KOMMANDO KANT

Foto© by Bartosz Harasimowicz & Nina Behr

Sie kommen aus – Husum!

In Sachen Indierock und Punk mit Texten, die auch mal um die Ecke denken, sieht es gut aus in Norddeutschland. Hamburger Schule, Wiebusch-Clan, TURBOSTAAT – die Beispiele sind zahlreich. Und auch KOMMANDO KANT gehören dazu. Ihr neues Album „Aussterben ist ein schönes Hobby“ enthält bestechend schöne Songs, die vor Melancholie und Fatalismus nur so strotzen. Björn, André und Marius – seit dem vergangenen Jahr gemeinsam mit Schlagzeugerin Lilian wieder als vollzählige Band unterwegs – berichten uns von seiner Entstehungsgeschichte.

Mir gefällt der Name eurer neuen Platte sehr gut. Solch einen Titel erfindet man ja nicht einfach so, da muss es doch einen Auslöser geben. In welchem Moment seid ihr auf darauf gekommen, beim „Tagesschau“ gucken?

Björn: Nein. Es war so, dass wir zunächst auf nichts kamen. Irgendwann sagte Marius dann aber den Satz: „Musik ist ein schönes Hobby“. Und das hatte was. Wobei die Aussage an sich ja eher blöd ist. Die maximale Beleidigung. So nach dem Motto: „Eigentlich mache ich ja Musik. Aber das ist ja irgendwie nichts Richtiges. Nichts Vernünftiges.“ Und irgendwann fiel dann das Wort „Aussterben“. Und das war es dann. Dass es jetzt in diesem Jahr tatsächlich eine solche Bedeutung bekommen würde, dass es derart plakativ werden würde, das konnte keiner ahnen.

Es passt auf jeden Fall. Wenn ich mir die Songs anhöre und an die derzeitige Situation denke, dann frage ich mich schon: Wo bleibt auf dieser Platte die Hoffnung?
Björn: Über negative Dinge lässt sich einfach viel besser schreiben. Wenn man sich im Alltag umschaut, dann fallen einem nun mal vor allem die Dinge auf, die man falsch findet. Wer etwas Positiveres hören will, der muss sich anderen Genres widmen. Schlager zum Beispiel, haha.
André: Das hat meist etwas von Selbstzensur. Ich kenne das. Dass ich denke: Jetzt musst du aber auch mal etwas anderes schreiben. Sogar eine Band wie THE CURE tut das ja. Aber dann erkennt man, dass es sich einfach besser anhört, wenn man auf Englisch davon singt, dass man jemanden für immer liebt, haha. Auf Deutsch haut das nicht so hin. Das wird zu schnell zu kitschig.
Marius: Wenn das einer auf Deutsch macht, dann wird es kritisch. Nehmen wir das Beispiel DRANGSAL. Da denke ich immer, wie sehr müssen die im Studio über sich selbst lachen, haha.

Die Platte klingt sehr fatalistisch. Ich habe beim Hören sehr oft an „Kapitulation“ von TOCOTRONIC gedacht.
Marius: Ein interessanter Gedanke ... Ich liebe TOCOTRONIC. Aber wie weit ist es vom Aussterben zum Aufgeben? Bei TOCOTRONIC wird die Kapitulation eher gefeiert. Das ist ein ironisches Fest. Bei uns ist das eher pessimistisch.

Das vergangene Album liegt vier Jahre zurück. Warum so lange?
André: Wir haben nach dem Album und der Tour dazu sehr lange nach einem Label gesucht, da zu uns passt. Und vielleicht sind wir – als Norddeutsche – in solchen Dingen eher faul und langsam. Dann kommt so viel Zeit zusammen.
André: Man darf zudem nicht vergessen: Unser Schlagzeuger Jannis ist 2019, mitten in der Arbeit an dem Album, plötzlich ausgestiegen. Dann standen wir erst mal da. Und sind in Lethargie verfallen. Bis uns Lilian als neue Drummerin da rausgeholt hat.

Die zusätzliche Verzögerung der Albumproduktion dadurch ist ja das eine. Aber wie sehr trifft der Ausstieg eines Mitglieds eine verhältnismäßig junge Band wie euch darüber hinaus?
André: Sehr. Und wir waren eine Zeit lang wirklich extrem unglücklich mit KOMMANDO KANT. Aber letztlich war es eine vor allem wichtige Erfahrung. Denn Jannis war ein großartiger Schlagzeuger, der viel für uns und unsere Musik getan hat. Aber er machte uns die Sache dadurch vielleicht auch zu einfach. Er wusste immer sofort, was wir wollten und wie er das zu tun hatte. Und das war nicht unbedingt immer das Beste für die Songs. Als er weg war, waren wir gezwungen, uns intensiver mit den Stücken auseinanderzusetzen. Darüber nachzudenken, was wir wirklich wollen. Wir haben jetzt gelernt, mehr auf den Punkt zu kommen. Das ist unsere Stärke. Unsere Platten davor waren vielleicht ein wenig überambitioniert.

Wir häufig werdet ihr eigentlich mit TURBOSTAAT verglichen?
Björn: Erstaunlich oft. Und ich frage mich immer: Warum? Früher wäre das ja immer meine Glückseligkeit gewesen. Aber irgendwann musste ich dann selber einsehen: Okay, das, was wir machen, klingt eigentlich gar nicht nach TURBOSTAAT. Entsprechend hörten wir auch auf, uns mit ihnen zu vergleichen und uns Punkband zu nennen. Und dann kommt unser neues Album raus. Und alle nennen uns Punkband. Und vergleichen uns mit TURBOSTAAT. Würde man uns als Vorband von TURBOSTAAT engagieren, dann wäre das den meisten Konzertbesuchern aber bestimmt zu seicht.
Marius: Gegenfrage: Wie oft hast du denn beim Hören der Platte an TURBOSTAAT gedacht?

Ganz ehrlich: Ich hatte dabei mehrfach Assoziationen zu TURBOSTAAT. Allein schon wegen der melancholischen, gerne mal verschwurbelten Texte.
Björn: Klar: Es mag den einen oder anderen Song geben, der Parallelen aufweist, aber das ist, wie du schon sagst, dann eher textlich der Fall. Ich habe zudem einfach das Gefühl, dass diese Vergleiche mehr mit unserer ähnlichen Herkunft als mit der Musik zu tun haben. Dass da irgendwie etwas Norddeutsches mitklingt. Wir kommen ja auch aus Husum – Komma – verdammt! Haha!
André: Letztlich kommen TURBOSTAAT ja ganz klar aus der hiesigen Punk-Szene. Wir dagegen haben alle vollkommen verschiedene musikalische Hintergründe. Kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen: Pop, Punk, Reggae. THE CURE, Neil Young, WILCO, PIXIES, BLUR, NIRVANA, MODEST MOUSE. Und Elton John. Haha.