MEANBIRDS

Foto© by Arne Marenda

Zurück auf der Bühne

Den Namen Magenta Caulfield verbindet man vor allem mit den beiden renommierten Nürnberger Labels Concrete Jungle Records und Aggressive Punk Produktionen. Matze aka Magenta Caulfield hatte seine Musikerkarriere vor rund acht Jahren an den Nagel gehängt, als seine damalige Band REJECTED YOUTH den Betrieb einstellte. Seitdem hat er ein respektables Imperium für Streetpunk, Hardcore und Deutschpunk aufgebaut und bringt die Alben von Bands wie ADOLESCENTS, THE MOVEMENT, TOXOPLASMA oder KOTZREIZ heraus. Mit MEANBIRDS hat der erfahrene Labelmacher jetzt wieder eine eigene Band am Start. Eine echte Herzenssache, erzählt er im Ox-Interview.

Warum hast du nach all den Jahren noch mal eine neue Band gegründet?

Die Frage ist eher, warum ich das nicht schon viel früher gemacht habe. Das war für mich schon lange klar und viele der Songs hatte ich auch schon lange geschrieben. Die meisten Ideen sind direkt nach dem Ende von REJECTED YOUTH entstanden. Ich wollte sie dann schnell umsetzen und habe einige Projekte mit verschiedenen Leuten angefangen. Aber das hat zeitlich nie richtig gut funktioniert. Ich hatte meine Labels und die anderen Musiker hatten meistens auch noch eigene Projekte am Start. Dann hat sich das leider irgendwann immer verlaufen. Ende 2018 habe ich schließlich Tim und Stefan gefragt, ob sie nicht Bock hätten, weil ich diese Songideen unbedingt umsetzen wollte. Dann haben wir ziemlich intensiv daran gearbeitet und sind schon nach etwa einem Jahr ins Studio gegangen.

Warum haben sich REJECTED YOUTH nach 14 Jahren Bandgeschichte überhaupt aufgelöst?
Bei mir war damals irgendwie die Luft raus. Natürlich auch bedingt durch die Selbstständigkeit mit den Labels. Das hat mich damals ziemlich viel Zeit und Energie gekostet. Wir haben uns also nicht im Streit getrennt, sondern in gegenseitigem Einvernehmen.

Und wie hast du das Feuer für eine neue Band jetzt entfacht?
Ich hatte einfach Bock darauf, meine eigenen Sachen mal wieder in den Fokus zu rücken und nicht immer nur die Musik von anderen Leuten zu veröffentlichen. Das macht mir natürlich auch Spaß, aber in mir steckt eben auch ein Künstler und der möchte sich hin und wieder auch ausleben. Nach sechseinhalb Jahren war einfach der Zeitpunkt dafür gekommen. Als es im Proberaum so viel Spaß gemacht hat, war schnell klar, dass wir eine richtige Band daraus machen und ein Album aufnehmen wollen. Das muss man inzwischen auch machen, wenn man erfolgreich sein will.

MEANBIRDS sind ja ein klassisches Trio: Gitarre, Bass, Schlagzeug. Wer sind deine Bandkollegen? Kennt man die aus der Nürnberger Szene?
Unser Bassist Tim Heerwagen hat früher bei SHARK SOUP gespielt, später hatte er noch ein eigenes Projekt namens DEAD CITY ROCKETS. Die kennt jeder, der sich in der Nürnberger Szene bewegt. SHARK SOUP gab es damals parallel zu REJECTED YOUTH. Die standen in Los Angeles bei BYO Records, dem Label von Shawn und Mark Stern von YOUTH BRIGADE, unter Vertrag und waren in den USA, in Australien und mehrmals in England auf Tour. Unser Schlagzeuger Stefan Ludwig war in einigen lokalen Bands aktiv, die kennt man außerhalb von Nürnberg eher nicht.

Wie ist der Sound der MEANBIRDS entstanden? Da gibt es ja durchaus Parallelen zu deiner alten Band.
Natürlich kann man da immer ein bisschen REJECTED YOUTH heraushören, durch meine Stimme und weil ich da fast alle Songs geschrieben habe. Dadurch ist meine Handschrift wahrscheinlich deutlich erkennbar. Die erkennt man sofort, wenn man meine Musik ein bisschen verfolgt. Ich finde aber schon, dass bei den neuen Songs ein anderer Grundtenor mitschwingt. Kalkül ist keines dabei. Ich habe damals die Songs geschrieben, wie sie aus dem Bauch herausgekommen sind. Damals hatte ich ja noch kein konkretes Projekt im Kopf. Ich hatte mir damals schon vorgenommen, nicht darüber nachzudenken, ob das alles zusammenpasst und ein bestimmtes Publikum bedient. Ich wollte einfach nur die Musik machen, die ich gerade gefühlt habe.

Ist es eher ein Vorteil oder ein Nachteil, wenn du Musiker und Labelmacher in Personalunion bist?
Es ist natürlich praktisch, auch Labelmacher zu sein, weil ich die Strukturen jederzeit nutzen kann. Vielleicht verstehe ich auch besser als ein reiner Musiker, wie das Business funktioniert und worauf man achten muss. Aber es hat natürlich auch den Nachteil, dass ich sehr eingespannt bin. Mit so einem Punkrock-Label wird man nicht reich und muss viel mehr arbeiten als in einem normalen Bürojob. Deshalb fehlt mir natürlich manchmal die Zeit. Das wird aber in der Regel durch die kürzeren Wege wieder ausgeglichen. Wenn ich es aufwiegen müsste, ist es vielleicht ein kleiner Vorteil.

Worum geht’s in den Songs von MEANBIRDS?
Ich schreibe die Texte oft aus meiner eigenen Sicht, weniger über andere Menschen oder fiktive Dinge. Irgendeinen Zusammenhang mit mir gibt es immer. Das sind alles Sachen, die mich über die Jahre bewegt haben. Im Song „On the crusade“ geht es um Kalle Kalkowski, den ehemaligen Bassisten von REJECTED YOUTH und Gründer des Vegan Wonderland-Versansd, der sich vor einigen Jahren das Leben genommen hat. Das hat mich damals sehr getroffen, obwohl wir gar nicht mehr viel miteinander zu tun hatten. Aber wir kannten uns, seit wir 14 Jahre alt waren, und sind zusammen in diese Punk-Szene hineingerutscht. Deshalb hat mich sein Freitod längere Zeit beschäftigt. Im Song „The real me“ singe ich über eine homophobe Gesellschaft, die es leider immer noch gibt. Oder bei „Kiss me goodbye“ beschäftigen wir uns mit Massentierhaltung und diesen riesigen Schlachthäusern. Wir haben mit MEANBIRDS also auch einen politischen Anspruch, der allerdings nicht mehr ganz so plakativ ist wie bei REJECTED YOUTH.

Eigentlich sollte das Album im Juni herauskommen, wurde aber wegen der Corona-Pandemie auf August verschoben.
Auch andere Platten von unseren Labels wurden verschoben. Das hat den einfachen Grund, dass unser Presswerk, das seinen Sitz in Frankreich hat, aktuell deutlich längere Lieferzeiten hat. Es ist auch völlig unklar, wie lange die Corona-Krise noch anhält und ob es überhaupt Sinn macht, derzeit Platten herauszubringen. Deshalb war unsere Hoffnung, dass die Läden im August wieder öffnen dürfen. Es gibt zwar noch keine Shows, aber die Leute können wenigstens die Platte kaufen. Deshalb haben wir alle Veröffentlichungen von Juni auf August verschoben.

Wie hart trifft dich als Labelmacher die Corona-Krise?
Uns trifft es momentan noch nicht so direkt, wie etwa Veranstalter oder Booking-Agenturen. Also kleine Firmen, die sich ausschließlich über Ticketeinnahmen finanzieren, oder auch Künstler, die viel unterwegs sind. Weil wir aber auch an den Live-Verkäufen der Bands mitverdienen, wird es sich in den nächsten Monaten entscheiden, wie es weitergeht. Wenn es wirklich länger keine Konzerte geben wird, dann wird es auch für uns eng. Im Moment können wir die Durststrecke noch mit unserem Online-Shop ausgleichen, weil die Bestellungen stark angezogen haben.

Und was machst du, wenn es eng wird? Beantragst du staatliche Hilfen oder hast du kreative Ideen für andere Einnahmequellen?
Man weiß noch nicht genau, ob durch die Corona-Krise viele Menschen ihren Job verlieren oder ganze Firmen schließen müssen. Ich habe das schon in der Finanzkrise 2008 erlebt, dass die Leute weniger Geld für Platten, Tickets oder T-Shirts ausgegeben haben. Dann würden natürlich unsere Verkäufe insgesamt zurückgehen, auch im Online-Bereich. Aktuell haben wir natürlich noch den Vorteil, dass wir auch Geld mit digitalen Verkäufen und Streams verdienen. Das wird auch weiter zunehmen, denke ich. Aber das gleicht unsere Verluste natürlich nicht komplett aus. Wir werden uns erst später Gedanken darüber machen, wie ein kreativer Ausgleich für uns aussehen könnte.

Befürchtest du einen Kahlschlag in der Subkultur?
Das kann durchaus passieren. Es hängt vor allem davon ab, wie lange die jetzige Situation andauert. Das kann aber keiner seriös vorhersagen. Wenn man sich die Prognosen so durchliest, muss man davon ausgehen, dass es in diesem Jahr keine Konzerte mehr geben wird. Ob das auch so kommt, weiß ich nicht. Aber wenn es so kommt, werden rein privat geführte Clubs oder Magazine, also die ohne staatliche Hilfe, vielleicht nicht überleben. Aber auch bei subventionierten Läden wie dem Z-Bau in Nürnberg ist die Unterstützung ja nicht endlos. Da ist jetzt schon überall Kurzarbeit, weil einfach nichts zu tun ist. Das Bild wird sich auf jeden Fall verändern und es wird nicht nur kleine Läden oder Firmen treffen. Große Firmen haben vielleicht mehr Kapital, aber natürlich auch ganz andere laufende Kosten. Großveranstalter haben ja jede Menge Personal und Material, das kostet jeden Monat wahnsinnig viel Geld. Du kannst ja die Tickets nächstes Jahr nicht doppelt verkaufen, wenn dieses Jahr dein Festival abgesagt wurde. Ich gehe davon aus, dass nächstes Jahr die Preise steigen werden und zwar auch im subkulturellen Bereich. Die Verluste müssen ja irgendwie ausgeglichen werden. Und ich denke, es werden weniger Bands aus dem Ausland bei uns unterwegs sein. Gerade die kleineren Bands müssen schauen, wie sie mit anderen Jobs überleben, weil sie bei ihren Touren in der Regel nicht das große Geld verdienen.

In der Punk-Szene in Würzburg wird gerade heftig über die Ausgangsbeschränkungen gestritten. Also Freiheitsrechte contra Gesundheitsschutz. Wie siehst du das?
Die Leute halten sich einfach nicht freiwillig an die Abstandsregelungen. Das merke ich tagtäglich, wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe. Vor allem für Fahrradfahrer und Jogger ist Abstandhalten ein Fremdwort. Die kapieren es einfach nicht. Deshalb hat diese Reglementierung in meinen Augen ihre Berechtigung. Natürlich dürfen dafür gewisse Grundrechte nicht dauerhaft aufgehoben werden, das verstehe ich auch. In der Umsetzung stelle ich mir das allerdings schwierig vor. Wie soll zum Beispiel eine Demo stattfinden? Masken tragen allein schützt ja nicht vor Ansteckung. Diese Diskussion kommt jetzt zum falschen Zeitpunkt, finde ich. Je nachdem wie lange die Beschränkungen anhalten werden, muss man sich darüber natürlich Gedanken machen. Auch Menschen aus der so genannten Risikogruppe haben ein Recht darauf, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Diskussion darüber, ob alle, die nicht gefährdet sind, wieder rausdürfen und alle anderen eingesperrt werden sollen, finde ich völlig daneben. Aktuell können wir nicht einfach so tun, als wäre nichts.

Ich habe auch den Eindruck, dass es vielen Menschen bei uns schon lange sehr gut geht. Deshalb können viele schlecht mit der Krise umgehen und Abstriche bei ihrem Komfort machen.
Das Problem ist, dass man diese absurde Situation auch gar nicht richtig fassen kann. Bei vielen Leuten greifen deshalb gerade Verdrängungsmechanismen. Die denken, so schlimm kann das nicht sein. Viele können sich auch aus Angst nicht eingestehen, in welche Krise wir da gerade reinschlittern. Einerseits natürlich gesundheitlich, es wird aber auch beträchtliche wirtschaftliche Nachwehen geben. Wer glaubt, dass es in zwei Monaten weitergeht wie vorher, der lebt in einer Scheinwelt.