KALI MASI

Foto© by Michelle Johnson

Im Fokus

Manchmal gibt es einfach Platten, zu denen entwickelt man eine freundschaftliche Beziehung. Man fühlt sich hier verstanden und so akzeptiert, wie man ist. Auf der anderen Seite halten sie dir aber auch den Spiegel vor und wollen dir dabei helfen, dass es dir besser geht. „Laughs“ ist genau so ein Album. Irgendwo zwischen Punkrock, Midwestern Emo und wohl auch Post-Hardcore zeigen KALI MASI aus Chicago, was für herausragende Künstler sie sind. Sänger Sam erzählt im Interview, warum er mittlerweile die Kommentarspalten in den sozialen Netzwerken liest und welche Bedeutung die einzelnen Soundschnipsel haben, die auf dem Album immer wieder auftauchen.

Unter normalen Umständen hättet ihr eure neuen Songs ja schon mal live testen und schauen können, welche Reaktionen sie auslösen. Jetzt bleiben euch ja fast nur die Kommentare unter euren Videos. Schaust du da manchmal rein?

Ich weiß, dass man das eigentlich lassen sollte, aber natürlich bin ich daran interessiert, wie unsere neuen Songs aufgenommen werden. Wir sind ja jetzt auch keine riesig große Band, bei der die Leute ungeduldig auf neues Material warten. Deshalb drehen sich die meisten Kommentare im Moment eher darum, dass die Leute angenehm überrascht sind und uns gerade per Zufall entdeckt haben. Ein paar von ihnen, zumindest diejenigen, die schon vorher mitbekommen haben, dass wir neue Sachen veröffentlichten, haben sich auch sehr positiv geäußert. Es scheint also ganz gut anzukommen und ich bin gespannt, wie das Feedback auf das gesamte Album ausfallen wird.

„Laughs“ ist eine Platte voller Aha-Momente. Du singst von Situationen, in denen du dir selbst im Weg gestanden hast und worin man sich als Hörer:in schnell wiedererkennen kann. War euch während des Schreibens der Songs bewusst, welche Wirkung sie haben würden?
Mir sind die Reaktionen auf meine Texte und auf unsere Songs enorm wichtig. Wenn ich darüber nachdenke, dass Menschen sich in unserer Musik wiedererkennen, bekomme ich eine Gänsehaut. Ich erschaffe keine Fantasiewelt, wenn ich etwas schreibe. Beim Verfassen der Texte denke ich über vieles nach, was ich durchmache, über das ich vielleicht Angst habe zu sprechen. Das sind normalerweise die Dinge, auf die ich mich konzentriere, weil ich glaube, dass viele andere Menschen genauso fühlen. Vieles auf „Laughs“ handelt davon, diese inneren Mauern einzureißen, die uns davon abhalten, unser Bestes zu geben, egal ob es sich um eine Beziehung, eine Freundschaft oder was auch immer handelt. Wir versuchen, das Gesamtbild zu betrachten. Ich hoffe also, dass die Leute diese Momente teilen. Der Grund, warum wir Musik machen wollen, ist, uns mit anderen Menschen zu verbinden. Und genau dazu dienen die Texte.

Dann lass uns direkt über eine Songzeile aus „Trophy deer“ sprechen: Was steckt hinter „I don’t want to be a souvenir“?
Ich war viele, viele Jahre in einer Beziehung, die am Ende einfach ausgetrocknet war. Jedes Mal, wenn ich darüber redete, sprach ich nur über die positiven Sachen, um meinen Freunden nicht zu zeigen, wie enttäuscht und unzufrieden ich eigentlich war. Ich hatte das Gefühl, dass es nur noch darum ging, den Schein zu wahren, dass alles in Ordnung sei. Aber ich wurde nicht als Mensch geschätzt. Weißt du, als ich dieses Lied schrieb, musste ich an diese Trophäen denken, die man sich an die Wand hängt. Wie zum Beispiel ein Reh, das man erschossen hat, nur um zu zeigen, was für ein Held man ist. Es bedeutet eigentlich gar nichts. Die Beziehung hat den gleichen Status wie so ein Objekt. Es ist keine richtige Erfahrung, es ist nichts Wahres. Du bist nicht mehr als ein Souvenir, das im Regal Staub fängt. Wenn du das verstanden hast, bedeutet das, dass du verdammt noch mal da raus musst. Außerdem wollte ich immer mal einen Song „Trophy deer“ nennen. Ich hatte das schon ganz lange als Notiz in meinem Handy stehen.

Viele Musiker:innen sprechen davon, dass die Musik wie eine Katharsis für sie wirkt. Wie war das beim Schreiben von „Laughs“ für euch?
Es war eine unglaublich tolle Erfahrung, die Songs aufzunehmen. Aber am Ende hat es sich so angefühlt, als wären wir zehn Meilen gesprintet. Wir waren wirklich erschöpft, weil wir alle Kraft in die Songs gesteckt haben. Dass die Platte nun schlussendlich ganz genauso klingt, wie ich sie mir vorher vorgestellt hatte, war ein sehr befreiendes Gefühl.

Gibt es einen Song auf der neuen Platte, zu dem du eine besondere Beziehung hast?
Nun, ich freue mich aus völlig unterschiedlichen Gründen über jeden Song auf der Platte, und ich denke, sie unterscheiden sich alle deutlich voneinander. Der Song jedoch, der am einfachsten zu schreiben und aufzunehmen war, ist „Freer“. Da lief es so, dass wir uns einmal hingesetzt haben und mit einem fertigen Song wieder aufgestanden sind. Manchmal findet einen ein Song von alleine. Normalerweise schreibe ich nie auf Papier. Ich tippe mir Notizen in mein Smartphone. Bei diesem Song kam alles aber irgendwie anders. Es war ein ganz anderer Flow. Die Texte, das Reimschema, eigentlich alles ist in einer Sitzung entstanden. Als wir dann jedoch das Schlagzeug, den Bass und die Gitarren dazu getrennt aufnehmen wollten, fühlte es sich nicht mehr so „richtig“ an. Dem Ganzen fehlte die Seele oder der Herzschlag. Also haben wir alles bis auf den letzten Teil verworfen und das Ganze einfach live eingespielt, nur Gitarre und Gesang. Es ist dadurch sehr viel besser geworden. Bei „Recurring (I)“, den wir eigentlich schon für „Wind Instrument“ eingeplant hatten, war es noch viel schwieriger. Eigentlich wollten wir Teil eins und zwei auf einer Platte haben. Damals habe ich die Texte aber nicht rechtzeitig fertigbekommen und es klang auch grundsätzlich nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Seitdem haben wir dieses Lied die ganze Zeit über bei den Proben gespielt, und es hat sich hier und da kaum verändert. Aber auch während der Aufnahmen zu „Laughs“ wollte und wollte dieser Song einfach nicht fertig werden. Ich war mir nicht sicher, wie ich genau ausdrücken sollte, was ich sagen wollte. Jetzt ist „Recurring (I)“ mit Sicherheit der aggressivste Song auf der Platte. Und es war die letzte Gesangsaufnahme, die ich während der gesamten Session gemacht habe. Meine Stimme war quasi durch, es stand trotzdem fest, dass wir es dieses Mal abschließen müssen. Wahrscheinlich bekommen wir den Song nie wieder so hin wie im Studio. Auch Jay Maas, unserem Produzenten, war offenbar klar, dass wir den Song aufnehmen mussten, auch wenn meine Stimme so klingt, als wäre es das letzte Mal, dass ich überhaupt etwas singen kann.

Würdest du sagen, dass auch eure Heimatstadt Chicago Einfluss auf eure Musik hat?
Ja, ich denke schon, dass das so ist. Wir alle lieben Bands wie ALKALINE TRIO oder LAWRENCE ARMS und sind stolz, dass sie aus der gleichen Stadt kommen wie wir. Gleichzeitig versuchen wir immer noch herauszufinden, wer wir als Band eigentlich sind. Einen großen Anteil daran haben unsere Fans. Sie sind wie ein Spiegel. Dennoch würde ich nicht sagen, dass wir unbedingt als Band aus Chicago bekannt sind. Wenn wir ehrlich sind, kommen in anderen Städten sogar mehr Leute zu unseren Konzerten als in unserer Heimatstadt. Ich bin wirklich dankbar, die Gelegenheit zu haben, so viele Orte bereisen und trotzdem hierhin zurückkommen zu können.

Über die Platte verteilt kann man immer wieder einzelne Soundschnipsel hören. Kannst uns du sagen, was dahintersteckt?
Als wir mit den Aufnahmen begonnen hatten, waren wir eigentlich überzeugt, dass wir eine softe Indie-Platte machen werden. Am Ende kam eine Hardcore-Platte dabei heraus. Wir waren uns nur nicht sicher, ob alle Songs so zusammenpassen würden. Ich bin dann noch mal die Texte durchgegangen und habe nach Motiven gesucht, die alles miteinander verbinden. Ich arbeite als Marketingfotograf, da bin ich also auch beruflich immer mit einem anderen Fokus unterwegs. Mir ist aufgefallen, dass es vom ersten bis zum letzten Song eine Menge Kamerareferenzen gab. „Still life“, der Opener, beginnt damit, dass jemand gerade etwas an einer Kamera einstellt, um ein Foto zu schießen. Die B-Seite der Platte beginnt damit, dass ein Fotoblitz aufgeladen wird. Die vielen Bildverweise auf „Laughs“ haben uns darauf gebracht, die Songs in dieses Kamera-Ding einzubetten. Geplant war das zu Beginn auf jeden Fall nicht.