HOTEL KEMPAUSKI

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Bauspar-Punks in der Midlife-Crisis

Kiel hat einiges zu bieten, das zeigen nicht nur Alteingesessene wie SMOKE BLOW. Seit 2018 beweisen das auch HOTEL KEMPAUSKI. Die selbsternannten Bauspar-Punks liefern allerfeinsten deutschsprachigen Hardcore-Punk, der sowohl an Oldschool-Hardcore als auch an Moderneres erinnert und sich selbst dabei keine Spur zu ernst nimmt. Herbert (bs), Olli (gt), Teller (gt), Felix (dr) und Schrammi (voc) geben hier ihre Gedanken dazu zum Besten.

Hinter eurem Covermotiv, dem „Problemstorch Ronny“, steckt Denise Petersen. Wie kamt ihr zu ihr?

Schrammi: Ich kenne Denise schon eine Weile und liebe ihre filigranen Kugelschreiber-Zeichnungen. Und da wir uns auch in einem lokalen Szenekontext verorten, war es klar, dass wir für das Cover von „Hotel Kempauski“ jemanden vor Ort fragen, und Denise hatte zum Glück Lust.
Herbert: Wichtig war es uns vor allem auch, dass Denise anhand unserer Songs eine eigene Idee entwickelt – und die hat auf Anhieb gesessen.
Felix: Unsere Idee, den Vogel mit reinzubringen, hat Denise perfekt umgesetzt und daraus ein Maskottchen entstehen lassen. Sie hat unsere Erwartungen übertroffen und sorgt immer noch für Begeisterung.
Teller: Als Felix seinerzeit mit „Ronny“ um die Ecke kam, mussten wir uns eingestehen, dass niemand von uns so elegant den Stift schwingen kann, es hätte wahrscheinlich noch nicht einmal für einen David Shrigley-Look gereicht. Daher tat es Denise an unserer Stelle und ließ einen hässlichen Vogel so schön aussehen wie Herbert nach seiner Hyaluron-Dusche.

Im September 2020 habt ihr unter dem Titel „The BOAH-Sessions“ zwei neue Songs releaset und gezeigt, dass euer Debüt kein One-Hit-Wonder ist. Kommt da was Neues?
Schrammi: Ja! Eine Split-Single mit unseren Freunden KNUD VOSS. Die sind doppelt so alt wie wir und nur halb so verbittert.
Felix: Ohne das Zugpferd KNUD VOSS wären wir ja auch nicht im BOAH-Studio gelandet, hat Spaß gemacht.
Teller: Die BOAH-Sessions waren, soweit ich mich recht erinnere, eine Art Test, um zu sehen, ob wir auch live Songs einspielen könnten. Da das Ganze überraschend gut geklappt hat, wollten wir es der Welt nicht vorenthalten. Ob die Welt nun will oder nicht.

Wer euch schon mal gesehen hat, weiß, dass ihr live performen könnt. Wie geht es euch zur Zeit ohne Konzerte?
Schrammi: Schlecht.
Herbert: Nicht anders als dir und allen anderen.
Felix: Eigentlich ganz gut. Die Lust auf die erste Probe steigt und es wird eine lange Vorstellungsrunde von neuen Fähigkeiten und zahllosen Riffs. So viel Zeit zum Üben hatte keiner bisher ... ohne Druck ausüben zu wollen.
Teller: Um Felix’ Anmerkung aufzugreifen: Tatsächlich bin ich mir auch in dieser schweren Zeit treu geblieben und übe so gut wie gar nicht. Stichwort: Imagepflege. Entschuldigung im voraus, keine neuen Fähigkeiten, hoffentlich sind aber die drei alten noch abrufbar. Ansonsten fehlen mir aber die Auftritte, obgleich ich mich bei diesen am liebsten in die dunkelste Ecke des Klangschattens verkrieche.

Sich politisch zu positionieren wird immer wichtiger, die Sache mit Rob Miller von TAU CROSS zeigt, unsere Szene ist nicht sicher vor rechten Ideologien. Euer Song „Rechte Spießer“ lässt vermuten, dass ihr politisch korrekt seid. Wie geht es euch damit, wenn man so was wie das mit Rob Miller hört?
Schrammi: Mir geht es bei mehreren Bands so, dass ich Probleme habe, die „gut“ zu finden. Bei DEATH FROM ABOVE 1979 gab es ja schon die Geschichte mit dem Proud-Boys-Deppen ... Ich kann das nicht ausblenden. Rob Miller ist ja noch eine Spur krasser. Das wäre ein Grund für mich, die Band zu hassen, hätte ich sie vorher gemocht. Ich kannte die aber nicht wirklich und das bleibt jetzt auch so.
Herbert: Geht gar nicht! Da bin ich froh, dass wir als Band politisch auf einem Nenner sind, und bei anderen Bands sehr kritisch betrachten, welche Hintergründe sie haben und welche Ideale sie vertreten. Zudem reden wir über unsere Texte, achten gemeinsam darauf, wer und was ins Booklet kommt. Ansonsten halte ich das wie Schrammi und werde mir die nicht anhören.
Felix: Beim Texten und live kann ich Schrammi nur darin unterstützen, auch mal klare Äußerungen zu machen. Man sieht es aktuell etwa am Beispiel von Danger Dan, wie wichtig und wertvoll es ist, sich zu positionieren. Ob man da mit Tricks arbeitet oder offensiv vorgeht, kann man als Band ja wählen. Eine gute Recherche seitens von Fanzines und Festivalveranstalter ist ebenso unabdingbar, um eine eventuelle Grauzone oder sogar eine faschistische Tendenz bei Künstlern erkennen zu können. Wir gucken nach Konzertanfragen auch mal bei anderen bestätigten Bands nach, um eine mögliche zweifelhafte Relation zu vermeiden.
Teller: Heutzutage ist es oftmals nötig, da so weit wie möglich zu recherchieren und zu graben, um sich in alle Richtungen abzusichern und nicht doch in ein politisches Wespennest zu stechen. Dies finde ich im Bandkontext wichtig wie auch sehr richtig und wir betreiben es so gewissenhaft, wie es uns möglich ist. Ich selbst mache ich es mir, zumindest im Bezug auf Musik, da ein wenig unkomplizierter und höre nur noch die Edelmusik von GORDON SHUMWAY ... die sind sauber durch und durch.

Was kann man tun, um Locations zu erhalten?
Schrammi: Sehr viel spenden!
Herbert: Merch der Locations kaufen oder an deren Aktionen teilnehmen.
Felix: Das, was die anderen sagen. Fürchterlich finde ich die Haltung der viel diskutierten Großen Freiheit/Docks/Traum GmbH. Ich danke allen anderen Veranstaltungszentren und Agenturen, die sich dieser Trotzreaktion nicht hingeben und sich den „Querdenker:innen“ nicht anschließen.
Olli: Und wenn die Läden irgendwann wieder aufmachen, hingehen und dort viel Geld ausgeben natürlich.

Ursprünglich wolltet ihr Charakterstudien aus dem Umfeld in die Texte einfließen lassen, dies ist dann unter anderem daran gescheitert, dass ihr euch zu oft selbst im Fremden wiederentdeckt habt. Haben es vielleicht doch Charakterstudien oder Ähnliches in die Texte geschafft?
Schrammi: Gescheitert ist es eher daran, dass das Ganze sonst etwas konzeptionell für ein Debüt gewesen wäre. Dennoch sind da einige Charakterstudien mit dabei. Hör dir „Trommeltrump“ oder „Eulen nach Canossa“ an. Aber mit „Im Kontrollraum“ und „Platzverweis“ gibt es auch etwas Persönliches. Und ja: Man erkennt sich auch immer ein bisschen selbst im betrachteten Gegenüber. Wenn man nicht völlig arrogant ist.
Felix: Unsere eigene Beschreibung als Bauspar-Punks sagt, finde ich, schon viel darüber aus, was wir in unserem sozialen Kontext in uns und auch im Fremden entdecken. Ich schreibe die Texte nicht und finde den roten Faden der immer wieder aufkommenden Ambivalenz in Sachen eigene Bandbetrachtung oder Beobachtung von Charakteren erfrischend.
Teller: Ich finde mich in einigen unserer Textpassagen wieder, ob ich will oder nicht. Lässt sich auch nur schwer vermeiden, wenn man relativ ehrlich zu sich selbst ist. Weiße Sneaker habe ich zumindest im Schrank, manchmal auch Vans im Büro an und Fair-Trade-Kaffee find ich lecker. Aber bin ich deshalb gleich per se ein schlechter Mensch?! Grundsätzlich ist nichts schlimm daran, jemand zu sein, der man manchmal nicht so gerne sein möchte – solange man nicht unbedingt das hundertprozentige Duplikat eines Trommeltrump-Stereotyps ist.

Noch was zu sagen?
Schrammi: Ja. Wenn es etwas gibt, das noch peinlicher ist, als in unserem Alter Punk zu machen, dann sind das Muckertypen, die mit Bandana und Sonnenbrille auf der Bühne der Kieler Woche in Siebziger-Jahre-Hardrock-Coverbands spielen. Aber wir sind auch schon peinlich.
Herbert: Habt euch lieb, achtet aufeinander und euch selbst ... und FCK AFD!
Felix: In Ox #155 gibt es den Satz: „Ein Problem unserer Gesellschaft ist, dass ständig bewertet und verglichen wird.“ Und dem stimme ich zu. Ich finde Charts und Rankings von Alben nervig. Wiederum die Idee mit den zehn Lieblingsalben auf einer einsamen Insel mag ich, das ist sehr subjektiv und immer wieder interessant.
Teller: Nachdem ich das erste Mal auf eine Bühne durfte, stellte ich fest, dass es gar nicht so schlimm war, wie ich anfänglich dachte. Obgleich sich schon das Verkabeln der Gitarre als echte Herausforderung darstellte. Daher möchte ich jede:n ermutigen, es einfach mal zu versuchen, statt zu Hause oder im Proberaum still und heimlich vor sich hin zu existieren. Klar, die vier Tage Magenschmerzen und das animalische Übergeben vor jedem Auftritt sind am Anfang neu und ungewohnt, aber man lernt recht schnell, damit professionell umzugehen.