum mit ESCORBUTO CRÓNICO, Vorreiter des Punk auf den kanarischen Inseln, deren Ursprung bis Ende der Siebziger Jahre zurückreicht. Nach einigen Wechseln in der Bandbesetzung bestand sie schließlich anfangs aus Ojo Trueno (Gründer und erster Bassist der Band), Chiru, Zurda und Cuervo (diese drei sind Ex-Mitglieder von ESCORBUTO CRÓNICO). In diesem Line-up nahmen sie im Jahr 1989 ihr erstes Studioalbum „Razón De Estado“ (Staatsräson) auf. Ihre zweite Platte „Toque A Degüello“ erschien 1992. Danach kamen folgende Alben heraus:
Bandmitglieder seit 2017:
Rocko (Gesang) • Zurda (Gitarre)
Chiru (Bass) • Angelucho (Drums)