MICROWAVE

Foto© by Cameron Flaisch

Liebe und Dankbarkeit

Vier lange Jahre mussten sich MICROWAVE-Fans gedulden, um wieder eine Platte der Jungs aus Atlanta zu hören zu bekommen. Der Vorgänger, „Death Is A Warm Blanket“ wurde ein wenig zum Opfer der Corona Pandemie und die zum Album geplante Welttour musste abgesagt werden. Tröpfchenweise gab es neue Songs, aber nun endlich die Gewissheit, dass mit „Let’s Start Degeneracy“ ein neuer Longplayer in den Startlöchern steht. Ein guter Moment, um mit Frontmann Nathan über ihre neuen Lieder zu sprechen.

Ich muss zugeben, als ich den Opener „Portals“ gehört habe, war ich nicht ganz sicher ob mir das richtige Album geschickt wurde. Auch wenn es super ins Gesamtbild passt, war es nicht das, womit ich bei einem MICROWAVE-Album gerechnet habe. Stand für euch von Anfang an fest, dass das der erste Track wird?

Ja, das war von Anfang an klar. Als ich hörte, wie meine Freundin „Softly and tenderly“ von Johny Cash sang, wusste ich sofort, dass es als Opener des Albums passen würde. Ich liebe den Text. Die erste Strophe, in der von Portalen die Rede ist, passt textlich gut zu dem darauf folgenden Stück „Ferrari“. Mir gefällt auch, wie düster die letzte Strophe des Songs ist: „Shadows are gathering, deathbeds are coming, coming for you and for me“. Es fühlt sich irgendwie so an, als würde es dort anknüpfen, wo wir auf dem letzten Album aufgehört haben.

Mit „Ferrari“, „Circling the drain“ und „Straw hat“ gab es schon frühe Vorboten zum Album. Manche der Songs sind jetzt schon fast zwei Jahre alt. Wie kommt es, dass das Album erst jetzt rauskommt?
Um ehrlich zu sein, haben wir die Songs einfach so veröffentlicht, wie wir sie fertiggestellt haben. Wir haben das Album nach und nach Gestalt annehmen lassen. Wir haben kein Interesse daran, Musik zu veröffentlichen, die wir nicht für unsere beste Arbeit halten. Es hat lange gedauert, bis es fertig war, aber wir lieben das Album und das ist wirklich alles, was uns interessiert. Ich finde es cool, wie alles synchron zusammenkam und sich am Ende so zusammenhängend anfühlte, als hätten wir das komplette Fossil aufgedeckt.

Vielleicht kannst du uns hier ein wenig Einblick in euren Schreibprozess geben. Wie entstehen eure Songs? Gibt es gemeinsame Schreibsessions, komponiert eine Person alles alleine oder ist es eine Mischung von beidem?
Das unterscheidet sich von Song zu Song. Kein Lied gehen wir gleich an. Es ist so, als würde man etwas immer wieder aufs Neue übermalen und bei jedem Durchgang ein paar Parts behalten. Wir haben dieses Mal auch damit experimentiert, verschiedene Leute für die Zusammenarbeit an verschiedenen Tracks hinzuzuziehen, sowohl textlich als auch musikalisch. Trotzdem bleibt es größtenteils so, dass ich die Texte, Akkordfolgen und Melodien alleine schreibe. Ich bin da einfach manchmal gerne für mich. Ich denke, das ist ganz gesund.

Zuerst dachte ich, vom Stil her würde „Let’s Start Degeneracy“ eher in Richtung älterer MICROWAVE-Alben gehen. Aber je mehr Songs man sich anhört, desto mehr schimmert „Death Is A Warm Blanket“ durch. Ich habe wirklich das Gefühl, dass es eine gute Mischung aus allem ist, was ihr vorher gemacht habt. Würdest du dem zustimmen?
Ich hoffe es. Wir haben viel gelernt, während wir „Death Is A Warm Blanket“ geschrieben haben, und in gewisser Weise denke ich, dass es für uns ein großer Sprung nach vorne war. Die Dynamik unseres Songwriting-Prozesses ändert sich ständig, aber je mehr Musik wir schreiben, desto mehr denke ich, dass eine einheitliche künstlerische Stimme durchkommt. Letzten Endes ist ein Künstler das Produkt seines Geschmacks und seiner Vorlieben. Wir verlieben uns jeden Tag in neue Musik und wir wissen, was wir mögen, wenn wir uns hinsetzen und an unserer eigenen Musik arbeiten. Wir mochten alle musikalischen und textlichen Elemente, die „Death is a Warm Blanket“ und unsere vorherigen Alben ausmachten. Wir mögen auch alles, was zu „Let’s Start Degeneracy“ wurde.

Seit dem letzten Album sind vier Jahre vergangen. Habt ihr etwas Neues für eure Musik gelernt? Techniken, neues Equipment, neue Routinen? Oder bleibt ihr bei eurem erprobten Setup und alten Gewohnheiten?
Wir haben in den letzten vier Jahren eine Menge an unserem Equipment verändert. Vor vier Jahren haben wir unsere Gitarren über einen Laptop laufen lassen und vermutlich zu viele Pedale benutzt. Jetzt benutzen wir alle jeweils einen Quad Cortex von Neural DSP aus Helsinki. Das hat unser Leben verändert. Wir müssen nicht mehr auf den Pedalen herumtanzen und während des gesamten Sets nach unten schauen. Wir machen jetzt auch mehr Yoga und trinken etwas weniger. Man hat mir gesagt, dass wir uns in den letzten Jahren live deutlich gesteigert haben. Ich bin sicher, dass Deutschland uns mitteilen wird, ob das, was mir gesagt wurde, falsch ist.

Lustig, dass du es ansprichst. Als ich euch das erste Mal gesehen habe, hat meine Frau danach zu mir gesagt, dass ihr „ganz schön viel auf euren Pedalen rumtretet“. Ich fand das eine interessante Beobachtung. Aber das ist nun anders?
Ja, wir haben die Anzahl der Pedale und die Aufmerksamkeit, die zum Wechseln zwischen den Sounds erforderlich ist, drastisch reduziert. Jetzt können wir beim Singen direkten Augenkontakt mit dem Publikum aufnehmen. Ich hoffe, dass ihr alle bereit seid für das Maß an Intimität und den überwältigend guten Klang, den unser neues Setup bietet.

Okay, letzte Frage dann entlasse ich dich: Wie schafft ihr es, euch nicht zu hassen, so viel wie ihr tourt und aufeinander herumhockt?
Unsere Herzen quellen derart über vor Liebe und Dankbarkeit, dass für Hass einfach kein Platz ist.