JOHNNY REGGAE RUB FOUNDATION

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Wut und Widerstand

Mitte 2017 veröffentlichte das Kölner Ska-Trio mit „No Bam Bam“ sein Debütalbum auf Pork Pie. In der Zwischenzeit wurde eine Single zu Ehren des This is Ska-Festivals in Rosslau nachgelegt. Nun gibt’s ihr zweites Werk „Trouble“, erneut auf Pork Pie. Aus der berühmt-berüchtigten „One-Man-Ska-Band“ wurde ein Quartett. Live und auch auf „Trouble“ sind nicht mehr Johnnys Fußschlagzeug-Rudie Drums, sondern ein echter Schlagzeuger mit Drumset zu hören. Was sich seither sonst noch getan hat, darüber spreche ich mit Gitarrist und Sänger Johnny und Keyboarderin und Sängerin Chrissy.

Das letzte Mal tauschten wir uns kurz vor der Veröffentlichung eures ersten Albums „No Bam Bam“ aus. Wurden eure Erwartungen erfüllt?

Chrissy:
Wir haben uns gewünscht, viel rumzukommen, zu spielen und möglichst viele Leute mit unserer Musik zu erreichen. „No Bam Bam“ hat uns das ermöglicht und wurde darüber hinaus mit sehr guten Kritiken bedacht. Das hat uns immens beflügelt, aber noch viel mehr haben wir uns darüber gefreut, wie sehr uns die Ska-Community seitdem gefeiert hat.

Johnny: Sie wurden übertroffen, würde ich sagen. Das Album kam wirklich sehr gut an und wir wurden hierzulande, begünstigt durch unser ungewöhnliches Line-up, in gewisser Weise zu jedermanns Liebling.

Was ist seit „No Bam Bam“ sonst passiert?

Johnny:
Die Gigs wurden immer besser und waren auch meist gut besucht. Durch das viele Spielen hat sich der Bedarf nach weniger langsamen und mehr tanzbaren Songs erhöht.

Chrissy: Uns ist es wichtig, regelmäßig zu releasen. Zwischen den Alben kam deshalb die Vinyl-Single „This Is Ska/Oi Oi Oi“. Eine Hymne für das This is Ska-Festival in Rosslau, dem wir uns sehr verbunden fühlen, und eine schlüpfrig-schräge Nummer über Selbstbefriedigung im Judge Dread-Style.

Johnny: Danach machten wir uns Gedanken, wie die neue Platte aussehen und in welche Richtung sich der Bandsound entwickeln könnte.

Johnny, jetzt hast du dir so lange über deine Rudie Drums Gedanken gemacht und sie jahrelang optimiert – und dann wird das gute Stück einfach durch einen Schlagzeuger, ein viertes Bandmitglied, ersetzt?

Johnny:
Also einfach über Bord geworfen habe ich das nicht. Wie du schon sagst, haben sich die Rudie Drums immer weiterentwickelt und ich habe sowohl sound- als auch performancemäßig alles rausgehauen. Dennoch habe ich irgendwann eine natürliche Grenze erreicht. Abgesehen davon, dass es tierisch anstrengend ist, neunzig Minuten wie ein Affe auf dem Schleifstein zu sitzen und dabei auch noch Gitarre zu spielen und zu singen, hat sich gezeigt, dass dieses Konzept nur bis zu einer gewissen Hallengröße funktioniert. Kleine und mittlere Clubs waren nie ein Problem, solange du den direkten Kontakt zum Publikum wahren konntest, quasi zum Anfassen da warst. Aber bei größeren Shows haben wir gemerkt, dass uns die Wucht fehlt, die Leute in gleicher Weise zu erreichen. Unser Booker hat dann immer vom singenden Hut gesprochen, den zehn Meter weiter hinten keiner mehr sieht.

Inwiefern hat sich JRRF als „One-Man-Ska-Band“ als etwas Besonderes, Exotisches verkauft und wie wirkt sich das jetzt aus?

Johnny:
Anfang 2019 haben wir angefangen, zu viert zu spielen. Dabei haben wir gemerkt, dass das nicht so ohne weiteres übertragbar ist. Es geht doch einiges vom Kleinkunst-Charme verloren, und auch die enorme Geschlossenheit, die das Format vorher hatte, war nicht mehr gegeben. Wir waren jetzt eine „normale“ Band mit allen Vor- und Nachteilen.

Chrissy: JRRF waren als „One-Man-Ska-Band“ einzigartig, keine Frage! Das Publikum hat Johnny als Personalunion von Trommler, Gitarrist und Sänger sehr schnell akzeptiert und irgendwie als „normal“ aufgefasst. Anfangs bekamen wir noch viele Fragen zu den Rudie Drums, doch dann hat sich schnell ein große Selbstverständlichkeit ausgebreitet. Wir waren einfach so, bäm! Jetzt mit der Umstellung gibt es natürlich schon die eine oder andere Frage nach dem Warum. Einigen Puristen hat es früher besser gefallen. Ganz klar, der Charme des Trios ist unangefochten, aber jetzt befinden wir uns in einer ganz anderen Sounddimension.

Warum wurde nicht Fabian Partsch alias Mad Monkey, der euch ein sehr feines Schlagzeugspiel beigesteuert hat, zum festen vierten Mitglied, sondern Sgt. Pepper, der bei den Aufnahmen zu „Trouble“ „nur“ Bongos und Backing-Vocals beigetragen hat?

Chrissy:
Ursprünglich hatten wir vor, das neue Album mit „normalen“ Drums einzuspielen und live weiter als Trio aufzutreten. Bei den Aufnahmen wurde uns jedoch schnell klar, dass wir den neuen Sound auch live haben wollen.

Johnny: Die Aufnahmen mit Fabian waren super! Aber irgendwie haben wir es nicht geschafft, die Songs auch in dieser Qualität auf die Bühne zu bringen. So haben wir uns dann weiter umgeschaut und jetzt mit Sgt. Pepper alias Raul Pfeffer einen Mann am Schlagzeug, mit dem der Laden wieder läuft. Durch seine Erfahrung, auch auf großen Bühnen, unter anderem mit RAKEDE oder XATAR, hat er auch das Selbstbewusstsein, das nötig ist, um mich handlen zu können, was zugegebenermaßen nicht immer einfach ist.

Ihr habt euer eigenes Studio eingerichtet und dort an „Trouble“ gearbeitet. Werden in Zukunft auch andere Bands in eurem Studio aufnehmen?

Johnny:
Wir haben ja schon immer selbst aufgenommen. 2018 sind wir in eine Studiogemeinschaft gezogen, wo sich die technischen Möglichkeiten enorm verbessert haben. Inzwischen haben wir nachgelegt und eine eigene Regie aufgebaut. Mit echtem Mischpult und feiner Analogtechnik, aber aufgenommen und geschnitten wird natürlich am Rechner. Das neue Studio nennt sich The Foundation Room. „Trouble“ ist von mir produziert und gemischt worden und ja, wir wollen und werden in Zukunft auch Sachen für andere Bands machen. Der Schwerpunkt soll hierbei auf dem Mischen liegen.

Beschäftigen wir uns mit den Lyrics: Sind wir Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Chrissy:
Der Schlüssel liegt wohl darin, sich bewusst zu machen, dass unser Handeln immer eine Auswirkung hat, ganz egal, ob du eine bewusste Entscheidung triffst und die Dinge angehst, oder passiv bleibst und dich nicht äußerst. Genau darum geht’s in „History“. Wir schreiben Geschichte, ganz egal ob wir aktiv teilnehmen oder passiv von nichts gewusst haben wollen. Klassisches Beispiel ist hier die Wahlbeteiligung: Gehst du hin, wählst du vielleicht eine Partei, die dich nicht hundertprozentig vertritt – gehst du nicht hin, verschenkst du deine Stimme an die Rechten. Kurz gesagt: „If you’re really pissed, just turn round and resist!“

Johnny: Na, wenn alles okay wäre, bräuchten wir ja nicht drüber reden. Wir denken schon, dass es wünschenswert wäre, wenn jeder Einzelne von uns ein wenig Verantwortung in irgendeiner Weise übernimmt, die in seinem oder ihrem Umfeld möglich ist. Und vor allem diese Unart, dass auf alles, was andere versuchen zu tun, um wenigstens ein bisschen was zu verbessern, sofort draufgehauen wird. Diese typische deutsche Besserwessi-Art, die mag ich überhaupt nicht. Selber anpacken und einfach mal die Fresse halten!

 


Track by Track

„J.R.R.F.“ Wir sind JRRF!

„History“ Klassische Ska-Nummer. Alles, was du machst oder nicht machst, hat eine Auswirkung auf dich und deine Zeit. Beware!

„Resist“ Tanzbar. Streitbar. Widerstand!

„Trouble“ Alarm. Wenn du mich in die Ecke drängst, gibt es kein Zurück.

„If you don’t like it“ Ska’n’Roll, eine trotzige, happy Looser-Nummer über nicht erwiderte Zuneigung.

„Shut up“ Uptempo-Ska über Freundschaft, gebrochene Versprechen und Hoffnung.

„Who cares“ Alle sind zu satt, um zuzuhören. Der Crooner in uns wünscht sich ein bisschen mehr Awareness.

„Here we go“ Skinhead-Reggae-Scorcher mit kritischem Blick auf den aktuellen Rechtsruck.

„Blue skies ahead“ Nyabinghi-Groove-Ballade. Nimm das Leben nicht so schwer, pack die Dinge an, schau nach vorn, auch wenn’s nicht immer leicht ist.

„Mortality“ Stones meet Buddha. Eingängiges Plädoyer für ein Leben im Hier und Jetzt.

„Stay united“ Hymne. Steht zusammen und füreinander ein. Ihr müsst euch nicht immer lieben, aber haltet gefälligst zusammen.

„Beer & ska“ Unsere Ode an die Ska-Gemeinde. Hier geht’s ums Feiern, Auftanken und einfach mal eine gute Zeit mit guten Freunden haben.